Brotbackmischung-Test: Krebsverdächtiges Acrylamid ist Problem beim Backen

Magazin November 2021: Kaffee | Autor: Lisa-Marie Karl/Frank Schuster/Cordula Posdorf | Kategorie: Essen und Trinken | 28.10.2021

Brotbackmischungen im Test: Ein paar Produkte haben ein Problem mit Acrylamid
Foto: ÖKO-TEST

Frisch aus dem Ofen schmeckt Brot besonders gut. Für Eilige gibt es Fertigbackmischungen. Doch nur rund ein Drittel der Produkte im Test können wir empfehlen. Viele haben ein Problem, das beim Backen entsteht: Acrylamid.

  • Wir haben 20 Brotbackmischungen getestet. Beim Backen entstand bei fast allen Mischungen Acrylamid. Der Stoff gilt für Menschen als wahrscheinlich krebserregend.
  • In 18 Produkten wies das von uns beauftragte Labor Mineralölbestandteile nach.
  • Nur sieben Produkte können wir empfehlen, von sechs Mischungen raten wir ganz ab. 

Wie viel Gramm Mehl? Und wie viel Salz? Wer sich beim Brotbacken nicht lange mit den richtigen Dosierungen aufhalten möchte, kann zu einer Fertigbackmischung greifen. Das Angebot in den Läden ist groß. Wir haben 20 Brotbackmischungen für Bauern- und Sonnenblumenkernbrot eingekauft und in die Labore geschickt.

Brotbackmischungen im Test: Beim Backen entsteht Acrylamid

Damit aus einer Brotbackmischung ein duftendes Brot entstehen kann, muss der angrührte Teig erstmal in den Ofen. Bei hoher Hitze besteht allerdings die Gefahr, dass sich Acrylamid bildet. 

Acrylamid kann beim Braten, Frittieren und Backen von stärkehaltigen Lebensmitteln entstehen. Es bildet sich im Bräunungsprozess bei hohen Temperaturen aus den Zucker- und Eiweißbausteinen. Acrylamid erwies sich in Tierversuchen als krebserregend und erbgutschädigend. Das gilt mit großer Wahrscheinlichkeit auch für den Menschen.

(Foto: ÖKO-TEST)

Acrylamid: Fast alle Brotbackmischungen betroffen

Aus beinahe allen Brotbackmischungen im Test entstanden beim Backen Brote mit Acrylamid. Häufig nur in Spuren, doch in acht Fällen war der Gehalt nach ÖKO-TEST-Kriterien "erhöht" bis "stark erhöht".

Die Experten in dem von uns beauftragten Labor buken die Brote streng nach den Backanleitungen. Die empfohlenen Backtemperaturen reichten von 180 bis 240 Grad Celsius, die Backzeiten von 45 bis 60 Minuten.

Möglicherweise liegen in den heißen Temperaturen und langen Backzeiten schon die Ursachen für das Entstehen von Acrylamid. Denn in einer Studie der Uni Hohenheim von 2018 fanden Lebensmitteltechnologen heraus, dass eine schnelle Abtrocknung der Teigoberfläche und die damit einhergehende intensive Krustenbildung zu einem höheren Acrylamidgehalt führen.

In der Studie wird zudem darauf verwiesen, dass besser mit Ober- und Unterhitze gebacken werden sollte. Bei Umluft kommt es zu schnellerer Abtrocknung und damit zu höherer Acrylamidbildung. Die Backanleitungen im Test weisen meistens Temperaturen für Ober- und Unterhitze als auch für Umluft aus. Das Labor hat einheitlich mit Ober-und Unterhitze gebacken. Diese Backart ist eindeutig zu empfehlen.

Backanleitungen müssen überarbeitet werden 

Die Experten schlugen deshalb vor, entweder kurz bei höherer Temperatur (280 Grad) oder länger und nicht so heiß (200 Grad) zu backen. Außerdem empfahlen sie, den Brotteig lange gehen zu lassen. Denn so baut die Hefe stärker die Acrylamidvorstufe Asparagin ab.

ÖKO-TEST fordert deshalb als Konsequenz dieses Tests: Die Hersteller müssen das Acrylamidproblem im Endprodukt ernst nehmen, einige müssen dringend ihre Backanleitungen überarbeiten. 

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Mineralöl in fast allen Brotbackmischungen im Test

Von zwei Ausnahmen abgesehen wies das beauftragte Labor in allen Backmischungen Mineralölbestandteile nach. In einigen Fällen nur in Spuren, doch in mehr als der Hälfte der Produkte war der Gehalt aus ÖKO-TEST-Sicht "leicht bis stark erhöht".

Mögliche Quellen für die Verunreinigungen sind in der Produktion eingesetzte Schmierstoffe, zum Beispiel in Erntemaschinen. Die nachgewiesenen gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH) können sich im menschlichen Fettgewebe, in der Leber, Milz und in den Lymphknoten anreichern.

Besonders hoch lag ihr Gehalt in einer Backmischung, in der zudem aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) festgestellt wurden. In dieser Stoffgruppe können sich krebserregende und erbgutschädigende Substanzen befinden.

Brotbackmischungen im Test: Brot darf nicht zu lange und zu heiß gebacken werden - sonst kann Acrylamid entstehen.
Brotbackmischungen im Test: Brot darf nicht zu lange und zu heiß gebacken werden - sonst kann Acrylamid entstehen. (Foto: BartTa/Shutterstock)

Weitere Problemstoffe in Brotbackmischungen gefunden

Aber nicht nur Acrylamid und Mineralölbestandteile fielen bei der Untersuchung im Labor auf. Vereinzelt sind wir auf folgende Problemstoffe gestoßen: Cadmium und Chlorpropham.

  • Cadmium ist ein giftiges Schwermetall. Dauerhaft hohe Cadmiumbelastungen können zu Nieren- und zu Knochenschäden führen. Das Cadmium gelangt wahrscheinlich über die Sonnenblumkerne in die Backmischungen. Ölsaaten wie Mohn, Leinsamen, Sesam, Kürbis- und eben auch Sonnenblumenkerne können mit Cadmium belastet sein. Die Pflanzen nehmen es über ihre Wurzeln aus dem Boden auf. Das gilt übrigens auch für Getreide wie Weizen.
  • Das Pflanzenschutzmittel Chlorpropham gilt als potenziell krebserregend. In der EU dürfen Produzenten diesen Stoff nicht mehr einsetzen. Seine Anwendung ist in Deutschland seit Ende 2020 verboten.

Brote schmecken und sehen gut aus

Eine gute Nachricht zum Schluss: Die Brote sehen gut aus und schmecken. Für alle Brote notierten die Experten: Geruch und Geschmack charakteristisch und ohne Fremdkomponente. Farbe, Aussehen und Konsistenz: einwandfrei, hellbraune Krume und nahezu gleichmäßige Porung.

Alle Mischungen arbeiten mit Hefe, die den Teig gehen lässt und luftig machen soll. Die meisten enthalten schon Trockenhefe, in manche muss diese oder frische Hefe noch dazu. In den meisten Mischungen steckt zudem getrockneter Sauerteig für mehr Säure und Aroma.

Was steckt in den unterschiedlichen Brotbackmischungen?

Unter welcher Bezeichnung die Bäcker in Deutschland ihr Brot verkaufen, folgt einer Leitsatzregelung. Deren Kriterien gelten auch für Brotbackmischungen.

  1. Weizenmischbrot: Weizen muss darin zu mehr als 50 Prozent und ein weiteres Mehl, meist ist es Roggen, zu mehr als zehn Prozent enthalten sein.
  2. Bauernbrot: Damit ein Weizenmischbrot dessen Kriterien erfüllt, benötigt es nach den aktuellen Leitsätzen Sauerteig und eine charakteristisch bemehlte Kruste.
  3. Sonnenblumen(kern)brot: Es muss mindestens acht Prozent Sonnenblumenkerne enthalten.
  4. Vollkornbrot: Mindestens 90 Prozent des Getreides muss Vollkorn sein. 

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 20 Brotbackmischungen im Laden und im Internet eingekauft. Darunter sind Eigenmarken von Supermärkten und Discountern sowie bekannte Marken, zum Beispiel Küchenmeister und Aurora. Mit dabei sind auch zwei Bio-Produkte.

Wir beschränkten uns auf Mischungen für Bauern und Sonnenblumenkernbrot. Mit einer Ausnahme sind alle für ein Mischbrot mit einem Hauptanteil von Weizenmehl gedacht.

Verschiedene Labore untersuchten die Backmischungen auf Rückstände von synthetischen Pestiziden, Wachstumsregulatoren, Schimmelpilzgiften, Erdölbestandteilen und Schwermetallen. Kunststoffanteile an den Verpackungen ließen wir auf umweltschädliche chlorierte Verbindungen (PVC/ PVDC) prüfen.

Zudem wurden alle Backmischungen nach Anleitung mit Ober- und Unterhitze auf mittlerer Schiene in einem handelsüblichen Backofen gebacken und die fertigen Brote auf Acrylamid untersucht.

Geschulte Sensoriker bewerteten sie im Hinblick auf Geschmack, Geruch, Konsistenz, Farbe und Aussehen.

Bewertungslegende 

Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Für die Acrylamidanalyse wurden die Backmischungen in einem handelsüblichen Backofen nach Backanleitung zubereitet.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) ein Untersuchungsergebnis an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH/MOSH-Analoge) der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 4 mg/kg (in Tabelle: "stark erhöht"); b) ein Untersuchungsergebnis von mehr als 50 μg/kg Acrylamid im nach Backanleitung zubereiteten Produkt (in der Tabelle: "Acrylamid stark erhöht"). Dies überschreitet den EU-Richtwert der Verordnung (EU) Nr. 2017/2158 für weiches Brot auf Weizenbasis. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein Untersuchungsergebnis an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH/MOSH-Analoge) der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 2 bis 4 mg/kg (in Tabelle: "erhöht"); b) der Nachweis von aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffen (MOAH), wenn nicht bereits wegen MOSH/MOSH-Analogen um vier Noten abgewertet wurde; c) ein Untersuchungsergebnis von mehr als 25 μg/kg bis 50 μg/kg Acrylamid im nach Backanleitung zubereiteten Produkt (in der Tabelle: "Acrylamid erhöht"). Dies schöpft den EU-Richtwert der Verordnung (EU) Nr. 2017/2158 für weiches Brot auf Weizenbasis zu mehr als 50 Prozent aus; d) ein Untersuchungsergebnis für Cadmium umgerechnet auf eine 250-g-Tagesportion des nach Packungsanleitung zubereiteten Brotes, das die von der Efsa festgelegte wöchentlich tolerierbare Aufnahmemenge (TWI) zu mehr als 50 Prozent ausschöpft (in der Tabelle: "Cadmium"). Für die Berechnung geht ÖKO-TEST von einer 60 Kilogramm schweren Person aus; e) ein besonders bedenkliches und in der EU nicht mehr zugelassenes Pestizid mit einem Untersuchungsergebnis von mehr als 0,01 mg/kg (hier: Chlorpropham). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Untersuchungsergebnis an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH/MOSH-Analoge) der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 1 bis 2 mg/kg (in Tabelle: "leicht erhöht").

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Testmethoden 

Schwermetalle: Aufschluss nach DIN EN 13805:2014, Messung nach DIN EN 15763:2010 mittels ICP-MS.

Mykotoxine: LC-MS/MS. Chlormequat, Mepiquat: LC-MS/MS, nach § 64 LFGB L 00.00-76:2008-12; mod. (Die Modifikation umfasst die Anwendung auf fetthaltige pflanzliche und auf tierische Produkte und die Einwaage).

Pestizide: GC-MS nach § 64 LFGB L 00.00-34:2010-09, mod. (Die Modifikation umfasst die Einwaage, Extraktionsmittel und -temperatur und Fraktionierung) und LC-MS/MS nach § 64 LFGB L 00.00-113:2015-03, mod. (Die Modifikation umfasst die Einwaage und Miniaturisierung Reinigung).

Acrylamid: Nach J. Agric. Food Chem. (2006, 54, 7001) mod. (Die Modifikation betrifft die SPE-Aufreinigung statt Carrez-Klärung). MOSH/MOSH-Analoge/MOAH: Nach DIN EN 16995:2017 mod. (Die Modifikation betrifft die Verseifung und eine andere Matrix).

Sensorik (Aussehen, Konsistenz, Geruch und Geschmack): Nach ASU L 00.90-6:2015-06 mod. (Die Modifikation umfasst den Umfang Prüfpanel, Anforderung Prüfraum, Verschlüsselung, Prüfklima, Angabe Bericht).

Verpackung: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: August 2021.

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