Eigentlich gilt die betriebliche Altersversorgung als das Kosteneldorado. Starke Partner, nämlich Arbeitgeber, verhandeln mit den Assekuranzen und holen für ihre Mitarbeit die besten Konditionen heraus. Pustekuchen. Scheinbar unbemerkt verlangen die Versicherer auch in der betrieblichen Altersversorgung einen Zuschlag von allen, die ihren Beitrag monatlich und nicht jährlich zahlen.
"Das ist für mich ein Verstoß gegen das Betriebsrentengesetz", kommentiert Marco Krieter von der Versicherungsberater-Kanzlei KKP aus Bochum diesen Zustand. Nach Meinung von Krieter ist gerade bei der direkten Einzahlung des Lohns in eine Rentenpolice durch den Arbeitgeber alles auf die eine monatliche Zahlung abgestellt. Ein Zuschlag ist nach Meinung des Experten somit kaum berechtigt und kann daher eine unangemessene Benachteiligung sein (siehe Kompakt Wertgleichheitsgebot). Großzügiger ist da der ehemalige Richter am Bundesarbeitsgericht, Johann Kremhelmer. Er sieht hier keinen Verstoß. In der Regel genüge es, wenn der Arbeitgeber den vereinbarten Teil des Lohns in eine marktübliche Direktversicherung einzahlt. Und marktüblich ist der Ratenzuschlag allemal. Das geht nicht nur aus der Untersuchung von ÖKO-TEST hervor, sondern wird von Experten bestätigt. "Bisher waren Ratenzahlungszuschläge für unterjährige Zahlung auch in der betrieblichen Altersversorgung üblich. Bei Gruppenverträgen wurden die Zuschläge in der Regel halbiert", erläutert Eberhard Gensch, Spezialist für die betriebliche Altersversorgung beim Beratungshaus Mercer. Aufmerksame Arbeitgeber hätten also davon Notiz nehmen können. Doch was der ehemalige Versicherungsombudsmann, Prof. Wolfgang Römer, immer wieder für die Verbraucher feststellte, gilt wohl auch für Arbeitgeber: Versicherungsbedingungen werden nicht gelesen.
Es tobt eine Streit um Tranzparenz
Daher sollten Arbeitgeber und Betriebsräte jetzt noch aufmerksamer werden. Denn in der privaten Versicherungswelt tobt ein Streit um die Transparenz der Ratenzuschläge, der bald auch in der betrieblichen seine Wirkung entfalten könnte. Nach Meinung von Verbraucherschützern und Juristen können Kunden Zuschläge teilweise zurückfordern, weil die Verträge nicht klar formuliert waren. Angegeben wird der Zuschlag von den Versicherungen als Prozentsatz der Prämie - was den Verbraucherschützern ein Dorn im Auge ist. Sie sind der Meinung, dass der Kunde genau wissen müsse, wie teuer die Ratenzahlung tatsächlich ist. Zwar kann jeder errechnen, dass bei einer Jahresprämie von 1.000 Euro und einem Zuschlag von drei Prozent der Mehraufwand absolut bei 30 Euro liegt. Doch umgerechnet auf den effektiven Jahreszins ergibt sich, wenn der Kunde beispielsweise seine Prämie in zwölf Raten, also monatlich zahlt, ein Wert von 6,7 Prozent. Der Grund ist einfach: Der Versicherer gewährt den Zahlungsaufschub ja nicht für das ganze Jahr. Schon am ersten Januar liegt die Schuld nur noch bei elf Zwölftel und ständig stottert der Kunde mehr ab.
Höchstrichterliches Urteil verhindert
Exemplarisch hatte der Verbraucherzentrale-Bundesverband die HUK-Coburg wegen des Vorwurfs intransparenter Zuschläge bei Riester-Verträgen verklagt. Das Landgericht Bamberg gab den Verbraucherschützern recht - das Oberlandesgericht Bamberg hingegen der HUK-Coburg. Einem wahrscheinlich allgemeingültigen Unterlassungsanspruch des Bundesgerichtshofs gegen alle Versicherer kam die HUK-Coburg zuvor, indem sie das erstinstanzliche Urteil anerkannte (Anerkenntnisurteil des BGHs vom 29.7.2009, Az. I ZR 22/07). Die juristischen Folgen sind noch unklar. Die Assekuranzen sehen sich rechtlich nicht in der Pflicht. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft - angeführt vom ehemaligen HUK-Coburg-Vorstand Rolf-Peter Hoenen - beruft sich derzeit auf eine Erläuterung zur EU-Verbraucherkreditrichtlinie vom 23.4.2008, nach der Versicherungsverträge ausdrücklich vom Begriff des Kreditvertrags ausgenommen sind. Die Versicherer betonen zudem, dass es keinerlei Berechtigung gebe, an der Rechtmäßigkeit der Ratenzuschläge zu zweifeln. Immerhin seien die Zuschläge bisher bei Prüfungen durch die Aufsichtsbehörde niemals beanstandet worden. Außerdem, so beispielsweise die Nürnberger Versicherung, "würden Ratenzahlungszuschläge dem Verwaltungsmehraufwand der unterjährigen Zahlungseingänge entsprechen".
Haben die Versicherer aber gegen die vorgeschriebene Preisdarstellung verstoßen, können die Kunden einen Teil des Zuschlags zurückbekommen, weil sie den Preis der Ratenzahlung nicht richtig einschätzen konnten. Wie unser Test in der August-Ausgabe gezeigt hat, erreicht er bei monatlicher Zahlung in der Spitze über 20 Prozent, 15 sind fast die Regel. Nach Ansicht der Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) sind aber nur vier Prozent effektiver Jahreszins zulässig. "Wir haben daher rund 30 Abmahnungen an Versicherer geschickt", sagt Edda Castelló von der VZHH.
Nach Ansicht des früheren obersten Arbeitsrichters Kremhelmer wirken sich Entscheidungen im Zivilrecht auch auf die betriebliche Altersversorgung aus. "Hat die Versicherungsgesellschaft das Transparenzgebot nicht ausreichend beachtet, wirkt sich das auf die Höhe der Versicherungsleistungen aus. Die vom Arbeitgeber zugesagte betriebliche Altersversorgung erhöht sich entsprechend", so Kremhelmer. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Zunächst einmal "entscheiden die ordentlichen Gerichte und als letzte Instanz der Bundesgerichtshof, auf welche Weise die Versicherungsgesellschaften die Ratenzuschläge auszuweisen haben". Trotzdem rät Kremhelmer: "Will der Arbeitgeber jegliches Risiko vermeiden, sollte er prüfen, ob ein Versicherungsvertrag ohne Ratenzuschläge bei unterjähriger Beitragszahlung sinnvoll ist oder ob der Versicherungsvertrag mit Ratenzuschlägen auch erhebliche Vorteile für den Arbeitnehmer bietet."
ÖKO-TEST hat für 37 Assekuranzen ermittelt, ob Zuschläge für Direktversicherungen erhoben werden, wenn Kunden ihre Prämie monatlich zahlen. Zwölf Versicherer wollten sich nicht in die Karten schauen lassen und verweigerten eine Auskunft (siehe "Verweigerer").
Das Testergebnis
Das Testergebnis zeigt den Stand Anfang 2010. Bei neuen Verträgen können daher auch andere Regeln gelten, weil die Versicherer ihre Bedingungen umgestellt haben. Wer in längeren Intervallen zahlt, bekommt einen Rabatt. Doch Ziel des Tests war es nicht, die aktuelle, sondern die Situation vieler schon früher abgeschlossener und heute noch laufender Verträge zu beleuchten, aus der sich möglicherweise ein Rückzahlungsanspruch für die Kunden ergibt.
Für einige Verweigerer hat der Versicherungsberater Marco Krieter aus Bochum auf Basis von Musterrechnungen geprüft, ob bei monatlicher Zahlung im Vergleich zur jährlichen Zahlung Unterschiede bestehen. Ob diese von Zuschlägen herrühren oder eine andere Ursache haben, können wir wegen der verweigerten Mitarbeit nicht entscheiden.
Die meisten Anbieter von Direktversicherungen verlangen bei der monatlichen Zahlung einen Mehraufwand von fünf Prozent. Umgerechnet ist das laut dem Versicherungsmathematiker Peter Schramm aus Diethardt eine effektive Zinsbelastung von 11,35 Prozent.
Der Streit gegen den Arbeitgeber wegen Pflichtverletzung bei der Auswahl des geeigneten Produkts für eine Betriebsrente ist rechtsschutzversichert. "Voraussetzung ist aber, dass der umstrittene Abschluss der Betriebsrente in die Laufzeit der persönlichen Rechtsschutzversicherung fällt", erläutert Andrea Timmesfeld von der Roland Rechtsschutz aus Köln.
Das Wertgleichheitsgebot
Das Betriebsrentengesetz verlangt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer anstelle des umgewandelten Arbeitsentgelts eine wertgleiche Altersversorgung zusagt. Dabei darf die spätere Leistung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnet werden. Wertgleichheit heißt somit nicht, dass der eingezahlte Beitrag zu 100 Prozent angespart wird. Es können Gebühren anfallen, wenn beim Abschluss sichergestellt ist, dass die später zu erwartenden Rentenleistungen auf jeden Fall dem eingezahlten Wert entsprechen werden. Allerdings muss der Arbeitgeber die Versicherungsgesellschaft und die Versicherungsbedingungen sorgfältig auswählen und darf seine Mitarbeiter nicht unangemessen benachteiligen. Bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten muss der Arbeitgeber die Versorgung seines Mitarbeiters unter Umständen aufstocken. Die Aufstockung der betrieblichen Altersversorgung entspricht dem gesetzlichen Ziel, sowohl für einen Ausbau der betrieblichen Altersversorgung zu sorgen als auch den Arbeitnehmer vor unzureichenden Versorgungszusagen zu schützen (Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.9.2009, Az. 3 AZR 17/09). Ob die Zuschläge gegen das Wertgleichheitsgebot verstoßen, ist gerichtlich nicht geklärt.
Die Verweigerer
Keine Auskunft erhielten wir von: Aachen-Münchener, Allianz, Axa, Bayern-Versicherung (VKB), Generali, HDI-Gerling, Nürnberger, Provinzial NordWest, Signal-Iduna, Sparkassenversicherung, Swiss Life , Württembergische. Soweit wir durch Musterrechnungen die Versicherer überprüfen konnten, gab es einen Mehraufwand bei unterjähriger Zahlung. Daher ist zu vermuten, dass die Anbieter die Mitarbeit verweigert haben, weil ein möglicher Zuschlag nicht ans Tageslicht kommen soll.
Der Ombudsmann
Versicherungsombudsmann, Postfach 08 06 32, 10006 Berlin, Tel.: 0800/3696000, Fax: 0800/3699000, E-Mail: [email protected]