Warum Menschen zu Allergikern werden, ist bis heute nicht geklärt. Man versteht zwar inzwischen, was im Organismus passiert, wenn das Immunsystem plötzlich aus der Bahn gerät und Freund und Feind nicht mehr unterscheiden kann. Aber noch rätseln die Forscher darüber, welcher Entstehungsmechanismus diesem Phänomen zugrunde liegt. Als erwiesen gilt, dass erbliche Anlagen eine bedeutende Rolle spielen. Kinder von Allergikern bekommen oft auch deren Allergien. Verantwortlich für den gestörten Abwehrmechanismus sind vermutlich mehrere Gruppen von Genen.
Aber auch Umweltfaktoren, Lebensstil und Psyche wirken bei Entstehung von Allergien offenbar mit. Anders wäre es nicht zu erklären, dass Erkrankungen wie Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis seit Ende des Zweiten Weltkriegs stetig zugenommen haben - und das vor allem in den reichen Industrienationen und städtischen Ballungsräumen. Dazu kommt: Weltweite Erhebungen deuten auf eine ähnliche, wenn auch verzögerte Entwicklung in den Schwellenländern hin, beispielsweise in Brasilien, Indien oder China, aber auch in einigen osteuropäischen Staaten. Bestimmte Errungenschaften der modernen Wohlstandsgesellschaft fördern also das Risiko, an einer Allergie zu erkranken.
Wohlstand und westlicher Lebensstil
Auffällig ist auch ein weiterer Befund: In dem Maße, in dem in den westlichen Industrienationen Allergien zunahmen, sank dort gleichzeitig die Zahl schwerer Infektionskrankheiten. Das konnte der Epidemiologe David Strachan schon 1989 durch Studien an englischen Kindern nachweisen. Strachan vermutete einen Zusammenhang zwischen diesen beiden gegenläufigen Trends. Seine Hygiene-Hypothese erklärt das so: Faktoren wie verbesserte Sanitäreinrichtungen, kleinere Familien und mehr Sauberkeit führen dazu, dass Kinder seltener Kontakt mit Krankheitskeimen haben, weniger Infekte durchmachen und deshalb ihr heranreifendes Immunsystem nicht ausreichend trainieren können. Der körperliche Abwehrmechanismus ist quasi unterbeschäftigt und reagiert deshalb schon auf harmlose Substanzen.
Umgekehrt sind Sprösslinge, die oft im Dreck spielen, vor Allergien anscheinend besser geschützt. Das könnte auch auf Krippenkinder zutreffen, die sich durch den Kontakt mit vielen Gleichaltrigen ständig mit irgendwelchen Krankheitskeimen auseinandersetzen müssen. Denn wenn das kindliche Immunsystem mit schweren Infektionserregern genug zu tun hat, dann kümmert es sich nicht um die weniger gefährlichen Stoffe. Gestützt wurde diese Theorie auch durch vergleichende Untersuchungen in Ost- und Westdeutschland. Direkt nach dem Fall der Mauer litten Schulkinder im Osten deutlich häufiger an Infektionen und seltener an allergischen Erkrankungen als im Westen. Schon zehn Jahre später hatte sich die Häufigkeit von Allergien dem westlichen Niveau angeglichen.
Aber die Sache ist doch komplizierter. Aufgrund neuerer Studienergebnisse wurde die Hygiene-Hypothese in den letzten Jahren denn au...