Wattestäbchen im Test: Corona-Krise bereitet Herstellern Probleme

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2023 | Autor: Victoria Pfisterer/Frank Schuster | Kategorie: Kosmetik und Mode | 13.10.2022

Wattestäbchen im Test: Wenig Schadstoffe aber auch wenig Recyclingpapier
Foto: ÖKO-TEST

In der EU ist Plastik in Wegwerfartikeln seit 2021 verboten. Wattestäbchen mit einem Stiel aus Plastik sind also von gestern. Setzen die Hersteller nun auf Alternativen und sind die Wattestäbchen frei von Schadstoffen? Wir haben 25 Produkte getestet.

  • Wir haben 25 Wattestäbchen aus Drogerien, Discountern, Supermärkten und Bio-Märkten getestet. Vier Produkte sind als Sicherheitswattestäbchen für Babys- und Kinder ausgelobt.
  • Im Labor fanden sich halogenorganische Verbindungen in vier Produkten. Viele Stoffe aus dieser Gruppe gelten als allergieauslösend.
  • Die aktuelle Krise erschwert die Beschaffung von Papier. Das stellt die Wattestäbchenhersteller vor Probleme.

Aktualisiert am 13.10.2022 | Seit Sommer 2021 gilt für Wegwerfprodukte ein Plastikverbot in der EU. Also müssen die Stiele der Wattestäbchen aus Papier sein. Damit sind wir beim Thema Engpass auf dem Papiermarkt. Was bedeutet der für die Hersteller von Wattestäbchen? 

Papierknappheit durch Corona und Krieg

Das EU-Verbot für Plastik in Wegwerfartikeln fiel mitten in die Corona-Krise. Wegen des Lockdowns gerieten weltweit die Lieferketten für Alltagsprodukte stark unter Druck. Das galt und gilt insbesondere auch für Hygienepapier- und Zellstoffprodukte.

Für die Hersteller hieß es: kreativ werden. Ein Wattestäbchenhersteller, dessen Produkte wir aktuell getestet haben, teilte uns beispielsweise mit, dass er Papierstiele bei seinen Wattestäbchen verwendet, die sonst bei Lollis zum Einsatz kommen.

Jetzt kommt zu der ohnehin angespannten Lage auf dem Papiermarkt der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hinzu. Die aktuell explodierenden Gas- und Strompreise könnten dafür sorgen, dass sich der Papiermangel zu einer Versorgungskrise auswachse, warnt der Branchenverband Die Papierindustrie.

Wattestäbchen eignen sich gut, um verschmierte Schminke zu korigieren.
Wattestäbchen eignen sich gut, um verschmierte Schminke zu korigieren. (Foto: BLACKDAY/Shutterstock)

Großes Sortiment an plastikfreien Wattestäbchen

Die gute Nachricht: Bisher scheinen die Hersteller von Wattestäbchen die Umstellung auf Papier offensichtlich gut hinbekommen zu haben. Das Sortiment an plastikfreien Produkten in den Ladenregalen ist groß. Zurückgegriffen wird, wie unser Test zeigt, auf Papier aus Brasilien, Skandinavien und Deutschland.

Auffällig ist allerdings, dass nur vier der getesteten Wattestäbchen Anteile von Recyclingpapier enthalten – das ist eine sehr schwache Quote. Die Erklärung: "Lieferengpässe auf dem Rohstoffmarkt bei der Beschaffung von Recyclingfasern erschweren einzelnen Herstellern derzeit die Herstellung von Recyclingpapier", teilt der auf nachhaltige Forstwirtschaft ausgerichtete Zertifizierer Forest Stewardship Council (FSC) mit.

Diesmal kein Minus für schlechte Recycling-Quote

Das Umweltbundesamt schreibt uns auf Anfrage: "Derzeit ist die Lage auf dem Altpapiermarkt angespannt. Es ist schwer, überhaupt genügend Altpapier zu vertretbaren Preisen für die Produktionen zu bekommen."

Die Schwierigkeit der Rohstoffbeschaffung und die Anfangsprobleme bei der Umstellung auf plastikfrei sind auch die Gründe, warum wir anders als bei unseren jüngsten Tests von Hygieneartikeln wie Toilettenpapier oder Papiertaschentüchern diesmal keine Noten für den fehlenden Einsatz von Recyclingpapier abziehen.

Wattestäbchen im Test: Jetzt Ergebnisse im ePaper lesen

Recyclingpapier in vier Wattestäbchen im Test

Bei den vier Produkten in unserem Test, die Recyclingpapier enthalten, stammen die Papierfasern nicht aus der häuslichen Altpapiersammlung (Post-Consumer-Recycling), sondern es handelt sich um Post-Industrial-Recyclingpapier.

Was genau ist das? Es handelt sich um recycelte Industriereste. Recycelte Industriereste Post-Industrial-Recylingpapier (PIR) stammt vollständig oder anteilig aus Altpapier, das in der Papierverarbeitung von Druckereien, Buchbindereien oder Verpackungsfabriken anfällt – etwa Stanzreste.

Ausgangsmaterialien können aber auch nicht verkaufte Zeitungen und Zeitschriften aus dem Kioskhandel sein. Für die weiterverarbeitende Industrie hat PIR den Vorteil, dass es ohne die aus der Altpapiertonne bekannten Störstoffe (Fehlwürfe) vorliegt. Eine passende Recyclingpapierfabrik kann es direkt verwerten, Stanzabfälle eines Wellpappenkistenherstellers zum Beispiel eignen sich für die Wellpappenrohpapierproduktion.

(Foto: ÖKO-TEST)

Potenzielle Rückstände aus Bleiche in Wattestäbchen

Was Schadstoffe angeht, gibt es an den Wattestäbchen im Test nicht viel zu meckern. In vier Produkten werten wir halogenorganische Verbindungen ab. Allgemein gelten viele der zumeist chlorhaltigen Stoffe als allergieauslösend, manche reichern sich in der Umwelt an. Aussagen über ganz konkrete Verbindungen lässt das Analysenverfahren jedoch nicht zu.

Bei den analysierten Verbindungen kann es sich um Rückstände aus der Chlorbleiche handeln. Zwei Anbieter gaben uns beispielsweise die Rückmeldung, dass zwar die Baumwolle der Watte chlorfrei gebleicht sei, nicht aber das Stäbchen. Dessen Papier sei mit dem Verfahren ECF (elementar- Chlorfrei) gebleicht. Das schließt zwar den Einsatz von Chlorgas aus, nicht aber den von Chlorverbindungen.

Ein weiterer Hersteller antwortete, Bambus und Baumwolle seien ungebleicht; wieder ein anderer Anbieter machte keine Angaben zum konkreten Bleichverfahren.

Tipps für die Anwendung von Wattestäbchen

  • Wattestäbchen besser nicht in den Gehörgang stecken. Grund: Mit einem Stäbchen drückt man Ohrenschmalz nur noch fester und tiefer ins Ohr. Beinahe alle Produkte tragen einen entsprechenden Warnhinweis.
  • Babywattestäbchen müssen nicht sein. Die äußere Ohrmuschel lässt sich auch mit einem Waschlappen oder einem herkömmlichen Stäbchen reinigen.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 5/2022 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2023 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 25 Wattestäbchen in Drogerien, Discountern, Supermärkten und Bio-Märkten eingekauft. Vier Produkte sind als Sicherheitswattestäbchen für Babys- und Kinder ausgelobt. Die Köpfchen haben am inneren Rand eine Verdickung, die verhindern soll, dass sie beim Reinigen des Ohres zu tief eindringen.

Wattestäbchen haben – auch bei Erwachsenen – laut Medizinermeinung generell im Gehörgang nichts verloren. Beinahe alle Produkte tragen einen entsprechenden Warnhinweis. Alle Wattestäbchen im Test sind kunststofffrei. Grund: Seit Juli 2021 dürfen Hersteller in der EU keine Einwegplastik-Artikel mehr verkaufen. Wir haben uns die neuen Alternativen aus Papier oder Bambus mit Watteköpfchen aus Baumwolle genauer angeschaut. Wir fragten bei den Herstellern die Herkunft der Rohstoffe und das Herstellungsland ab.

Von uns beauftragte Labore untersuchten sie auf papier- und wattetypische Problemstoffe wie Formaldehyd, Glyoxal, optische Aufheller und halogenorganische Verbindungen. Zudem prüften sie die Verpackungen auf umweltschädliche chlorierte Verbindungen (PVC/PVDC).

Bewertungslegende

Produkte mit gleichem Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Zur Abwertung um eine Note führt: ein gemessener Gehalt von mehr als 1 mg/kg halogenorganische Verbindungen.

Das Gesamturteil beruht auf der Bewertung des Inhalts.

Testmethoden

Formaldehyd: Qualitativer Nachweis mit Carbazol/Schwefelsäure.
Glyoxal: Qualitativer Nachweis mit Phenylhydrazin/Schwefelsäure/Eisen(III)chlorid.
Halogenorganische Verbindungen: a) Heißwasserextraktion mit anschließender Zentrifugation und Membranfiltration, Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts; b) Extraktion mit Essigester, Verbrennung des Extrakts im Sauerstoffstrom, microcoulometrische Bestimmung des Halogengehalts
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Januar 2022.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 5/2022 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2023 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.

ÖKO-TEST Jahrbuch für 2023
ÖKO-TEST Jahrbuch für 2023

Jetzt kaufen (Digital oder Print)