Im eigenen Beet kann man den Lebenszyklus vom millimeterkleinen Samen zur metergroßen Pflanze leicht selbst miterleben. Der Kreislauf beginnt nach der Ernte der Früchte – wie jetzt im August beispielsweise mit Tomaten.
- Tomaten, aus denen man Samen gewinnen will, lässt man im Spätsommer an der Pflanze überreif werden. Die schönsten und gesündesten Exemplare sollten für das nächste Jahr bleiben – ausgerechnet die, in die man am liebsten hineinbeißen würde.
- "Der Samengärtner lässt die besten Früchte am Strauch", sagt Barbara Maria Rudolf. Sie ist Bioland-Bäuerin und Hobbygärtnerin mit einem Küchengarten. "Da muss man sich zusammenreißen."
- Man markiert die schönsten Früchte mit einem Bändchen am Stamm. Wenn sie langsam überreif sind, dürfen sie gepflückt werden. Auch während der Abreife werden die Pflanzen gut versorgt, damit die Samen eine gute Qualität und Keimfähigkeit behalten.
Maria Rudolf leitet zudem Saat:gut e.V. – ein Förderverein für die Pflanzenzüchtung. "Wer heute Saatgut kauft, hat kaum noch eine Wahl", kritisiert die Vereinsvorsitzende. "Wenige Konzerne beherrschen den Markt. Aber ihre oft sterilen Samen eignen sich kaum noch zur erneuten Aussaat."
Der Verein Saat:gut züchtet daher auf natürliche Weise samenfeste Gemüsesorten für Landwirte und Gärtner und animiert zum Mitmachen. "Wir wollen", sagt Barbara Maria Rudolf, "dass Sorten wieder als freies Kulturgut zugänglich sind."
Tipp: Ideal ist, wenn man im Frühjahr bereits ökologisches, samenfestes Saatgut etwa von Bingenheimer, Dreschflegel oder Sativa Rheinau aus der Schweiz verwendet hat. Steht auf der Samentüte "F1", hat man es dagegen mit Hybriden zu tun und sollte lieber keine Nachzucht versuchen: Aus der 1. Filialgeneration Saatgut können sich in der nächsten Generation andere, unerwünschte Eigenschaften bei Farbe, Form und Geschmack zeigen.
Die Samen für das Saatgut langsam trocknen lassen
In der Küche schneidet man die Tomaten auf, schabt die markanten gelblichen Samen heraus, wäscht sie gründlich und lässt sie langsam auf einem Papier trocknen – nicht im Ofen. Verschmutzung und Nässe könnten zu Schimmel führen.
Bei der Nassgärung werden die frisch gepflückten Früchte gewaschen, halbiert oder geviertelt und in einem abgedeckten Glas mit lauwarmem Wasser ein bis drei Tage stehengelassen. Während der Gärung lösen sich die Samen vom Fruchtfleisch und sinken auf den Glasboden. Danach die Samen ebenfalls gut trocknen, sie keimen im nächsten Jahr schneller. Bei Gurken, Paprika oder Zucchini funktioniert es ebenso.
Saatgut gewinnt man leicht aus Bohnen und Erbsen
Noch leichter lassen sich die Samen von Fruchtgemüsen wie Bohnen, Erbsen, Kürbis und Co. gewinnen: Sie sind Teil der Ernte und kullern beim Öffnen der Schote oder Frucht fast entgegen. "Man wundert sich oft, wie einfach die Saatgutgewinnung ist", sagt die Bio-Bäuerin, die selbst 2009 damit begonnen hat, zu züchten.
Bei Kohl muss man die Blüte abwarten
Bei Kräutern, Kohl oder Salaten kommt allerdings ein Zwischenschritt hinzu: Wer von ihnen Saatgut gewinnen will, erntet einzelne Pflanzen nicht, sondern wartet ihre Blüte und die Samenbildung ab. Kräuter wie Schnittlauch oder Petersilie lässt man über den Winter stehen. So blühen sie im Frühling, meist im Juni und Juli. Sind die Blütenstände im Sommer trocken und verwelkt, sind sie reif und könnten geerntet werden. Die kleinen Samen an den Dolden lassen sich herausschütteln oder leicht herrausdrücken.
Aufwendiger sind indessen Wurzelgemüse wie Möhren, Pastinaken oder Rote Beete: Auch sie bilden erst im zweiten Kulturjahr Samen aus. Dafür werden die ausgereiften Wurzeln frostfrei überwintert und im zeitigen Frühjahr wieder auf ein Beet gepflanzt. Dann treiben sie neue Wurzeln und Blätter aus und bilden im Sommer Samen. Diese schneidet man ab und lässt sie auf einem Tuch etwas nachreifen und trocken.
Saatgut kühl und dunkel lagern
Aufbewahrt werden Samen dunkel, trocken und kühl – am besten in einem luftdichten Glas mit Schraubverschluss. "Anders als in den Papiertüten gibt es im Schraubglas keine Luftfeuchtigkeitsschwankungen", sagt Barbara Maria Rudolf, "Das ist gut für die Keimfähigkeit des Saatguts." Damit sie es dunkel haben, kann man sie in einer Kiste, einem Karton oder alten Koffer auf bewahren.
Anfänger sollten mit Tomaten und Bohnen beginnen
Und noch ein Hinweis ist ihr wichtig: "Samengärtner sollten sortenrein arbeiten." Das heißt: Nicht mehrere Sorten direkt nebeneinander im Beet stehen haben, sondern genug Abstand zu anderen Pflanzen halten. Sonst könnte es zu ungewollten Kreuzungen kommen, die der Qualität der Früchte schaden.
Anfänger beginnen mit zwei oder drei einfachen Pflanzen wie Tomaten, Bohnen und Kürbis mit der Samenzucht. "Mit den eigenen Erfahrungen kann man nach und nach sein Sortiment erweitern", sagt die Landwirtin. Im Frühjahr werden die Samen dann eingepflanzt, bis aus ihnen neue Pflanzen wachsen. "Diese kleine Extraanstrengung lohnt sich", sagt Barbara Maria Rudolf. "Es ist eine innige Freude, den ganzen Pflanzenzyklus zu erleben."
Tauschen Sie Saatgut doch mal
Saatgutgewinnung ist Gemeinschaftssache. Bundesweit werden Tauschbörsen und Tauschkreise organisiert, die Samen und Fachwissen weitergeben.
Eine zentrale Plattform ist der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt VEN. Deren Webseite nutzpflanzenviel falt.de bietet neben Hinweisen zu Terminen und Veranstaltungen eine lange Saatgutliste mit aktuell fast 2.400 traditionellen, samenfesten Sorten zum privaten Anbau, darunter Gemüse, Kräuter, Früchte und andere Kulturpflanzen, Wildstauden und Sommerblumen.
Sie können bei Mitgliedern angefragt und bestellt werden. Eine Saatgutbibliothek führt das gemeinnützige Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben. Die Kulturpflanzenbank zählt aktuell 151.000 Muster aus fast 3.000 Arten.
Mehr Infos unter: ipk-gatersleben.de
Übrigens: Sind die Pflanzen von Blattläusen befallen, können die Schädlinge per Hand entfernt oder mit einem harten Wasserstrahl abgespült werden. Eine naturnahe Möglichkeit zur Bekämpfung ist auch der Einsatz natürlicher Gegenspieler, beispielsweise von Fadenwürmern gegen Larven.
Wer trotzdem auf Klebefallen, Sprays und Konzentrate setzen möchte – Wir haben uns 25 verschiedene Mittel gegen Blattläuse, Weiße Fliegen und Co. näher angeschaut:
Weiterlesen auf oekotest.de:
- Gartengeräte & Gartenwerkzeuge: Grundausstattung, Auswahl und Pflege der wichtigsten Gartenhelfer
- Bambus, Kirschlorbeer und Geranien: Besser aus dem Garten verbannen
- Trauermücken bekämpfen: So schützen Sie Ihre Pflanzen vor den kleinen Fliegen
- Pflanzen bewässern im Urlaub: Lifehacks fürs Pflanzengießen