Aktualisiert am 01.09.2016 | Wer im Laden nach vegetarischen oder veganen Fertigprodukten sucht, stößt schnell auf die sogenannten Fleischersatzprodukte: Produkte, die rein äußerlich panierten Schnitzeln zum Verwechseln ähnlich sehen, Aufschnitt, der im Kühlregal gleich neben herkömmlichen Wurstwaren liegt und kaum einen Unterschied erkennen lässt, braun gebratene Hackbällchen, die auf den ersten Blick Fleisch vermuten lassen, jedoch aus Soja oder Weizen gefertigt sind.
Die Produktbezeichnungen tun ein Übriges: vegetarische Fleischwurst, vegetarischer Schinkenspicker, vegetarische Minifrikadellen. Wer vor allem auf den zweiten Begriff achtet und Hinweise wie "fleischfrei" oder "auf Basis von Soja" übersieht, könnte zum vermeintlich falschen Produkt greifen. Fakt ist, derzeit herrscht in Sachen Kennzeichnung noch Regellosigkeit.
Gesetzliche Vorgaben fehlen. Was es gibt, ist allenfalls eine Stellungnahme des Arbeitskreises Lebensmittelchemischer Sachverständiger (ALS), wonach das vegetarische oder vegane Produkt im Hauptsichtfeld der Packung deutlich als solches bezeichnet werden soll, und darunter der ersetzte Bestandteil tierischer Herkunft aufzuführen ist.
Wer ist die Zielgruppe von Fleischersatzprodukten?
Tatsächlich haben Hersteller offensichtlich wenig Interesse daran, dass ihr Produkt mit der Fleischzubereitung verwechselt werden könnte und deklarieren eindeutig. Zu einer besseren Erkennung tragen außerdem eine grüne Packungsgestaltung bei sowie einschlägige Siegel, etwa des Vegetarierbundes Deutschland (VEBU) oder die Veganblume.
Aber wer soll diese Produkte eigentlich kaufen? Langjährige Veggies, die mal etwas anderes auf dem Teller haben wollen? Oder Veggie-Einsteiger, die geschmacklich noch sehr am Fleisch hängen, dieses jedoch aus ethischen Gründen ablehnen? Nach Informationen der Lebensmittel Zeitung hat der Handel vor allem die Gruppe der Flexitarier im Blick, also jene, die nur hin und wieder auf Fleisch verzichten.
Anders sei es nicht zu erklären, dass Supermärkte und Discounter derzeit große Anstrengungen unternehmen, ihre Veggie-Sortimente auszubauen. Von einem kurzfristigen Hype könne nicht die Rede sein.
Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte im Test
Sebastian Joy, Geschäftsführer des VEBU, bestätigt: "Umfragen haben ergeben, dass mehr als 50 Prozent der Deutschen an drei oder mehr Tagen pro Woche bewusst auf Fleisch verzichten." Zusammen mit rund sieben Millionen Vegetariern, darunter etwa 1,2 Millionen Veganern - so die Zahlen des VEBU - ergebe sich eine erhebliche Marktbedeutung, auf die der Handel mit einer immer breiter werdenden Produktpalette reagierte.
Allerdings seien die Konsumenten zunehmend kritisch und gut informiert, gibt Joy zu bedenken. "Sie verlangen verstärkt nach gesunden veganen Alternativen." Die Unternehmen seien daher aufgerufen, möglichst naturnahe Produkte herzustellen, die gut schmecken und zugleich gesund sind.
Wir kauften 20 fleischfreie Produkte und ließen sie auf Schadstoffe, Fett, Salz und den Geschmack prüfen. Von den Herstellern wollten wir wissen, woher sie ihre Eiweißquellen beziehen. Schließlich macht es wenig Sinn, aus Tierschutzgründen auf Fleisch zu verzichten, wenn Eier aus Käfighaltung oder Soja aus Regenwaldgebieten eingesetzt werden.
Nur ein Produkt schneidet "gut" ab
Das Testergebnis: Schlechte Karten für Veggies oder die, die es werden wollen: Nur ein einziges Produkt ist "gut" und knapp die Hälfte fällt mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch.
Etliche schmieren ab. Ein Grund ist die überraschend hohe Belastung mit gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen (MOSH). Nicht auszuschließen ist in diesem Fall, dass es sich dabei auch um die chemisch ähnlichen POSH-Verbindungen handelt, die sich ebenfalls lösen und übergehen können. Sie könnten aus den Kunststoffverpackungen stammen, in die viele Produkte eingeschweißt sind. MOSH können sich im Körper anreichern und haben in Tierversuchen zu Organschäden geführt.
Überwürzte Fleischersatzprodukte
Vier Bio-Produkte und fast alle konventionellen Produkte wurden mit Aromen oder konzentrierten, glutamathaltigen Zusätzen wie Hefeextrakt oder Würze auf fleischähnlich getrimmt. Glutamat kann bei empfindlichen Personen jedoch Kopfschmerzen und Hitzeempfindungen auslösen.
Andere Produkte enthalten nur geschmacksintensive Gemüsesorten, jede Menge Gewürze und Kräuter oder Zutaten mit natürlichem Glutamat, etwa Steinpilzpulver. Dass das nicht zulasten des Geschmacks gehen muss, zeigen die Ergebnisse der Sensorikprüfung.
Was ist ansonsten aufgefallen?
- In einem Produkt wurde gentechnisch verändertes Soja nachgewiesen. Angesichts der vom Anbieter angegebenen Herkunft überrascht das wenig. Nordamerika ist eine Kornkammer für Gen-Soja. Verunreinigungen der GVO-frei angebauten Soja lassen sich somit - trotz strengster Kontrollen - kaum vermeiden.
- Der Gentechniknachweis in einem Bio-Produkt ist da schon ungewöhnlicher, wobei rund zehn Prozent der vom betroffenen Anbieter verarbeiteten Soja aus Kanada stammen.
- Zwölf Produkte enthalten mehr als zwei Gramm Salz pro 100 Gramm. Das werten wir ab, denn kombiniert mit einer salzhaltigen Beilage oder mit Brot ist schnell mehr als die Hälfte des Tagesrichtwerts von sechs Gramm erreicht. Zu viel Salz erhöht jedoch das Risiko für Bluthochdruck. Experten raten daher dringend zu einer Senkung der Salzaufnahme.
- Überflüssige Vitaminzusätze und Eisen werten wir ab. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine unkontrollierte Aufnahme von Eisen mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen kann.
Sind Fleischersatzprodukte weniger fetthaltig als Fleisch?
Nicht immer. Insbesondere die Schnitzel haben gegenüber den Fleischzubereitungen kaum Vorteile, sie sind ähnlich fett. Allerdings ist durch den Einsatz pflanzlicher Öle die Fettqualität besser. Es sei denn, es wird Palm- oder Kokosfett eingesetzt, wie in zwei überprüften Produkten. Dann steigt die Menge an ungünstigen gesättigten Fettsäuren.
Veggie-Wurst ist in der Regel fettärmer als das Original. Während der Herstellung unter hohen Temperaturen können die äußerst bedenklichen Schadstoffe der Gruppe 3-MCPD- und Glycidolester entstehen. Erst im März verschärfte die oberste EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA ihre Bewertung der Stoffgruppe.
Demnach ist Glycidol eindeutig erbgutschädigend und krebserregend. Es wird im Körper offenbar vollständig aus Glycidylester freigesetzt. In Tierversuchen führte freigesetztes 3-MCPD in höheren Mengen zu Nierenschäden und Bildung gutartiger Tumore. In einem Produkt im Test wird der täglich tolerierbare Wert (TDI) an Fettschadstoffen um mehr als 50 Prozent ausgeschöpft.
Außen kross, innen weich
Geschmacklich kam das eine oder andere Produkt den Fleischvorbildern erstaunlich nahe. Spätestens beim Hineinbeißen fiel den Testern aber eine oftmals weiche bis breiige Konsistenz auf. Sensorische Mängel entdeckten die Tester aber nicht.
Positiv ist auch, dass die meisten Hersteller die Eiweißrohstoffe aus der EU, Osteuropa oder sogar aus Deutschland beziehen. Einige Hersteller waren jedoch zu keinerlei Angaben bereit. Das heißt, eine Erzeugung unter fragwürdigen Bedingungen ist nicht auszuschließen.
Hauptzutaten von Fleischersatzprodukten: Nicht immer Soja
Tofu ist eine quarkähnliche Masse aus dick gelegtem Sojadrink. Für Tofuwurst oder -aufschnitt wird die Masse geschnitten und mit Kräutern und Gewürzen gemischt. Für Würstchen wird Tofu in eine Hülle aus Zellophan gepresst, gegart und eventuell geräuchert. Abschließend wird die Pelle wieder entfernt und die Wurst verpackt. Angeboten werden Brat- und Kochwürstchen, schnittfester Brotaufschnitt und Scheiben zum Braten.
Seitan entsteht durch Mischen von Weizenmehl mit Wasser. Durch Kneten wird die Stärke herausgelöst, übrig bleibt eine glutenreiche Masse. Zur Herstellung von fleischähnlichen Produkten wird diese gewürzt, in Formen gefüllt und in Brühe oder Sojasauce gegart. Konsistenz und Geschmack erinnern nach dem Würzen an Fleisch - wahlweise gibt es aber auch Seitan mit Fischgeschmack durch Seetang. Fertige Produkte sind Seitanwürstchen, -hack und -schnitzel, im Regal stehen aber auch Seitanpulver und -granulat. Diese müssen mit Wasser angerührt und noch gewürzt werden. Seitan darf nicht bei Glutenunverträglichkeit gegessen werden.
Quorn nennt sich ein Mykoprotein, das aus Pilzkulturen gewonnen wird. Es ist ballaststoffreich und fettarm. Das Pilzeiweiß wird fermentiert, mit Hühnereiweiß und pflanzlichen Geschmacksstoffen angereichert und durch Kochen zu einer festen schnittfesten Masse verarbeitet. Das sorgt für eine faserige, fleischähnliche Textur. Bedingt durch die aufwendige Produktion sind Quornprodukte besonders stark verarbeitet.
Die Lupine ist wie die Sojabohne eine eiweißreiche Hülsenfrucht. Ihr Anbau gilt als besonders nachhaltig und kann problemlos in Deutschland erfolgen. Für die Herstellung von Lebensmitteln werden Süßlupinensamen verwendet, die nur sehr wenig Bitterstoffe enthalten, aber reich an hochwertigem Eiweiß und Ballaststoffen sind. Aus Lupinen werden Schnitzel, Burger, Geschnetzeltes und Tempeh gefertigt. Lupinentempeh ist wenig verarbeitet und besteht nur aus gekochten und fermentierten Samen.
Valess ist eine vegetarische Kreation des Molkereiunternehmens Friesland Campina. Sie besteht aus Kuhmilch, die mit Pflanzenfasern versetzt und dann gewürzt wird. Es entsteht ein Teig, der als Schnitzel oder Steak geformt und auch paniert werden kann. Valess-Produkte sind nicht vegan.
Erbseneiweiß wird bislang vor allem als ergänzende Eiweißquelle eingesetzt. Die Herkunft ist meist Europa. Die Erbse verfügt über einen hohen Protein- und Eisengehalt bei gleichzeitig geringem Fett- und Kohlenhydratanteil.
Fleischersatz mit Zusatzstoffen
Sollen pflanzliche oder andere Nicht-Fleisch-Eiweiße ihren Vorbildern nahekommen, ist meist ein ganzes Arsenal an Zusatzstoffen vonnöten. Allen voran Verdickungsmittel wie Guarkernmehl, Xanthan, Johannisbrotkernmehl, Carrageen, Pektin, Alginate oder modifizierte Stärke, die dazu beitragen, Wasser und Pflanzeneiweiß in eine schnittfeste Masse zu verwandeln.
Füllstoffe wie Methylcellulose - einem Umsetzungsprodukt der Cellulose - regulieren Volumen und dienen der Stabilisierung. Auch an der Farbe wird geschraubt: So verhilft Zuckerkulör zu Brauntönen, während Carotin und Anthocyane das Blassrosa einer Mortadella nachbauen. Nicht ohne geht es bei Tofu. Dieser benötigt zur Dicklegung die Festigungsmittel Magnesiumchlorid (Nigari) oder Calciumsulfat (Gips). Weniger Zusatzstoffe stecken in Bio-Produkten.
Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin 6/2016 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Spezial Vegetarisch/Vegan für 2016 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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