Albrecht Fiebiger sitzt auf einer Mauer am Rande des Leipziger Elsterbeckens und liest aus seinem Tagebuch. Besser gesagt aus seinem Smartphone, auf dem er die Notizen bei sich trägt: Ein Eintrag vom 26. Dezember 2014, geschrieben im Zug, auf dem Heimweg zurück vom Weihnachtsfest mit der Familie - seinem ersten Weihnachtsfest als Veganer. Damals fühlte er sich unwohl, geradezu stigmatisiert. Eine tiefgründige Auseinandersetzung mit dem Thema, so hat es sich für ihn angefühlt, gab es nicht. "Ich fühle mich schnell unter Druck, mich für mein Veganerdasein rechtfertigen zu müssen", sagt der 25-jährige Wirtschaftsinformatikstudent. Weil er sie nur zu gut kennt, die Gefühle, die Neuveganer manchmal umtreiben, hat er sich in die "Vegan Buddy"-Datenbank der Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch (ARIWA) eingetragen.
Auf der Seite www.vegan-buddy.de sind nach Vereinsangaben rund 700 "vegane Freunde" (wörtlich: Kumpel) registriert. Sie bieten "unkompliziert, ehrenamtlich und kostenlos ihre Hilfe an", heißt es in der Projektbeschreibung. Nutzer können über ihre Postleitzahl "Buddys" in ihrer Nähe finden. Schon bei den ersten Ziffern kommen Vorschläge: Name, Alter, E-Mail-Adresse, meist ein Porträtbild und ein kurzer Vorstellungstext.
"Ich würde gerne mit dir meine Erfahrungen teilen, weil ich mich selbst oft in meiner Anfangszeit alleine gefühlt habe. Dabei bin ich für alles Mögliche zu haben - einfacher E-Mail-Austausch oder miteinander treffen und quatschen, kochen, einkaufen, ich bin bei allem dabei!" So stellt Albrecht Fiebiger sich auf der Plattform vor. Die Anfangszeit, das waren die Monate um das Weihnachtsfest 2014: Zunächst ernährte er sich vegetarisch, schon wenige Wochen später - nachdem er Dokumentationen über geschredderte Küken und die Milchwirtschaft gesehen hatte - vegan. Bald lernte er andere Veganer kennen, fand Freunde in der Szene. Das habe ihm sehr geholfen, sagt er heute. Er ist ein ruhiger Typ, denkt lange nach, bevor er spricht.
Seine Wahlheimat ist Leipzig - eine Stadt, "bekannt für ihre beispiellose vegane Infrastruktur": So steht es auf der Webseite www.leipzig-vegan.de. In Plagwitz, einem Trendviertel im Westen der Stadt, gibt es selbst am Straßengrill ums Eck vegane Würstchen. Keine schlechten Bedingungen für Neuveganer, zwölf weitere Leipziger "Buddys" bieten neben Albrecht Fiebiger über ARIWA ihre Unterstützung an. Der hat sich als Treffpunkt allerdings keine der hippen veganen Anlaufstellen ausgesucht, sondern eine Brücke über dem Elsterbecken. Steinmauer statt Designhocker, das Rauschen des Feierabendverkehrs statt klappernden Geschirrs. Es gibt Bananen, Weintrauben und Nektarinen. "Ich koche viel, aber eigentlich recht normale Sachen", sagt der junge Mann. Als "Buddy", das wird schnell deutlich, geht es ihm mehr um gesellschaftliche Fragen als um Tipps für die Küche. "Am Anfang war ich sehr streng mit mir, ich habe mich selbst unter Druck gesetzt", erzählt er. ...