Mais im Test: Labor findet Bisphenol A in jedem Dosenmais

Magazin August 2024: Rapsöl | Autor: Jil Eichhorn/Heike Baier/Ann-Cathrin Witte | Kategorie: Essen und Trinken | 26.08.2024

Mais im Test: Wir haben 26 Maiskonserven getestet-
Foto: Mikhailov Studio/Shutterstock

Mais aus dem Glas oder aus der Dose ist praktisch und passt zu zahlreichen Speisen. Doch das von uns beauftragte Labor ist in allen Dosen-Maiskonserven in unserem Test auf die umstrittene Massenchemikalie Bisphenol A gestoßen.

  • Wir haben 26 Maiskonserven geprüft, darunter 15 Bio-Produkte. 
  • In jedem Dosenmais im Test steckt die Massenchemikalie Bisphenol A (BPA).
  • Die gute Nachricht: Andere unerfreuliche Inhaltsstoffe wie Pestizide, Schimmelpilzgifte, Schwermetalle oder Gentechnik haben wir in diesem Test nicht entdeckt.
  • Kritisch sehen wir jedoch eine problematische Aussage auf manchen Maiskonserven. 

Aktualisiert am 26.8.2024 | Eine Dose Mais findet sich immer in einer Ecke des Vorratsschranks, wenn schnell noch ein wenig Gemüse ins Chili oder auf die Pizza soll. Konserven sind einfach praktisch für die schnelle Küche, und wir alle haben uns nur zu gern an sie gewöhnt.

Doch rund 200 Jahre nach ihrer Erfindung geht es gewaltig bergab mit dem Ansehen der Konservendose. Denn: Aus den Lackierungen der Metalldosen kann sich die Massenchemikalie Bisphenol A (BPA) lösen – und das in größeren Mengen, als es laut neuester Erkenntnisse gut für unsere Gesundheit ist.

In allen 21 Maiskonserven aus der Dose hat das von uns beauftragte Labor Mengen von Bisphenol A gemessen, die wir als "stark erhöht" bewerten. In fünf Maisprodukten im Glas dagegen: nichts.

Mais-Test: Was ist Bisphenol A?

Bisphenol A – das ist eine Massenchemikalie, von der man seit Langem weiß, dass sie eine hormonelle Wirkung hat und die in der EU offiziell als wahrscheinlich reproduktionstoxisch eingestuft ist. Diskutiert werden auch mögliche andere Gefahren wie ein Zusammenhang mit Übergewicht oder Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern.

Mit einem neuen Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) rückte im vergangenen Jahr jedoch ein Risiko von Bisphenol A in den Vordergrund, das bisher keiner so recht auf dem Schirm hatte: Die Verbindung könnte bereits in winzigen Mengen Auswirkungen auf unser Immunsystem haben, befand die EFSA nach Sichtung der aktuellen Studienlage. Als Konsequenz aus dieser Erkenntnis senkte die EFSA die Tagesdosis an Bisphenol A, die sie noch für gesundheitlich vertretbar hält – den sogenannten TDI – drastisch ab.

Dosenmais überschreitet häufig die tolerable Tagesdosis

Auch wenn das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) diesen TDI für zu streng hält und nicht unterstützt: Wir orientieren uns aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes am TDI der EFSA. Und diese tolerable Tagesdosis schöpft eine 60 Kilo schwere Person mit allen 21 Dosen-Maiskonserven im Test um ein Vielfaches aus, wenn sie davon nur 50 Gramm pro Tag isst. Mit dem am höchsten belasteten Produkt sogar um mehr als das 400-Fache. Zum Vergleich: Die am wenigsten belasteten Produkte im Test überschreiten den TDI immer noch um rund das Zehnfache.

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Wie kommt Bisphenol A in den Mais? 

Doch wie kann das sein? Und warum steckt überhaupt noch immer so viel Bisphenol A in Dosengemüse? Schließlich ist doch schon lange bekannt, dass der Stoff aus den Epoxidharzen von Dosen-Innenlackierungen in Lebensmittel übergehen kann, und die Industrie hat in den letzten Jahren Dosen entwickelt, die innen ohne Verwendung von BPA beschichtet sind.

Solche so genannten "BPA-non-intent"-Dosen setzen auch alle Anbieter in unserem Test ein, wie sie uns auf Nachfrage mitteilen. Eine plausible Erklärung dafür, warum das Füllgut ihrer Konserven trotzdem nicht frei von BPA ist, liefern einige gleich mit: In den Außenlackierungen vieler Dosen komme nämlich noch immer Epoxidharz zum Einsatz.

Und ein Hersteller schreibt uns, dass bei der Dosenherstellung "kleine Mengen von BPA aus den äußeren Beschichtungen durch Kreuzkontamination auf die inneren BPA-ni-Beschichtungen übertragen werden können". Das lasse sich derzeit selbst bei Einhaltung der besten Herstellungspraxis nicht vermeiden. Zudem ist BPA in der Umwelt vorhanden, was einen geringen Eintrag erklären könnte.

Mais-Test: Auch die Haltbarmachung ist ein Faktor

Eine weitere Kontaminationsmöglichkeit ist die Haltbarmachung der Maiskonserven mittels Sterilisierung. Sterilisierung bedeutet: Die gewaschenen und blanchierten Maiskörner landen samt Wasser und Salz in der Dose, und diese wird – luftdicht verschlossen – auf bis zu 121 Grad erhitzt. Danach ist der Mais jahrelang haltbar.

Allerdings wandern während der Sterilisierung eben auch unerwünschte Chemikalien aus dem Dosenlack ins Füllgut. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) stellte 2018 in einer Studie fest: Während der ersten 20 Minuten migriert ein Großteil des im Dosenlack vorhandenen Bisphenol A ins Lebensmittel – je höher die Temperatur, desto mehr. Bei welchen Temperaturen und wie lange die Dose Mais später im Vorratsschrank liegt, beeinflusst den BPA-Übergang laut LGL-Studie dagegen kaum noch. 

Im geprüften Dosenmais aus China steckt besonders viel BPA

Interessant: Eine Maiskonserve stammt laut Anbieter nicht aus Europa, sondern aus China – als einziges Produkt im Test. Dieses Produkt enthält im Vergleich zum Rest ein Zigfaches der Chemikalie. Der Hersteller legte uns für den Mais eine Bestätigung des chinesischen Produzenten vor, ebenfalls BPA-ni-Dosen einzusetzen und kündigt an: "Bei den Lieferanten, die BPA aktuell in der Außenlackierung verwenden, werden wir diese per sofort nicht mehr akzeptieren."

Wird Bisphenol A demnächst verboten? 

Wenn es gut läuft, könnte Dosenware ohnehin bald weniger belastet sein: Die EU-Kommission treibt derzeit ein Verbot von BPA für die Verwendung in Lebensmittelkontaktmaterialien voran. Ein Entwurf für eine entsprechende Verordnung liegt den Mitgliedsstaaten zur Beratung vor.

Die Industriechemikalie Bisphenol A ist nicht nur in Maiskonserven zu finden.
Die Industriechemikalie Bisphenol A ist nicht nur in Maiskonserven zu finden. (Foto: Mikhailov Studio/Shutterstock)

Keine Pestizide in konventionellem Mais im Test

Zum Schluss aber noch die gute Nachricht: Abgesehen von BPA haben wir nichts an den Maiskonserven zu meckern: keine Schimmelpilzgifte, keine Schwermetalle, keine Gentechnik und nicht eine einzige Pestizidspur.

Letzteres wunderte uns bei konventionellem Mais besonders, und wir fragten bei Untersuchungsämtern nach, ob sie Ähnliches beobachten. Das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) hat zwar keine Maiskonserven untersucht, dafür wiederholt frischen Zuckermais. Und dabei ebenfalls keinerlei Pestizide gefunden.

Missverständliche Auslobung in der Kritik

Kleiner Kritikpunkt: Einig Hersteller werben mit "ohne Konservierungsstoffe lt. Gesetz". Das ist zwar zulässig, jedoch hat eine Umfrage unter den Nutzern des Portals Lebensmittelklarheit gezeigt, dass viele Verbraucher den Hinweis "ohne Konservierungsstoffe laut Gesetz" missverstehen. Daher stellt er aus Sicht der Verbraucherzentralen eine problematische Werbeaussage dar. Dem schließen wir uns an und werten drei Produkte im Test für diese Aussage ab.

Dieser Test ist online erstmals am 10.7.2024 erschienen. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das ÖKO-TEST Magazin 8/24 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

In unserem Einkaufskorb landeten 26 Maiskonserven. 15 Produkte stammen aus Bio-Anbau. Vorzugsweise kauften wir Konserven in der Dose; hatte ein Anbieter kein Dosenprodukt am Markt, wichen wir auf Mais im Glas aus. Bezahlt haben wir für 250 Gramm Mais (Abtropfgewicht) zwischen 87 Cent und 2,22 Euro.

In unserem Auftrag untersuchten spezialisierte Labore alle Produkte auf Pestizidrück[1]stände, auf Schwermetalle wie Cadmium und Blei, die Verwendung von gentechnisch verändertem Mais, auf Schimmelpilzgifte wie Zearalenon und Aflatoxine, die sowohl beim Anbau als auch bei der Lagerung von Mais entstehen können, und schließlich auch auf das als fortpflanzungsgefährdend eingestufte Bisphenol A. Es kann aus den Beschichtungen der Dosen oder auch aus den Deckeln von Gläsern in das Füllgut übergehen. Dank neuester Analysemethoden gelingt der Nachweis von BPA auch im Nanogrammbereich. Alle Deckel und Dosen ließen wir außerdem auf umweltschädliche PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen untersuchen. Schließlich sichteten wir die Deklarationen der Produkte und bemängelten, wenn die Anbieter sich im Wettbewerb hervortun, indem sie beispielsweise mit Produkteigenschaften werben, die ohnehin gesetzlich vorgeschrieben sind (Werbung mit Selbstverständlichkeiten). Alle Anbieter baten wir um Auskunft, in welchen Ländern ihr Mais angebaut wurde.

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das, "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode. Die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) ist ein Schätzwert, wie viel von einem Stoff lebenslang pro Tag ohne gesundheitliche Folgen aufgenommen werden kann. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: ein gemessener Bisphenol-A-Gehalt, der den TDI der EFSA von 0,2 ng/kg Körpergewicht überschreitet (in Tabelle: "BPA stark erhöht"). Zugrunde gelegt haben wir ein Körpergewicht von 60 Kilogramm und eine tägliche Portion von 50 Gramm.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) Werbung mit Selbstverständlichkeiten mit Hinweis auf gesetzliche Regelungen, wobei gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften oder selbstverständliche Umstände als etwas Besonderes hervorgehoben werden, obwohl vergleichbare Produkte diese ebenso aufweisen (hier: "ohne Konservierungsstoffe lt. Gesetz").

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

Testmethoden

Elemente: DIN EN 15763: 2010-04 (nach Aufschluss mittels DIN EN 13805: 2014-12) (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Pestizid-Screening: LC-MS/MS nach § 64 LFGB L00.00-113 : 2015-03, mod. (Modifikation: Einwaage, Miniaturisierung Reinigung, auch Anwendung für Futtermittel) und GC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Chlormequat/Mepiquat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Glyphosat/Aminomethylphosphonsäure (AMPA)/Glufosinat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Aflatoxine: HPLC-FLD (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Mykotoxine: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Ochratoxin A: LC-FLD (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Gentechnisch veränderte Bestandteile: PCR nach DNA-Extraktion.
Bisphenol A: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: März 2024

Dieser Test ist online erstmals am 10.7.2024 erschienen. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das ÖKO-TEST Magazin 8/24 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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