Die Weihnachtsvorbereitungen laufen schon lange bevor die ersten Lebkuchen in die Lebensmittelläden kommen. Seit den Sommermonaten wird in der Spielzeugindustrie auf Hochtouren produziert. Doch wie wird Spielzeug eigentlich hergestellt? Wo bekommen Teddys ihre Augen angenäht, Puppen ihre Schleifen ins Haar gebunden, wer malt dem Dinosaurier die Zunge rot?
Antworten auf diese Fragen findet man sowohl im nahen Erzgebirge als auch im fernen Asien. In China werden rund 80 Prozent aller weltweit hergestellten Spielwaren produziert. Doch auch in Deutschland entstehen nach wie vor Plüschtiere, Handspielpuppen oder Holzspielzeug. Schon aus diesem Grund fällt die Antwort auf die Frage nach den Produktionsbedingungen von Spielzeug ganz unterschiedlich aus.
Unser Spielzeugtest in dieser Ausgabe wird sich zum ersten Mal nicht nur damit beschäftigen, ob die getesteten Produkte schadstofffrei sind und keinerlei Sicherheitsmängel aufweisen. Wir haben den im Test vertretenen Herstellern außerdem einen umfangreichen Fragebogen zugeschickt, in dem sie Angaben zu ihren Produktionsprozessen machen sollten.
Das Interesse der Verbraucher daran, ob Produkte nachhaltig und verantwortlich produziert werden, wächst. Im Widerspruch dazu steigt die Bereitschaft, solche Produkte auch zu kaufen, nicht in gleichem Maße. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, lohnt es sich, den Herstellern auf die Finger zu schauen und nachzufragen, wie sie produzieren. Denn Informationen, Wissen und Transparenz können die Stellschrauben sein, die die Situation in den Herstellungsbetrieben verbessern. Und gleichzeitig das Verhalten von Verbrauchern - und mit ihrer Nachfrage ein entsprechendes Angebot - beeinflussen.
Über die Arbeit in chinesischen Spielzeugfabriken ist viel berichtet worden, selten Gutes. Dabei hat der Weltspielwarenverband ICTI eine Selbstverpflichtung ausgerufen, die unter dem Namen ICTI CARE-Prozess für eine verantwortungsvolle Produktion in China sorgen soll. Bereits vor sieben Jahren, 2003, wurden die ersten Spielwarenfabriken in China überprüft.
Trotz dieser Arbeit und der vergleichbaren Initiative des BSCI (Business Social Compliance Initiative), der branchenübergreifend arbeitet, bleibt aber an in China produzierten Spielwaren ein ungutes Gefühl kleben. Zwar haben nach Auskunft der ICTI CARE Foundation von circa 3.500 chinesischen Spielwarenfabriken bereits gut 1.200 ein gültiges Zertifikat.
Das Bild von menschenunwürdigen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in solchen Fabriken bleibt jedoch vorherrschend. Es zeigt Wanderarbeiter, die aus den Provinzen in die Städte ziehen, um dort für wenig Geld hart zu arbeiten. Werden Wanderarbeiter knapp, müssen andere die Lücken füllen. So berichtet der Spielzeughersteller Simba Toys (Simba Dolly und My sweet Pony) in der Ausgabe Nr. 2 seines firmeneigenen Magazins YOYO über die Kinderarbeit in China: "12- bis 16-Jährige, die in Klassenverbänden mit Lehrern anreisen. Bevorzugt werden Mädchen, weil sie als gehorsamer gelten. Sie arbeiten während der Weihnachtsproduktion im Sommer an den Fließbändern, vermietet von ihren Schulen, die die Hälfte des Lohns als ,Schulgebühr' einbehalten."
Um dem Verdacht oder Vorwurf der Kinderarbeit zu entgehen, setzt die Simba Dickie Firmengruppe in China auf Joint-Venture-Betriebe. "Ich versichere Ihnen, dass in unseren eigenen Betrieben noch nie ein Kind illegal beschäftigt wurde", so Simba-Firmengründer Michael Sieber in der gleichen Ausgabe. Dafür würden eigens geschulte Mitarbeiter die Papiere bei Neueinstellungen kontrollieren. Denn mit gefälschten Ausweisen oder dem Dokument der älteren Schwester gelangen in China auch Kinder als Arbeiter in die Fabriken, die nach dem Gesetz dort nicht sein dürften.
Doch Kinderarbeit gibt es nicht nur, weil Kinder sich in Fabriken einschmuggeln, um mit dem kargen Lohn, den sie dort verdienen, ihre Familien zu unterstützen. Kinderarbeit existiert auch, weil Fabriken gerne ein Auge zudrücken, wenn das Personal zu knapp ist, um dem Produktions- und Terminstress gerecht zu werden. Die wenigsten wollen schließlich ihren Auftraggeber verprellen.
Unzweifelhaft ist die Kinderarbeit in der Spielzeugindustrie ein Thema, bei dem Firmen keine Scheu haben, sich eindeutig zu positionieren: Anders als beispielsweise die Frage, ob nun ein Mindestlohn oder ein existenzsichernder Lohn zu zahlen ist, gilt das Verbot der Kinderarbeit als unstrittig. Was nicht heißt, dass tatsächlich nirgendwo Kinderarbeit im "Spiel" ist.
Wie lässt sie sich also verhindern? Reicht die Kontrolle von Ausweispapieren aus, um sicher behaupten zu können, dass in Deutschland verkauftes Spielzeug ohne Kinderarbeit hergestellt wurde? Reicht die Teilnahme am ICTI CARE-Prozess aus, um sichergehen zu können, dass die im Rahmen der Zertifizierung stattfindende Kontrolle Kinderarbeit verhindert? Und selbst wenn die Kontrolle in diesen Firmen engmaschig, die Zusammenarbeit langjährig und das Vertrauen hoch ist: Wie sieht es mit den Firmen aus, die an den chinesischen Herstellungsbetrieb zuliefern? Wir haben nach Antworten gesucht.
Auf die Frage "Sehen Sie es als die Aufgabe Ihres Unternehmens, für die gesamte Wertschöpfungskette die Verantwortung für das Thema Kinderarbeit zu übernehmen?", antwortete uns der Karstadt-Konzern (Pilou Strampelbaby): "Auch wenn man geneigt ist, diese Frage mit "ja" zu beantworten, kann dies kein Handelsunternehmen leisten. Bei ca. 5.000 Lieferanten, diese wiederum verbunden mit zigtausend Vorlieferanten, kann niemand mit gutem Gewissen die Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette aller Artikel übernehmen."
Sicher sind die Größe des Konzerns und das damit verbundene Auftragsvolumen Faktoren, die die lückenlose Kontrolle schwierig bis unmöglich machen. Dennoch: Wird irgendwo ein Missstand aufgedeckt, fällt das nicht auf die fernöstlichen Lieferanten zurück, sondern auf die Anbieter wie Karstadt, Mattel oder Hasbro.
Doch wie groß, wie klein muss eine Firma sein, um garantieren zu können, dass das von ihr in Auftrag gegebene Produkt nach ihren Vorgaben - und nur so - produziert worden ist? Und wenn schon bei einem solch unstrittigen Thema Zweifel berechtigt sind, ob die Einhaltung des Verbots der Kinderarbeit gewährleistet werden kann, wie kann dann eine nachhaltige, verantwortungsvolle und ethische Produktion überhaupt geprüft und bewertet werden?
In Grenzen, lautet unsere Antwort. 100-prozentige Kontrolle ist nicht zu leisten. Nicht von uns, aber auch nicht von Auditoren vor Ort. Sie können bestenfalls ihren Eindruck und die Datenerhebungen zum Zeitpunkt der jeweiligen Kontrolle zugrunde legen - vorausgesetzt, dass Auskünfte, Dokumente und Örtlichkeiten tatsächlich die alltägliche Realität wiedergeben. Die Zahl an Firmen, die trotz vorheriger einwandfreier ICTI-Zertifizierung im Augenblick ein Zertifikat "On Probation" haben, also sich bewähren müssen, unterstreicht dies. Was auf keinen Fall den bestehenden Bemühungen die Berechtigung absprechen soll. Im Gegenteil: Jedes bisschen Öffentlichkeit und Transparenz kann die Situation von Arbeiterinnen und Arbeitern in den Fabriken verbessern. Wir halten Initiativen wie die von ICTI oder den BSCI-Standard daher grundsätzlich für wichtig.
Initiative ergreifen Firmen auch unabhängig von Verbandsarbeit, zum Beispiel Gollnest & Kiesel (Toys Pure Handpuppe Kasper). Das Unternehmen vertreibt unter anderem Spielzeug der Marke 'cause, von dem nach eigenen Angaben rund 50 Prozent des Gewinns in Schulen in Entwicklungsländern fließt. "Dieses Engagement ist Ergebnis unserer Überzeugung, dass jeder die Verpflichtung in sich trägt, gegen Ungerechtigkeiten und Ausbeutung aktiv zu werden. Es ist ein Beitrag im Rahmen unserer Möglichkeiten gegen Kinderarbeit vorzugehen und Kinderarbeitern die Chance zu eröffnen, aus dem Kreislauf von Kinderarbeit und darauf folgendem Leben in Armut und Fremdbestimmung auszubrechen", erläutert die Firma ihre CSR-Aktivitäten.
Mitglied im ICTI oder im BSCI ist Gollnest & Kiesel nicht. Das Unternehmen sieht vielmehr die bestehende Praxis kritisch, über Verbände oder Institutionen die eigene Herstellung zu kontrollieren: "Letztlich erscheint die Zertifizierungspraxis als ein öffentlicher Reinwaschungsprozess des eigenen Gewissens, vergleichbar mit dem mittelalterlichen Ablasshandel. Die Verantwortung wird an ferne Instanzen delegiert und nachdem der vereinbarte Betrag überwiesen ist, wird gehandelt wie zuvor", schreibt uns Firmensprecher Helmut Roloff. Gollnest & Kiesel gibt stattdessen an, selbst die Herstellerbetriebe in China mehrfach im Jahr unangekündigt zu besuchen, unter anderem sei Kinderarbeit hier uneingeschränkt verboten. Zudem stelle man seit rund zwei Jahren im eigenen chinesischen Betrieb her, der unter ständiger deutscher Leitung stehe.
Das hört sich erst einmal wie ein engagierter Versuch an, in der globalisierten Welt einen Teil der Verantwortung für sein unternehmerisches Handeln zu übernehmen. Doch für die Überprüfung der chinesischen Firmen bekamen wir von Gollnest & Kiesel keine Belege. Und die Schulen werden nicht in China gebaut, von wo Gollnest & Kiesel rund 65 Prozent seiner Waren bezieht, sondern in Vietnam, Peru, Kolumbien, Mali und auf den Philippinen. Experten sehen ein solches Engagement fern vom Kerngeschäft auch kritisch und nur dann als sinnvoll an, wenn in der eigenen Produktion bereits alles rund läuft.
Wir selbst sind nicht vor Ort gefahren, um die Anzahl der Besuche von Gollnest & Kiesel in China, die Einhaltung des strikten Kinderarbeitsverbots und den Ablauf des Unterrichts in den gegründeten Schulen zu prüfen. Genauso wenig, wie wir dabei waren, als die Audits im Rahmen des ICTI CARE-Prozesses durchgeführt wurden. Stattdessen haben wir versucht, uns ein Bild davon zu machen, welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit bei den 26 Spielwarenanbietern im Test einnimmt. Hauptindikatoren waren für uns das Wissen um Produktionsabläufe und die Transparenz, mit der die Firmen uns dieses dargelegt haben. Denn ohne konkretes Wissen kann kein Einfluss auf Abläufe genommen werden, und ohne Transparenz hat niemand die Möglichkeit, zu kontrollieren.
Also haben wir den Firmen eine Reihe von allgemeinen Fragen gestellt, die einen ersten Eindruck über ihre Aktivitäten auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit geben. Spezieller wurde es im Verlauf der Befragung. Hier haben wir uns auf das Thema Kinderarbeit konzentriert. Die ist in chinesischen Spielwarenfabriken zwar nicht das Hauptproblem. Doch uns ging es nicht darum, Missstände in China aufzudecken, sondern den Spielwarenfirmen in Deutschland auf die Finger zu schauen. Gerade ein solch inhaltlich unstrittiges Thema gibt Gelegenheit zu einer differenzierten Betrachtung: Wie schätzen die Firmen ihren realen Einfluss ein? Reicht ein im Verhaltenskodex formuliertes Verbot aus, um sicherzugehen, dass das von uns getestete Spielzeug zu keiner Zeit, in keinem Produktionsschritt mit Kinderarbeit hergestellt wurde? Um eine Beantwortung dieser Fragen überhaupt in Betracht ziehen zu können, müssen die Spielzeugfirmen über das getestete Produkt einiges wissen. Zum Beispiel, wie viele Betriebe überhaupt an der Produktion beteiligt sind, in denen somit Kinderarbeit vermieden werden soll.
In China ist zwar Kinderarbeit offiziell verboten - das Land hat die Konventionen 138 und 182 der -> Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur -> Kinderarbeit ratifiziert und auch eigene Gesetze gegen Kinderarbeit eingeführt. Ein Thema bleibt sie aber dennoch, solange Armut eines der zentralen Probleme ist. Somit taucht das Verbot der Kinderarbeit - wenn auch gesetzlich bereits geregelt - stets in -> Verhaltenskodizes der Firmen auf.
Und schließlich wären wir nicht ÖKO-TEST, wenn uns nicht auch interessiert hätte, wie viel die Firmen über das eingesetzte Spielzeugmaterial wissen. Denn neben der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen gehört zur Nachhaltigkeit auch der bewusste Umgang mit Ressourcen. Wie viele verschiedene Materialien sind in einem Produkt verarbeitet, sind Recyclingmaterialien verwendet worden oder kann das Spielzeug selbst am Ende recycelt werden? Die Antworten auf solche und weitere Fragen sollten Basiswissen von Firmen sein, die für sich eine nachhaltige Unternehmensführung in Anspruch nehmen.
Unsere Umfrage hatte damit nicht zum Ziel, darzustellen, ob und wie nachhaltig, fair, verantwortlich und ökologisch ein Spielzeug hergestellt wurde. Das Ergebnis zeigt aber, ob und wie sich Firmen mit dem Thema Nachhaltigkeit und ihrer Verantwortung dafür beschäftigen. Unabhängig davon, ob das Spielzeug in Deutschland oder in China hergestellt wurde.
Noch eine Anmerkung: Papier ist geduldig. Natürlich haben wir uns gefragt, ob uns Spielwarenhersteller bei der Beantwortung der Fragen einen Bären aufbinden. Ausschließen können wir das im Detail nicht. Selbstverständlich kann sich ein großes Unternehmen ganz anders präsentieren, als eine kleine Firma. Doch Ungereimtheiten werden schnell deutlich, etwa wenn Happy People (World of Animals Stretch-Schlange) nicht angibt (oder nicht angeben kann), wie viele Lieferanten an der Herstellung des getesteten Produkts beteiligt sind und anschließend behauptet, dass diese Lieferanten aber "explizit auf Kinderarbeit überprüft werden". Solch seltsamen Zusammenhängen waren wir natürlich auf der Spur. Aufgefallen ist auch, wenn angeforderte Nachweise, um Behauptungen zu belegen, nicht zugeschickt wurden.
Um die Beantwortung des Fragebogens zur Chefsache zu machen und dem Argument entgegenzutreten, der Fragebogen sei von Mitarbeitern nicht richtig ausgefüllt worden, haben wir die Geschäftsführer der Firmen gebeten, ihn abschließend zu unterschreiben. Und natürlich machen wir uns noch einen anderen Mechanismus zunutze: Die Konkurrenz und auch die NGOs wie die Aktion fair spielt schlafen nicht. Die Antworten auf unsere Fragen sind eine Selbstverpflichtung und ein Versprechen. Firmen, die Falschangaben machen, gehen das Risiko ein, wenn nicht von uns, möglicherweise von konkurrierenden Firmen entlarvt zu werden.
Die Ergebnisse
Wir sind durchaus geneigt, einzelnen Firmen größere Bemühungen in Bezug auf Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit zu attestieren. Eine Bewertung im eigentlichen Sinne scheitert jedoch allein schon an der Möglichkeit, die Angaben zu überprüfen. Positiv überrascht hat uns, dass so viele Firmen unseren Fragebogen beantwortet zurück geschickt haben.
Die Qualität der Antworten hat uns ebenfalls erstaunt, das allerdings nicht immer positiv: Obwohl wir die Unternehmen darum gebeten hatten, uns Nachweise für ihre Behauptungen beizufügen, blieben uns viele diese Belege schuldig. Wenn aber diese Firmen (Bullyland, Gollnest & Kiesel, Happy People, Schleich, Sigikid, Steiff und Tedi) gleichzeitig angeben, dass CSR für sie eine "hohe" oder gar "sehr hohe" Bedeutung hat und CSR "fester Bestandteil der Unternehmensstrategie ist", dann fragt man sich schon, wie das zusammenpasst.
Gar nicht happy haben uns auch die Antworten der Firma Happy People gemacht. Von unseren 41 Fragen blieben 22 unbeantwortet, gleichwohl findet die Firma, ihre CSR-Leistungen seien "besser" als die der Wettbewerber. Da scheint es auch nicht zu stören, wenn gar keine Angaben zum Lieferanten des Produkts gemacht werden, wohl aber behauptet wird, man wisse, wer die Zulieferer dieses Lieferanten sind.
Enttäuschend auch die Reaktion von Sterntaler. Wie wir sicherlich wüssten, seien ihre Produktionsstätten ICTI zertifiziert, damit seien alle wichtigen Fragen beantwortet, meint das Unternehmen kurz angebunden. Der Verbraucher erfährt auf der Internetseite von Sterntaler auch nicht mehr.
Sehr umfangreich und ausführlich waren hingegen die Rücksendungen von Karstadt, KiK und Simba Toys. Die beiden Letztgenannten schickten allerdings auch viel PR-Material mit, was schnell den Anschein bekommt, zum Kern der Sache nicht viel beitragen zu können. Dass KiK um ein gutes Image bemüht ist, ist nachvollziehbar. Ob nun aber gerade das "Informationsblatt zur Mülltrennung für die Filialen" nachhaltig davon überzeugen kann, dass der Textildiscounter neue Wege geht, darf bezweifelt werden.
War nun bei einem der Spielzeuge im Test Kinderarbeit im "Spiel"? Auszuschließen ist es mit einiger Sicherheit nur für die in Deutschland bzw. der EU hergestellten Produkte.
Auf der Ebene der Sublieferanten, die Komponenten wie Stoffe, Farben oder Zubehör herstellen, können auch die ausschließlich in Deutschland herstellenden Firmen nicht garantieren, dass keine Kinder an der Produktion beteiligt waren.
Ob ausführlich, lückenhaft oder gar unlogisch - egal wie die Firmen den Fragebogen beantworteten, einen mehr oder minder großen Nachholbedarf in puncto Nachhaltigkeit haben noch alle. So kann kein Unternehmen in Sachen Transparenz voll überzeugen. Auch das Wissen um die Produktion und die ökologischen Folgen hält sich in engen Grenzen.
Die 26 Spielzeugfirmen
Insgesamt 26 Firmen hat ÖKO-TEST für die aktuelle Spielzeuguntersuchung mit einem Fragebogen angeschrieben und um Auskünfte zu Unternehmensverantwortung, Kinderarbeit und Nachhaltigkeit gebeten. Drei wichtige Unternehmen fehlen in der Liste: Die Produkte von Lego, Playmobil und Ravensburger passten nicht zu den anderen Spielzeugen im Test.
Der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie hatte seinen Mitgliedern empfohlen, unseren Fragebogen zu beantworten. Trotzdem haben sieben Firmen, fünf davon Mitglieder des Verbandes, keine (einigermaßen vollständige) Antwort geschickt. Darunter die beiden Branchengrößen Hasbro und Mattel. Hasbro schrieb uns unter anderem, dass die Firma seit Jahren "alles dafür tut, um sicherzustellen, dass unsere Produkte mit sicheren, fairen und humanen Arbeitsbedingungen hergestellt werden". Der nach eigenen Angaben weltgrößte Spielzeughersteller Mattel ließ uns wissen, der Fragebogen würde "nicht reflektieren, wie umfangreich das bestehende Programm in unserem Hause ist”. Das Thema ist "in jedem Bereich des Unternehmens präsent und wichtig und genießt höchste Priorität", schreibt die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit, Dr. Stephanie Wegener. Die Antworten auf unsere Fragen sollten wir uns aus den beigefügten Unterlagen und auf der Internetseite zusammensuchen.
Ebenfalls keine Antwort auf unsere Fragen bekamen wir von Zapf. "Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass es uns aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, ihren Fragebogen zu beantworten", schreibt der Hersteller der Baby Born Puppe. Wir müssen das akzeptieren, zumal es für Zapf derzeit scheinbar Wichtigeres gibt. Bekannt ist, dass die Firma seit Langem in Schwierigkeiten steckt. So erreichte der Verlust laut Bundesanzeiger 2008 fast acht Millionen Euro - bei einem Umsatz von 39,2 Millionen. "Keine Zeit" übersieht jedoch, dass Firmen ohne glaubhafte CSR-Anstrengungen ohnehin keine Zukunft haben.
In der Liste der 26 Firmen sind Kleinfirmen wie Eri-Spiel, Trullala, Dresdner Puppenmanufaktur, Lotte Sievers oder Sunkid überrepräsentiert. Der Grund: Wir wollen mit unseren Tests auch prüfen, ob die Kleinen das bessere Spielzeug machen, was sie ebenso für sich in Anspruch nehmen wie besonderes gesellschaftliches Verantwortungbewusstsein.
Dazu gehört auch Transparenz. Wer mit vier, fünf Mitarbeitern in Deutschland produziert, braucht zwar keine eigene Stelle für einen Verantwortlichen für Kinderarbeit. Aber es ist unverständlich, wenn einfache Fragen zum Beispiel nach dem Umsatz nicht beantwortet werden. Überhaupt nicht nachvollziehbar ist das bei größeren Firmen, denn die müssen ihre Zahlen meist ohnehin im Bundesanzeiger veröffentlichen. Von dort stammen die in Klammern aufgeführten Umsätze.
Prügelknaben KiK und Lidl
"Die KiK-Story - die miesen Methoden des Textildiscounters", so titelte im August dieses Jahres die ARD einen Fernsehbeitrag. Darin setzte sich der NDR kritisch mit den Produktionsbedingungen von Textilien in Bangladesch und den Vermarktungsstrategien des rasant wachsenden Textildiscounters auseinander. Ein Bericht, den KiK ("Der Kunde ist König") vorab versuchte, gerichtlich zu verbieten - und damit scheiterte. Kurz vor der Ausstrahlung führte KiK dann ein neues Ressort im Unternehmen ein: Die Bereiche Unternehmenskommunikation, Qualitätssicherung und CSR werden seitdem vom neuen Geschäftsführer Michael Arretz verantwortet. "Die Berufung ist ein Signal dafür, dass KiK sich im Bereich der Qualitätssicherung, durch eine verstärkte sozial und ökologische Verantwortung sowie durch eine offenere Kommunikation nach außen besser positionieren will", so KiK. Das ist auch bitter nötig, hat der Billigladen inzwischen ein so schlechtes Image in puncto Arbeitsbedingungen, wie kaum ein anderes Unternehmen.
Einige Monate vorher geriet Lidl ins Visier: Der Discounter hatte damit geworben, dass seine Produkte weltweit unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Die Verbraucherzentrale Hamburg klagte erfolgreich gegen diese Werbung. Lidl musste die Werbung zurückziehen. Die Klage stützte sich auf eine Untersuchung der Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) und des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und wurde von beiden Organisationen unterstützt. Demnach berichteten Näherinnen mehrerer Zulieferbetriebe Lidls in Bangladesch von unmenschlichen Arbeitsbedingungen: Überlange Arbeitszeiten, Lohnabzüge als Strafmaßnahmen, mangelnde und intransparente Vergütung von Überstunden, Verhinderung von Gewerkschaftsarbeit und Diskriminierung von weiblichen Beschäftigten. Die beschriebenen Verhältnisse verstoßen gegen die ILO-Konventionen, den BSCI-Verhaltenskodex und gegen die Selbstverpflichtung Lidls, kritisierten Verbraucherzentrale, CCC und ECCHR.
Die harte Preiskalkulation und der Termindruck von Textil- und Lebensmitteldiscountern ist sicherlich mit ein Grund, weshalb in den Produktionsbetrieben Verstöße gegen Verhaltenskodizes stattfinden. Doch auch Branchen, in denen nicht "billig", sondern "Qualität" im Werbefokus steht, kommen nicht zwangsläufig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nach. So prangerte im Sommer diesen Jahres die Kampagne für Saubere Kleidung einige Hersteller von Outdoorbekleidung an: "Der in Deutschland ansässige Hersteller Schöffel, wie auch andere VertreterInnen der Branche, trifft keinerlei Vorkehrungen für eine Mitbestimmung von ArbeiterInnen in Produktionsländern, in denen Gewerkschaftsfreiheit nicht existiert. Wieder andere Unternehmen verzichten gänzlich darauf, sich für die Einhaltung von Arbeits- und Menschenrechten bei der Herstellung ihrer Produkte zu engagieren. Löhne, die für ein Leben in Würde nicht ausreichen, verzeichnen wir ebenso wie im Fall des schwedischen Herstellers Fjällräven fehlende Obergrenzen für Überstunden, wodurch exzessiver Mehrarbeit in den Fertigungsstätten Tür und Tor geöffnet ist. Internationale Standards der ILO werden sogar in den Selbsterklärungen einzelner Unternehmen missachtet."
Was für die Textil- und Lebensmittelbranche gilt, lässt sich auf die Spielzeugbranche übertragen. Schon allein die Tatsache, dass nicht alle Firmen, die sich zum ICTI-Verhaltenskodex bekennen, auch am Ò Date Certain-Programm teilnehmen, zeigt Unterschiede auf. Und: Selbst die Firmen, die die Verpflichtung eingegangen sind, ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch ICTI-zertifizierte Betriebe zu beauftragen, halten diese nicht ein. Wie es aber in Herstellungsbetrieben zugeht, die nicht am ICTI CARE-Prozess teilnehmen, will man sich gar nicht vorstellen, wenn selbst Betriebe ein Zertifikat erhalten können, in denen die Wochenarbeitszeit mehr als 72 Stunden beträgt.
Zudem sind Verstöße gegen die Zertifizierungsregeln weit verbreitet. So sind über 160 der gut 1.200 ICTI-Zertifikate "On Probation", also auf Bewährung für Firmen, die sich nicht an die Richtlinien gehalten haben. Wer genau hinsieht, findet daher nicht nur bei Lieferanten von KiK und Lidl unmenschliche Arbeitsbedingungen. Sondern beispielsweise auch bei Disney-Zulieferern. So berichtet die Kampagne Spielsachen fair machen über "exzessive" Überstunden und monatliche Arbeitszeiten bis zu 282 Stunden bei der Firma Tianyu Toys, die für den Disney-Konzern herstellt. Weitere Verstöße laut Spielsachen fair machen: Überstunden sind nicht freiwillig und es ist sehr schwierig, freie Tage zum Ausruhen genehmigt zu bekommen; Löhne werden bis zu einem Monat einbehalten; Löhne sind wiederholt falsch kalkuliert worden; Arbeiterinnen sind nicht pensionsversichert und sich nicht sicher, ob sie unfallversichert sind; illegale Strafen wurden nicht abgeschafft, sondern durch Kündigung ersetzt; keine Lohnfortzahlung bei Krankheit; bei Fabriküberprüfungen wird weiterhin getäuscht; schlechte hygienische Bedingungen in den Schlafräumen; die Arbeiterinnen kennen den ICTI-Verhaltenskodex nicht.
Angesichts solcher Missstände - selbst bei ICTI-zertifizierten Fabriken - wird verständlich, warum die meisten der Firmen in unserem Test zwar Verantwortung für Kinderarbeit in der gesamten Wertschöpfungskette übernehmen wollen, aber keiner garantieren kann, dass die Spielzeuge ohne Kinderarbeit hergestellt wurden. Zu groß wäre das Risiko, von Kritikern wie der Aktion fair spielt oder der Kampagne Spielsachen fair machen beim Wort genommen und vorgeführt zu werden.
Die Selbsteinschätzung
Keine Frage, die Firmen haben eine hohe Meinung von sich. Corporate Social Responsibility (CSR) sei fester Bestandteil der Unternehmensstrategie. Das sagen alle 19 Unternehmen, die uns geantwortet haben. Ebenso, dass die Bedeutung von CSR in der eigenen Firma hoch oder sehr hoch sei und Kinderarbeit ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl der Lieferanten.
Allerdings: Nichts anderes hatten wir erwartet. Sicherlich würde niemand schreiben, die Bedeutung von CSR sei gering, Korruption sei in vielen Lieferländern üblich, und nur durch unbezahlte Überstunden und Kinderarbeit könnten die Lieferanten zu den geforderten Preisen und Lieferterminen herstellen.
Es lässt sich zwar nicht überprüfen, ob die Antworten stimmen oder nicht. Selbst Besuche vor Ort würden da nicht weiterführen. Denn kein Unternehmen wird angereisten (ÖKO)-Testern seine Probleme offenlegen - in China nicht und in keinem anderen Land. Und selbst wenn vor Ort alles in Ordnung scheint, bliebe die Frage, wie es in den Zulieferbetrieben aussieht. Die Erfahrung, dass auswärtigen Prüfern eine heile, aber nicht reale Welt vorgeführt wird, macht beispielsweise die Christliche Initiative Romero immer wieder. Sie kümmert sich um Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie.
Aber wir haben unseren Fragebogen so konzipiert, dass Widerspüche deutlich werden. Etwas nachdenklich stimmen die Antworten auf die Frage: Wie schätzen Sie Ihre CSR-Leistungen im Vergleich zu Wettbewerbern ein? Besser wollen neun Firmen sein, gleich wie die Wettbewerber wollen sechs sein, vier haben aus unterschiedlichen Gründen keine Angaben gemacht. Allerdings: Wenn so viele besser sein wollen als die Wettbewerber, dann muss es eigentlich auch schlechtere geben.
Sehen Sie es als die Aufgabe Ihres Unternehmens, für die gesamte Wertschöpfungskette die Verantwortung für das Thema Kinderarbeit zu übernehmen? "Ja" antworten hier die meisten. Nachdenklicher geben sich einige wenige, die Bedenken zeigen: Denn die gesamte Wertschöpfungskette kann niemand überblicken. Es ist schon keine schlechte Leistung, neben den direkten Lieferanten die Zulieferer zu kennen. Das sind beispielsweise die Hersteller des Stoffs für ein Plüschtier. Doch wer die Baumwolle für den Stoff anbaut, und ob auf den Feldern Kinder schuften müssen - das kann zumindest bislang kein Spielzeugproduzent wissen und kontrollieren. Habermaaß und Jako-O, die beide zur gleichen Firmenfamilie gehören, schätzen ihre Möglichkeiten daher richtig ein, wenn sie schreiben: Wir übernehmen Verantwortung "für unsere Lieferanten, aber nicht für die Lieferanten der nächsten Ebene - das ist Aufgabe unserer Lieferanten".
Möglich ist jedoch, die Lieferanten vertraglich zur Kontrolle der Sublieferanten zu verpflichten. Das tun nach eigener Aussage alle infrage kommenden Firmen, die von uns erbetenen Belege bekamen wir allerdings nur selten.
ICTI legt unter anderem fest, dass Kinderarbeit nicht erlaubt ist. Kein Wunder, dass sich 16 Firmen zu dem Standard bekennen. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass alle Lieferanten dieser Firmen ein ICTI-Zertifikat besitzen.
Die CSR-Fakten
Das Thema ist Chefsache, sagen 15 Firmen. KiK, Karstadt und Tedi, der "1-Euro-Discount" haben eine eigene CSR-Abteilung, die der Geschäftsführung unterstellt ist. Die offenbar hohe Bedeutung unterstreicht die Aussage von 18 Unternehmen, die Geschäftsführung erhalte nicht nur Informationen, sondern entscheide aktiv. Das hört sich auf jeden Fall besser an als die Aussage von Simba Toys, die Geschäftsführung sei "situativ" eingebunden.
Der Stellenwert von CSR lässt sich auch daran messen, ob eine Selbstverpflichtung über ICTI oder BSCI besteht. ICTI steht für International Council of Toy Industries, also für den Weltverband der Spielzeugindustrie. Er versucht, mit einem freiwilligen Verhaltenskodex menschenwürdige Arbeitsbedingungen in der Spielzeugindustrie durchzusetzen. Die Mitgliedsunternehmen der Business Social Compliance Initiative (BSCI) kommen überwiegend aus dem Konsumgüterbereich, der Verhaltenskodex gilt als vergleichbar mit dem ICTI-Standard.
Tatsächlich, das haben wir geprüft, bestehen die behaupteten Mitgliedschaften bzw. Selbstverpflichtungen bei elf Unternehmen. Doch nur fünf nehmen am ICTI Date Certain-Programm teil. Das heißt, sie sind die Verpflichtung eingegangen, ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch bei zertifizierten Lieferanten einzukaufen, bei denen also menschenwürdige Arbeitsbedingungen herrschen sollen. Allerdings kommt keine der fünf Firmen tatsächlich auf 100 Prozent ICTI-zertifizierte Lieferanten. Problematisch auch: Ob sich die Firmen an ihre Verpflichtung halten, wird (bislang) von ICTI nicht kontrolliert.
Etwas ermutigender ist die Antwort auf die Frage, ob die Lieferanten der Spielzeuge in unserem Test auf Kinderarbeit überprüft wurden. Alle 13 Unternehmen, die außerhalb der EU fertigen lassen, bestätigen das. Allerdings haben wir nur von sechs die erbetenen Belege dafür bekommen. Dabei handelt es sich durchweg um Class-A-Zertifikate von ICTI. Danach dürfen Kinder bzw. Jugendliche unter 14 Jahren keinesfalls beschäftigt werden. Class A bedeutet aber auch, dass die wöchentliche Arbeitzeit 66 Stunden betragen darf. Für ein Klasse-B-Zertifikat dürfen es bis 72 Stunden sein, für ein Conditional Seal of Compliance sogar mehr als 72. Ob solche Arbeitsbedingungen eine Auszeichnung verdient haben, ist zumindest diskutabel.
Trotzdem: Die Anstrengungen zur Verhinderung von Kinderarbeit scheinen erheblich. So geben die meisten der infrage kommenden Firmen an, die Lieferanten seien verpflichtet, ihre Zulieferer auf Kinderarbeit zu prüfen. Belege dafür schickten jedoch nur Karstadt, KiK und Gollnest & Kiesel - letzterer auf chinesisch. Außerdem setzen alle auf stabile, länger als zweieinhalb Jahre bestehende Geschäftsbeziehungen. Sie sind für uns ein Indikator dafür, ob eine effektive Kontrolle überhaupt möglich ist. Wobei wir jedoch bezweifeln (müssen), ob die gemachten Angaben stimmen. Nicht nur, weil im Zuge der Wirtschaftskrise Fabriken in China pleitegegangen sind und neue Lieferanten gesucht werden mussten. Mehrere Firmen haben auch erklärt, man habe nicht zu 100 Prozent ICTI-zertifizierte Lieferanten, weil man sich immer wieder auch neue Geschäftspartner suchen müsse.
Zertifiziert werden die Unternehmen durch ein externes Audit. Der Papierform nach ist das eine recht zuverlässige Art der Prüfung. Zuverlässiger jedenfalls als eine Selbstauskunft oder ein Eigenaudit, also eine Überprüfung durch das Unternehmen selbst. Doch waren zumindest bis 2008 auch bei externen Audits Betrügereien an der Tagesordnung, kritisiert Uwe Kleinert von der Aktion fair spielt. Seither wurden von ICTI Verbesserungen am Verfahren durchgesetzt: Um Bestechungen vorzubeugen, erfahren beispielsweise die Kontrolleure erst kurzfristig, welche Firma sie inspizieren müssen. Doch "ob diese Maßnahmen reichen, das Kontrollverfahren wenigstens weitgehend gegen Betrug abzusichern, muss die Erfahrung zeigen”, schreibt Kleinert.
Transparenz
ÖKO-TEST sagt immer, dass wir uns nicht auf die Angaben von Herstellern verlassen. In diesem Test steht uns nicht viel mehr zur Verfügung. Daher sollten die Angaben zumindest belegt werden. Transparenz ist auch für die Verbraucher wichtig. Sie sollten sich fragen, warum eine Firma nicht angibt, in welchem Land ein Spielzeug hergestellt wurde. Will sie nicht, weil zum Beispiel China nicht zum Image passt? Oder kann sie nicht - was mindestens ebenso problematisch wäre.
Geheimniskrämerei macht immer misstrauisch, auch wenn sie scheinbar plausibel begründet wird. So will Schleich den Verantwortlichen für Kinderarbeit wegen des "Mitarbeiterdatenschutzes" nicht nennen. Andere Firmen liefern gar keine Erklärung. Auch dafür nicht, warum sie ihre Richtlinien zur Vermeidung von Kinderarbeit nicht auf ihrer Internetseite veröffentlichen. So gibt die Firma Joy Toy an, "selbst definierte Regelungen" zu haben. Wer als Verbraucher wissen will, was diese Regelungen besagen, findet dazu bei Joy Toy nichts. Wer ganz findig ist und weiß, dass das von uns getestete Produkt in Lizenz von Disney hergestellt wurde, kann dort den entsprechenden Verhaltenskodex bekommen, der auch für Lizenznehmer bindend ist. Unverständlich war uns, warum Jako-O den Kodex ins Internet stellt, wir bei Habermaaß aus der gleichen Firmengruppe nicht fündig wurden. Die Firma erklärte dazu, sie bediene anders als Jako-O nur den Geschäftskundenbereich, wolle aber prüfen, "inwieweit wir im Internetzeitalter dem Informationswunsch der Endkunden Rechnung tragen und unseren Verhaltenskodex detailliert kommunizieren wollen".
Transparenz kann allerdings auch neue Fragen aufwerfen. So gibt die Firma Bullyland auf der von uns getesteten Kunststofffigur Phoenix an, sie sei in Deutschland hergestellt. In unseren Fragebogen heißt es dagegen Deutschland und Tunesien. Dazu wollen aber die fünf ICTI-Zertifikate chinesischer Fabriken nicht passen, die belegen sollen, dass alle Lieferanten des Phoenix auf Kinderarbeit geprüft wurden. Eines der Zertifikate weist zudem den Status "On probation" aus. Das ist eine einjährige Bewährungsphase für Firmen, die ICTI-zertifiziert wurden, aber danach gegen die Regeln verstoßen haben. Positiv: Bullyland hätte uns das "On probation"-Zertifikat überhaupt nicht zur Verfügung stellen müssen - dann hätten wir von seiner Existenz nie etwas erfahren.
Auf unsere Nachfrage schreibt uns Bullyland, man stelle Werkzeuge und Rohfiguren in Deutschland her, bemalt würden sie über die "verlängerte Werkbank" in Tunesien. Für uns zählt das, ehrlich gesagt, zur Produktion. Die fünf vorgelegten ICTI-Zertifikate, so Bullyland, beträfen die zehn Hauptlieferanten für die gesamte Produktpalette. In Tunesien gebe es ICTI noch nicht.
Fazit: Sechs der infrage kommenden Unternehmen haben uns Belege für die behauptete Prüfung ihrer Lieferanten auf Kinderarbeit geschickt. Prinzipiell stehen sie damit besser da als die sieben, die einen Nachweis schuldig bleiben. Doch ob sich die Lieferanten tatsächlich an die Regeln halten, können wir nicht prüfen. Herausgestellt hat sich aber, dass die behaupteten bzw. auf den Produkten angegebenen nicht immer die tatsächlichen Herstellerländer sind.
Nachtrag: Auch die Aktion fair spielt bewertet auf ihrer Internetseite die Transparenz. Ein "plus" bekamen dort nur vier Firmen aus unserem Test, die "auf Anfrage regelmäßig Auskunft über die Umsetzung des ICTI-Kodexes" geben.
Made in Germany?
Neun Spielwaren in unserem Test sind als "Made in Germany" deklariert. Sie stammen von den Firmen Bullyland, Dresdner Puppenmanufaktur, Käthe Kruse und Jako-O (je zwei Produkte), Steiff (ein zweites Testprodukt der Firma wurde in China hergestellt), Eri-Spiel und Kersa. Letzter hat unseren Fragebogen nicht beantwortet.
Die Kennzeichnung, wo Spielzeug hergestellt wurde, ist freiwillig. Dass "Made in Germany" durchaus ein Marketingvorteil ist, zeigen zum Beispiel die Produkte von Steiff: Das in Deutschland produzierte Pferd Niki ist gekennzeichnet, Charly Schlenkerteddy hingegen verschweigt seine chinesischen Wurzeln. Andere Firmen fahren eine andere Strategie: Sie lassen in Asien produzieren, kennzeichnen aber ihr Produkt plakativ mit "Designed, (proven and tested) in Germany". Zum Beispiel die Firmen Sterntaler und Sigikid, deren Produktion laut der Aktion fair spielt zu 59 Prozent aus China stammt. Sterntaler produziert laut Aktion fair spielt sogar nur fünf Prozent seiner Waren in Deutschland bzw. der EU. Beim schnellen Einkauf kann der Verbraucher das Wörtchen "Made" und "Designed" schon einmal verwechseln. Unseren Augen wollten wir nicht trauen, als wir die beiden getesteten Produkte von Käthe Kruse mit den Antworten der Firma auf unseren Fragebogen abglichen: Die Handpuppen Räuber und Hexe stecken in Plastiktüten, die mit einem rot-weißen Stoffbändchen mit dem Schriftzug "Käthe Kruse" zugebunden sind. Auf der Plastiktüte steht deutlich "Made in Germany" und auch auf den an die Handpuppen gehefteten Papieretiketten steht unmissverständlich "Made in Germany" und als Variante noch "printed in Germany". Hergestellt sind die Handspielpuppen aber in der firmeneigenen Produktionsstätte in Lettland. Andrea Christenson, Geschäftsführerin von Käthe Kruse, erklärt das so: Auf allen Etiketten hätte "printed in Germany" stehen sollen, das "Made in" sei ein Druckfehler. Wiewohl das nicht einmal falsch sei, weil die Bestandteile ja aus Deutschland kämen.
Die Unterschiede zwischen den Firmen, die in unserem Test "Made in Germany"-Produkte haben, sind groß. Eri-Spiel, Kersa und die Dresdner Puppenmanufaktur stellen nach eigenen Angaben ausschließlich in Deutschland her. Die Firmen bestehen seit Jahren, Kersa stellt seit 1925 Handspielpuppen her, in Dresden werden sie seit über 50 Jahren gefertigt, Eri-Spiel wurde 1971 gegründet.
Die Kunststofffigur Phoenix von Bullyland ist mit "Made in Germany" gekennzeichnet. Laut Bullyland ist die Rohfigur in Deutschland gefertigt, bemalt wurde sie in Tunesien.
Anbieter Jako-O gehört zur Haba-Familie, beide sind im Test vertreten, die Produkte von Jako-O (Handpuppen Prinzessin und Ritter) sind laut Firmenangaben in Deutschland gefertigt. Das scheint aber eher die Ausnahme zu sein. Jako-O: "Leider ist eine Fertigung in Deutschland aus Kostengründen nicht möglich. Der Abgabepreis läge um ein Vielfaches höher in einem für Kunden nicht mehr akzeptablen Bereich."
Steiff, gegründet 1880, steht in Deutschland für Traditionsplüschtierware. Laut Steiff wird ein großer Teil in eigenen Werken in Deutschland, Portugal und Tunesien hergestellt. Im Jahr 2010 beschäftigte Steiff noch einen chinesischen Lieferanten, die Zusammenarbeit endet aber in diesem Jahr. Die chinesische Fabrik sei ICTI-zertifiziert, einen Nachweis dafür lieferte uns Steiff nicht.
Die Produktion
Wissen ist Macht, vor allem aber schafft es die Möglichkeit, die Produktion zu beeinflussen. Leider ist es mit dem Wissen nicht so weit her wie mit dem Wollen. Zwar geben fast alle Firmen an, die Lieferanten der Spielzeuge zu kennen, die Anzahl der Sublieferanten ist acht Firmen für zehn Produkte aber nicht oder nur teilweise bekannt. In dieser Situation kann man zwar den Anspruch haben, Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette zu übernehmen. Einlösen kann man diesen Anspruch aber nicht einmal im kleinen Rahmen.
Neben sozialer ist die Verantwortung für die Umwelt der zweite wichtige Aspekt einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Der dritte ist die Ökonomie. Unternehmerisches Handeln muss sich auch lohnen, sonst ist eine Firma irgendwann pleite. Diesen dritten Aspekt haben wir in unserer Befragung nicht berücksichtigt. Erstaunt hat uns jedoch, wie gering das Wissen um die Ökologie ist. Auf die Frage, aus wie vielen Materialen die Produkte bestehen, bekamen wir für zehn Spielzeuge keine Antwort. Was durchaus gleichzusetzen ist mit: unbekannt. Ähnlich rudimentär ist das Wissen über die verwendeten Kunststoffe, den Einsatz nachwachsender Rohstoffe sowie von Recyclingmaterial (Sekundärrohstoffe). Dabei haben wir sogar Antworten wie die von Habermaaß akzeptiert, laut der die Weichpuppe Lilli zu 100 Prozent aus Polyester besteht, zu weiteren zehn Prozent aus Spantex und zu zwei Prozent aus Polyethylen.
Von keiner Firma bekamen wir eine Aussage dazu, welche CO2-Belastung das Produkt verursacht. Dabei gibt es Vorschläge für eine standardisierte Erfassungsmethode für das Kohlendioxidgas, das als Hauptverursacher im Mittelpunkt der Diskussion um die weltweite Klimaerwärmung steht. Allerdings ist die Erhebung der Daten recht (kosten)aufwendig. Daher gibt es weltweit bislang nur für wenige Produkte einen solchen CO2-Fußabdruck.
Für den Wasserverbrauch gibt es nicht einmal eine anerkannte Methode. Der WWF hat in Zusammenarbeit mit der Universität Twente in Holland, dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) und anderen lediglich einen Vorschlag für einen Wasserfußabdruck gemacht, berechnet hat ihn bislang keine der Firmen im Test.
Unsere Empfehlungen
Die Kennzeichnung, wo Spielzeug hergestellt wurde, ist freiwillig. Trotzdem: Wer das Land nicht deklariert, hat entweder etwas zu verbergen oder will aus Imagegründen zum Beispiel China nicht nennen oder weiß es schlicht nicht. Keine der Möglichkeiten ist Empfehlung für den Kauf des Produkts.
Ohne Transparenz gibt es keine Möglichkeit zur Kontrolle und damit zu Verbesserungen. Nachfragen bei den Firmen erzeugen Druck für mehr Transparenz.
Interview 1: Freiwilligkeit heißt nicht Unverbindlichkeit
Uwe Kleinert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Werkstatt Ökonomie in Heidelberg und Koordinator der Aktion fair spielt.
ÖKO-TEST: Was können Spielzeuganbieter in Deutschland tun, um die Situation in chinesischen Fabriken zu verbessern?
Kleinert: Die Einhaltung von Arbeitsstandards in den Fabriken kann durch die Einkaufspolitik der Abnehmer erleichtert oder erschwert werden. Bei sehr kurzfristigen Bestellungen und häufigen oder sehr späten Änderungen eines Auftrags lassen sich Überstunden nur schwer vermeiden. Und wer seinen Lieferanten unter Preisdruck setzt, braucht sich über niedrige Löhne nicht zu wundern. Umgekehrt ist die Geschäftsführung einer chinesischen Fabrik eher bereit, in Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zu investieren oder althergebrachte Managementmethoden zu überdenken, wenn sich das mit einer langfristig angelegten Lieferbeziehung verbindet.
ÖKO-TEST: Was halten Sie vom ICTI Date Certain-Programm, der Selbstverpflichtung von Spielzeuganbietern, nur noch bei zertifizierten Fabriken Ware zu bestellen?
Kleinert: Es ist gut, wenn sich Spielzeuganbieter freiwillig zu einem solchen Schritt verpflichten. Nur: Freiwilligkeit darf nicht mit Unverbindlichkeit verwechselt werden. Wer sich freiwillig zu etwas verpflichtet, sollte sich verbindlich daran halten. Eine Selbstverpflichtung, deren Einhaltung nicht kontrolliert wird und über die keine Rechenschaft abgelegt werden muss, ist billig, sie ist unglaubwürdig und sie erscheint als ein Versuch, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. So lange die ICTI CARE Foundation die Selbstverpflichtungen nicht kontrolliert, sollte sie das Date Certain-Programm aussetzen.
ÖKO-TEST: Welche Rolle spielen Sublieferanten in der Spielzeugproduktion und was leistet der ICTI CARE-Prozess hier?
Kleinert: Eines ist klar: Wenn eine Fabrik nach dem ICTI-Kodex kontrolliert wird, muss bekannt sein, ob die Produktion komplett im Haus stattfindet oder nicht. Schon der Verdacht, dass eine Musterfabrik zertifiziert wird, während ein großer Teil der Produktion in einem versteckten Sweatshop unter menschenunwürdigen Bedingungen weiterläuft, würde zu recht Zweifel an der Wirksamkeit des ICTI CARE-Prozesses schüren. Die ICTI CARE Foundation hat angekündigt, noch in diesem Jahr ein Konzept vorzulegen, wie sie das Problem lösen will. Bisher kann sie aber nicht sicherstellen, dass alle Glieder der Lieferkette kontrolliert werden.
ÖKO-TEST: Inwieweit bestimmt das Konsumverhalten der Verbraucher die Situation in den chinesischen Fabriken?
Kleinert: Gelegentlich verweisen Unternehmen auf den Verbraucher und seine Verantwortung. In der Regel ist das für mich der leicht durchschaubare Versuch, von der eigenen Verantwortung abzulenken. Die Verbraucher können sich nur insoweit verantwortlich verhalten, wie sie zu den relevanten Informationen Zugang haben. Und da sind es dann oft dieselben Unternehmen, die mauern. Oft wissen wir als Verbraucher ja nicht einmal, woher ein Produkt kommt, geschweige denn, von welchem Lieferanten. Also: Der Verbraucher hat nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, etwas über die sozialen oder auch ökologischen Bedingungen in Erfahrung zu bringen, unter denen ein Produkt hergestellt wurde.
ÖKO-TEST: Ist der Preis eines Spielzeugs eine Orientierung für einen verantwortungsvollen Einkauf?
Kleinert: Der häufige Vorwurf der um sich greifenden Schnäppchenjägermentalität taugt nicht als Handlungsanleitung: Wer sagt uns denn, dass ein teureres Produkt unter besseren Bedingungen hergestellt wurde als ein billigeres? Aber umgekehrt stimmt es natürlich schon, dass die starke Fixierung auf den Preis auch für die Unternehmen ein Marktumfeld schafft, das sie ihrerseits unter einen entsprechenden Handlungszwang setzt. Auch wenn es schon sehr abgegriffen sein mag: Wir sollten der Qualität wieder mehr Bedeutung beimessen, und die hat ihren Preis.
ÖKO-TEST: Sind Produkte Made in Germany die bessere Wahl?
Kleinert: Wir haben im Rahmen der Aktion fair spielt von Anfang eines deutlich gemacht: Es geht uns um die Arbeitsbedingungen in der Spielzeugindustrie, wo auch immer auf der Welt. Dass der ICTI CARE-Prozess zunächst in China aufgebaut wurde, macht Sinn, denn von dort kommen schätzungsweise 80 Prozent der weltweit gehandelten Spielwaren. Und dagegen spricht überhaupt nichts, solange sie unter sozial und ökologisch vertretbaren Bedingungen hergestellt wurden und den gesetzlichen Anforderungen an die Produktqualität entsprechen.
Interview 2: Wer sich nicht an seine Verpflichtung hält, wird ausgeschlossen - vielleicht!
Christian Ewert ist Geschäftsführer der ICTI CARE Foundation, die den ICTI CARE-Prozess organisiert.
ÖKO-TEST: Fabriken, in denen pro Woche bis zu 66 Stunden gearbeitet wird, bekommen von Ihnen ein Class-A-Zertifikat, für ein Class-C-Zertifikat (Conditional Seal of Compliance) dürfen es mehr als 72 Stunden sein. Verdienen solche Arbeitsbedingungen eine Auszeichnung?
Ewert: Fabriken, die ein Class-C-Zertifikat bekommen, erfüllen alle Anforderungen des ICTI CARE-Prozesses. Da dort über 72 Stunden in der Woche gearbeitet wird, müssen sich diese Fabriken auf Basis des Continuous Improvement Process (CIP) aber verpflichten, die Arbeitszeit auf 66 Stunden zu reduzieren. Stichtag ist hier der 30. Juni 2012.
ÖKO-TEST: Warum wird nicht kontrolliert, ob sich die Firmen an die Date-Certain-Verpflichtung halten, zu einem bestimmten Zeitpunkt nur noch bei ICTI-zertifizierten Lieferanten einzukaufen?
Ewert: Daran arbeiten wir zurzeit gemeinsam mit den nationalen Spielwarenverbänden. Von 2011 an ist geplant, dass Firmen, die am Date Certain-Programm teilnehmen, sich jährlich neu verpflichten, das Programm einzuhalten und außerdem berichten, wie viele ihrer Lieferanten inzwischen zertifiziert sind. Anderenfalls können sie vom nationalen Verband ausgeschlossen werden.
ÖKO-TEST: Was hat es für Konsequenzen, wenn Firmen ihre Date-Certain-Verpflichtung nicht einhalten?
Ewert: In einigen Ländern, wie in Dänemark, Deutschland, Schweden und den USA, ist die Teilnahme am Date Certain-Programm verpflichtend, um Mitglied im Spielwarenverband zu werden. Unternehmen, die nicht mitmachen, werden aus dem Verband ausgeschlossen. Verbände in anderen Ländern wollen dieser Praxis folgen. Wenn wir erfahren, dass sich Firmen nicht an ihre Selbstverpflichtung halten und andere Maßnahmen nicht greifen, werden diese Firmen aus unserer Date Certain-Datenbank auf unserer Webseite entfernt.
ÖKO-TEST: Warum gibt es kein Label, mit dem Spielzeug, das aus ICTI-zertifizierten Fabriken stammt, gekennzeichnet ist?
Ewert: Produkte zu labeln ist eine komplexe Angelegenheit. Solange es die ICTI CARE-Zertifikate nicht weltweit gibt, könnte der Kunde es missverstehen, warum manche Produkte gelabelt sind und andere nicht. Dabei gibt es viel gutes Spielzeug, das aus Ländern kommt, in denen wir noch nicht tätig sind. Außerdem gibt es viele Spielwaren, die sich aus Komponenten zusammensetzen, die aus verschiedenen Ländern stammen. Wir ermutigen Hersteller und Spielwarenmarken, das Zertifikat aber auf Messen zu zeigen und das Logo auf Briefpapier und zu Werbezwecken zu nutzen.
Interview 3: Gemeinsam Lösungen finden
Prof. Dr. Nick Lin-Hi ist Juniorprofessor für Corporate Social Responsibility (CSR) an der Universität Mannheim. Mit ihm entwickelte ÖKO-TEST den Fragebogen für die Spielzeughersteller.
ÖKO-TEST: Alle Firmen in unserer Umfrage sagen, die Bedeutung von CSR sei für sie "hoch" oder "sehr hoch". Teilen Sie diese Einschätzung?
Lin-Hi: CSR ist branchenunabhängig absolut ein wichtiges Thema für alle Unternehmen. Wenn einem Thema eine hohe Bedeutung zugebilligt wird, dann impliziert dies jedoch noch nicht dessen gute Umsetzung. Letztendlich ist CSR eine sehr langfristige Investition, welche sich erst nach Jahren auszahlt. Vielfach ist aber zu beobachten, dass kurzfristige Effekte angestrebt werden, zum Beispiel, wenn sich ein Unternehmen aus Marketinggründen mit CSR auseinandersetzt, ohne das Thema in der Unternehmensstrategie zu verankern.
ÖKO-TEST: Gibt es konkrete Dinge, die Unternehmen im Bereich CSR tun sollten?
Lin-Hi: Das hängt ganz von der spezifischen Situation ab. Nehmen wir das Beispiel Kinderarbeit, das im Mittelpunkt der CSR-Untersuchung von ÖKO-TEST steht. Eine typische westliche Vorstellung verurteilt Kinderarbeit als unmoralisch. Natürlich ist Kinderarbeit alles andere als schön, gleichwohl gilt es im Interesse der betroffenen Kinder, nicht vorschnell zu urteilen. In vielen Produktionsländern sehen die Sozialstrukturen nun einmal so aus, dass Kinder einen wichtigen Teil des Familieneinkommens erwirtschaften. Wenn Unternehmen von heute auf morgen rigoros keine Kinder mehr beschäftigen, dann stehen ganze Familien buchstäblich vor dem Verhungern. Ich will Kinderarbeit hier keinesfalls gutheißen oder Unternehmen von der Verantwortung diesbezüglich freisprechen. Aber ich plädiere stark dafür, Lösungen zu finden, welche im Interesse der Kinder und ihrer Familien sind. Unternehmen können diese Probleme weder kurzfristig noch alleine lösen. Vielmehr bedarf es hier politischer Unterstützung, etwa im Hinblick auf die Verbesserung der vorliegenden Sozialstrukturen sowie Schulbildung.
ÖKO-TEST: Was ist von Initiativen wie ICTI oder BSCI zu halten?
Lin-Hi: Derartige Initiativen gehen in die richtige Richtung. Sie stellen eine Infrastruktur dar, die Unternehmen dabei unterstützt, ihrer Verantwortung nachkommen zu können. Die Infrastruktur weist zwar bisweilen einige große Schlaglöcher auf, aber das ist in dem Stadium vollkommen normal. Die bloße Mitgliedschaft in Initiativen ist für Unternehmen allerdings nicht ausreichend. Ein solches Verständnis kann etwas von Greenwashing haben. Unternehmen können die Initiativen nutzen, um bestimmte Probleme strukturiert angehen zu können, sie müssen aber ebenso selbst dafür Sorge tragen, CSR unternehmensintern umzusetzen.
ÖKO-TEST: Welche Rolle spielen Non Goverment Organisationen (NGOs)?
Lin-Hi: NGOs fungieren gewissermaßen als "Watchdogs", die unternehmerische Wertschöpfungsprozesse permanent kritisch beobachten. Sie bewirken damit eine potenzielle Transparenz von unternehmerischen Aktivitäten, da Unternehmen stets damit rechnen müssen, dass Zwischenfälle, Verfehlungen etc. aufgedeckt werden. Doch sei angemerkt, dass auch NGOs eine Verantwortung haben. Hierzu gehört es etwa, nicht mit der Holzhammermethode auf Unternehmen draufzuhauen, sondern vielmehr den konstruktiven Dialog zu suchen.
ÖKO-TEST: Hat eine Umfrage, wie die von Ihnen für ÖKO-TEST konzipierte, Auswirkungen?
Lin-Hi: Die Integration von CSR-Kriterien in Testberichte wird die Verbraucher für das Thema weiter sensibilisieren. Natürlich können Unternehmen nicht gezwungen werden, Angaben zu ihrer CSR-Leistung zu machen - aber Verbraucher werden es sicherlich richtig einschätzen können, wenn Unternehmen hierzu schweigen. Auswirkungen konnte ich übrigens bereits einige Monate vor der CSR-Umfrage beobachten: Es hatte sich herumgesprochen, dass ÖKO-TEST das Thema CSR auf der Agenda hat und in diesem Bereich etwas zu machen gedenkt. Die Information führte bei einigen Unternehmen zu einer gewissen Unruhe, da man sehr gut wusste, was das für Implikationen bedeutet. Je mehr Akteure sich für das Thema CSR interessieren, je mehr darüber informiert wird, je genauer hingeschaut wird, desto mehr müssen Unternehmen CSR managen.
ÖKO-TEST: Kann man den gemachten Angaben der Firmen glauben?
Lin-Hi: Natürlich können Unternehmen bei der CSR-Abfrage geschönte Angaben machen. Letztendlich ist dies aber nicht in ihrem langfristigen Interesse. Die Antworten der Unternehmen sind für alle Zeiten dokumentiert. Unternehmen werden sich an ihren Worten messen lassen müssen. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt herauskommt, dass einige Angaben nicht ganz der Wahrheit entsprachen, dann wird das für das Unternehmen unangenehm werden. Mit geschönten Angaben riskieren Unternehmen ihre Glaubwürdigkeit und damit einen der zentralen Vermögenswerte für langfristigen Erfolg.
Lexikon
Aktion fair spielt
Die Aktion fair spielt setzt sich gemeinsam mit Partnern in Asien und Europa für die Beachtung der Menschenrechte und grundlegender Arbeitsnormen in der Spielzeugindustrie ein. Sie fordert die deutschen Hersteller auf, entlang ihrer Lieferkette den Verhaltenskodex des Weltverbandes der Spielwarenindustrie ICTI glaubwürdig und transparent umzusetzen. Getragen wird die Aktion fair spielt von dem Bischöflichen Hilfswerk Misereor, der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands, der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, dem Nürnberger Bündnis "Fair Toys" und der Werkstatt Ökonomie (Koordination).
Audit
Ein Audit ist ein Kontrollinstrument, das in Form eines Soll-Ist-Abgleichs Verbesserungspotenzial von Prozessen identifiziert. Unterschieden wird zwischen internen und externen Audits. Interne Audits werden von Personen durchgeführt, die zwar aus dem Unternehmen, aber nicht aus dem zu auditierenden Bereich stammen. Externe Audits erfolgen hingegen durch unabhängige, unternehmensexterne Gutachter, sogenannte Auditoren.
BSCI
Die Business Social Compliance Initiative (BSCI) ist ein Zusammenschluss von Unternehmen, die sich für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen entlang globaler Lieferketten einsetzen. Die Initiative wurde 2003 ins Leben gerufen. Um Sozialstandards in Lieferketten zu verankern, hat die BSCI einen Verhaltenskodex entwickelt, den die Mitgliedsunternehmen bei mindestens zwei Dritteln ihrer Lieferanten einführen und kontrollieren. Die Mehrheit der Mitgliedsunternehmen ist im Konsumgüterbereich tätig.
CSR
Der häufig verwendete Begriff CSR (Corporate Social Responsibility) steht für die gesellschaftliche und soziale Verantwortung, die Unternehmen für ihre Geschäfte übernehmen.
Greenwashing
bezeichnet den Versuch von Unternehmen, durch Marketing- und PR-Maßnahmen ein "grünes Image" zu erlangen, ohne allerdings entsprechende Maßnahmen im Rahmen der Wertschöpfung einzusetzen. Bezog sich der Begriff ursprünglich auf eine suggerierte Umweltfreundlichkeit, findet dieser mittlerweile auch für suggerierte Unternehmensverantwortung Verwendung.
ICTI
International Council of Toy Industries - der Weltspielwarenverband.
ICTI CARE-Prozess
Care ist die Kurzform für "Caring, Aware, Responsible, and Ethical" (fürsorglich, bewusst, verantwortlich und ethisch). Der ICTI CARE-Prozess soll für eine ethische Produktion in der Spielwarenindustrie sorgen, Organisator ist die ICTI CARE Foundation. Dem Prozess liegt ein Verhaltenskodex zugrunde, der Prinzipien wie das Verbot von Kinderarbeit, Diskriminierung, Zwangs- und Gefängnisarbeit, Bezahlung von Mindestlöhnen und Überstunden umfasst. Die Einhaltung des Kodex wird mithilfe von Audits überwacht.
ICTI Date Certain-Programm
Hier können sich Spielwarenhersteller gegenüber der ICTI CARE Foundation verpflichten, ab einem selbst gewählten Datum nur noch bei solchen Spielzeugfabriken einzukaufen, die dem ICTI CARE-Prozess angeschlossen sind.
ILO
International Labour Organization, Internationale Arbeitsorganisation. Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Die ILO umfasst 182 Mitgliedsstaaten, Ziel ist es, durch die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen aller Menschen den Weltfrieden zu sichern. Die Grundprinzipien der Aktivitäten der ILO bilden die acht Kernarbeitsnormen. Sie basieren auf den Grundprinzipien Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung der Zwangsarbeit, Abschaffung der Kinderarbeit sowie Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Bislang haben über 120 Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, die Kernarbeitsnormen ratifiziert.
Kinderarbeit
Kinderarbeit nach der Definition der ILO liegt dann vor, wenn junge Arbeitnehmer unter dem gesetzlich festgelegten Mindestalter, vor Beendigung der Schulpflicht beziehungsweise vor Vollendung des 15. Lebensjahres (je nach nationalem Recht auch vor Vollendung des 14. Lebensjahres), in irgendeiner Art und Weise einer gewerblichen Tätigkeit nachgehen. Vor allem durch die Verlagerung von Produktionsprozessen in Niedrig-lohnländer wurden Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder beschuldigt, unter Kinderarbeit zusammengefasste Formen der Ausbeutung zu gewähren. In der Zwischenzeit verpflichten sich viele Unternehmen in einem Verhaltenskodex dazu, keine Kinderarbeit zuzulassen.
Nachhaltigkeit
Eine zukunftsfähige Entwicklung wird gleichberechtigt bestimmt von ökologischen, ökonomischen und sozialen Einflussfaktoren. Keiner der drei Einflussfaktoren kann getrennt von den anderen beiden betrachtet werden, Übergänge sind fließend.
SA 8000
SA 8000 ist ein Standard für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Arbeitsstätten. Er wurde 1997 von Social Accountability International (SAI) eingeführt. SA 8000 basiert unter anderem auf Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen (VN) und Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und fordert den Aufbau eines Sozialmanagementsystems. Durch regelmäßige, von unabhängigen Gutachtern durchgeführte Kontrollen von Betriebsstätten soll eine kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen erreicht werden.
Verhaltenskodex
Ein Verhaltenskodex (Code of Conduct) ist eine Sammlung von Verhaltensregeln bezogen auf ethische Werte, Gesetze und weitere Aspekte der unternehmerischen Verantwortung. Solch ein Kodex ist mit einer Selbstverpflichtung vergleichbar. Ein Verhaltenskodex für Lieferanten ist ein Dokument, das Grundsätze, Leitlinien und Handlungsweisungen in Bezug auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards festlegt. Die Unternehmen berufen sich dabei überwiegend auf die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen und die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Mit dem Verhaltenskodex verpflichten sie ihre Lieferanten zur Einhaltung der definierten Mindeststandards. Die Einhaltung kann durch Audits überprüft werden.
Quellen: U.a. Aktion fair spielt, Gabler Wirtschaftslexikon, www.csr-in-deutschland.de