Jahr für Jahr verpasst der Verkehrssektor seine Klimaziele. Das liegt auch am langsamen Umstieg von Autos mit Verbrennermotor auf insgesamt klimafreundlichere E-Autos. Vom Ziel der Bundesregierung, bis 2030 15 Millionen rein strombetriebene Pkw auf deutschen Straßen zu haben, ist Deutschland jedenfalls weit entfernt.
80 Prozent der Ladevorgänge zuhause oder am Arbeitsplatz
Als Grund dafür wird häufig die fehlende öffentliche Ladeinfrastruktur genannt. Doch die ist im Moment nicht das Problem. Wer elektrisch fährt, findet entlang der Autobahn oder in Städten fast immer einen Ladeanschluss für die nächste Etappe.
Viel größer ist der Mangel an Lademöglichkeiten zuhause. Nicht im Ein- und Zweifamilienhaus, da ist eine Wallbox recht einfach installiert. Viele Besitzer eines E-Autos haben die, mittlerweile ausgelaufenen, Förderprogramme genutzt und eine Wallbox montieren lassen. Sehr viel schwieriger ist das in Mehrfamilienhäusern – egal ob man zur Miete wohnt oder in der Eigentumswohnung.
"Rund 80 Prozent der Ladevorgänge finden bei Privatleuten zuhause oder am Arbeitsplatz statt", sagt ADAC-Unternehmenssprecher Jürgen Grieving. "Der Komfort beim Laden eines E-Autos besteht ja gerade darin, dass das Auto Strom tankt, während ich was anderes mache. Zum Beispiel nachts, wenn ich schlafe."
Öffentliche Ladesäulen deutlich teurer
Doch vor allem in älteren Mehrfamilienhäusern ist der Weg zur eigenen Lademöglichkeit weit. Der Stellplatz oder die Garage ist Sondereigentum oder gehört zur (Miet-)Wohnung. Der Rest jedoch – Tiefgarage, Garagenhof oder Parkplatz – gehört der Hausgemeinschaft.
Außerdem ist der Aufwand höher: Häufig müssen neue Stromleitungen verlegt und Sicherungskästen eingebaut werden. In vielen alten Gebäuden ist der Anschluss an das Verteilnetz nicht leistungsfähig genug, um mehrere Fahrzeuge gleichzeitig laden zu können. Sollen mehrere Ladepunkte installiert werden, stellt sich die Frage nach der Abrechnung. Einfach eine Wallbox an die Wand schrauben funktioniert also nicht.
Auf Dauer keine Alternative ist das Laden an der nächsten öffentlichen Ladesäule: Das Stromtanken ist unkomfortabel, die Tarife sind deutlich teurer, der Vorteil bei den Betriebskosten geht verloren. Das E-Auto über eine normale Haushaltssteckdose zu laden, dauert ewig und erhöht das Brandrisiko aufgrund möglicherweise überlasteter Leitungen.
Hausgemeinschaft kann Wallbox nicht verhindern
Immerhin haben Mietende sowie Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer seit einigen Jahren Anspruch auf die Zustimmung der Hausgemeinschaft. Die kann die Installation einer Wallbox nicht verhindern, darf aber über die Ausführung der Bauarbeiten mitbestimmen. Dafür sorgt das Wohneigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG).
Auch das Mietrecht sieht entsprechende Regelungen vor. "Dass der Einbau einer Wallbox zu den privilegierten Maßnahmen nach § 554 Abs. 1 BGB gehört und die Mietenden einen Anspruch auf Erlaubnis haben, ist natürlich ein Vorteil", sagt Dr. Jutta Hartmann, Pressesprecherin des Deutschen Mieterbundes. "Dass Mieterinnen und Mieter die Kosten alleine tragen und die Wallbox mit ihrem Auszug laut Gesetz grundsätzlich wieder zurückbauen müssen, wird viele trotzdem davon abhalten, in eine eigene Lademöglichkeit zu investieren", benennt Hartmann gewichtige Nachteile.
Immerhin: In neuen sowie grundlegend sanierten Wohnhäusern ab zehn Stellplätzen muss jeder Stellplatz mit der Leitungsinfrastruktur – also Leerrohren, Kabelkanälen sowie Platz für Kabel und Verteiler – ausgestattet sein. So steht es im GEIG, dem Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz. Die Leitungen selbst und die Elektronik sind damit nicht gemeint.
Fachberatung ist unerlässlich
Recht haben und eine Wallbox bekommen sind also zwei Seiten einer Medaille. In den seltensten Fällen geht die Initiative vom Hauseigentümer oder der Eigentümergemeinschaft aus. "Wir empfehlen, sich Mitstreiter im Haus zu suchen und den Vermieter beziehungsweise die Miteigentümer zu informieren", sagt Jürgen Grieving vom ADAC.
Am besten geht das mit einem Konzept, in dem schon die wichtigsten Punkte, Vor- und Nachteile sowie die Kosten geklärt sind. "Eine Fachberatung durch einen spezialisierten Elektrofachbetrieb oder einen Dienstleister ist unerlässlich. Dieser sollte mit dem Netzbetreiber Fragen der Anschlussleistung klären und ein Konzept vorschlagen", zeigt Grieving die darauffolgenden Schritte auf.
Den Antrag auf Installation einer oder mehrerer Ladepunkte stellt man in der nächsten Eigentümerversammlung, Mieter bei der Hausverwaltung oder dem Vermieter. Ablehnen können diese, wie gesagt, nicht, nur über die Ausführung der Arbeiten mitbestimmen.
Oft reicht schon eine Lademöglichkeit für mehrere Autos
Wie die Elektroarbeiten nach der Entscheidung genau ablaufen, hängt nicht zuletzt von der Zahl der Ladepunkte ab. Geht es nur um eine oder wenige Wallboxen und ist die Leistung des Stromanschlusses groß genug, verlegt ein Elektrofachbetrieb die Leitungen in klassischen Leerrohren und schließt die Wallboxen an. Soll eine komplette Tiefgarage für Elektromobilität fit gemacht werden, mit eigener Lademöglichkeit für alle Stellplätze, wird es aufwendiger.
Spezielle Schienensysteme an der Decke erlauben das einfache An- und Abkoppeln der Wallboxen. Spätestens in diesem Fall kommt ein sogenanntes Lastmanagement zum Einsatz. Das verteilt den zur Verfügung stehenden Strom auf die zu ladenden Autos.
Wer wann wie viel Strom braucht und bekommt, lässt sich damit einstellen. Schließlich braucht nicht jeder jeden Morgen ein voll geladenes Auto – der durchschnittliche Fahrweg pro Tag beträgt nur 40 bis 50 Kilometer. Dafür reichen 10 Kilowattstunden aus, die pro Nacht nachgeladen werden, was in ein bis zwei Stunden erledigt ist.
Diese Abrechnungsmodelle gibt es:
- Ist die Wallbox am Wohnungszähler angeschlossen, ist die Abrechnung des geladenen Stroms am einfachsten: Er wird zum Hausstromtarif direkt abgerechnet.
- Es gibt auch Wallboxen mit einem eigenen Zähler des Energieversorgers, über den dieser direkt abrechnet. Hier lohnt es, nach speziellen Autostromtarifen zu fragen.
- Sind die Wallboxen an den Anschluss für den Allgemeinstrom angeschlossen, wie etwa die Beleuchtung des Treppenhauses oder der Fahrstuhl, braucht man entweder einen Zähler des Energieversorgers wie oben, oder einen geeichten Zähler, der den EU-Vorgaben entspricht (MID-konform). Dann kann die Hausverwaltung den Strom abrechnen – wenn sie das will.
- An gemeinsam genutzten Lademöglichkeiten identifizieren sich die Nutzer mit Chip-Karten, was die eichrechtskonforme Abrechnung ermöglicht, sofern ein entsprechender Zähler vorhanden ist.
Bei alten Gebäuden wird's deutlich teurer
Die oft entscheidende Frage, wie viel Geld man investieren muss, hängt vom Zustand des Gebäudes und von der Größe des Projekts ab. Die einzelne Wallbox an einer maroden, uralten Elektroinstallation kann teurer sein als eine von 30 Lademöglichkeiten in einem neueren Gebäude. Klar ist, dass Mieter und Eigentümer die Kosten selbst tragen, sofern nicht Vermieter oder Hausgemeinschaft in die Attraktivität der Immobilie investieren wollen.
Realistisch ist ein Anteil von 3.000 bis 5.000 Euro. Viel Geld, das erst nach mehreren Jahren von den niedrigeren Verbrauchskosten eines E-Autos ausgeglichen wird. Und deutlich mehr als die 1.000 bis 2.000 Euro, die Eigenheimbesitzende für eine Wallbox und deren Installation ausgeben.
Das liegt in den deutlich komplexeren Installationen: Längere Wege für dickere Kabel, Wanddurchbrüche und die Kosten für das Lade- und Lastmanagement sowie die Abrechnung des Stromverbrauchs über eichrechtskonforme Wallboxen treiben die Kosten.
Spezialisierte Dienstleister helfen bei Installation
Viele Hausverwaltungen und Vermieter scheuen den zusätzlichen Aufwand für Planung, Installation, Betrieb und Abrechnung. Hier kommen spezialisierte Dienstleister ins Spiel. Die heißen zum Beispiel ChargeHere, ChargePoint oder Energielenker. Ihr Versprechen: Alles aus einer Hand – von der Bestandsanalyse über den Bau der Ladeinfrastruktur, die Stromlieferung bis hin zur Abrechnung.
"Ab etwa fünf Ladepunkten bieten wir wirtschaftlich interessante Lösungen an, je mehr desto günstiger", sagt Marc Heines von ChargeHere, einem Tochterunternehmen des Energieversorgers EnBW. Rund zehn Euro Servicegebühren pro Monat berechnet ChargeHere für das Lastmanagement, den Online-Service-Zugriff, Kundendienst und vor allem für die Abrechnung und Rechnungsstellung direkt an den Nutzer.
Wenn sich solche Modelle durchsetzen, Elektroautos günstiger werden und mehr gebrauchte Fahrzeuge auf den Markt kommen, könnte es künftig auf deutschen Straßen doch noch stärker stromern.
Weiterlesen auf oekotest.de: