Eine "klimapolitische Bankrotterklärung". Die Grünen waren sauer, als sich im Juni abzeichnete, dass Sigmar Gabriels geplante Kohleabgabe vom Tisch ist - und dass der SPD-Chef den Betreibern der Braunkohlekraftwerke stattdessen mächtig entgegenkommen würde. Doch auch die CDU bekam den grünen Ärger ab. "Angela Merkel ist Kohlekanzlerin", schimpfte ein erboster Oliver Krischer, Vizefraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag.
Eigentlich hatte der Bundeswirtschaftsminister eine Sonderabgabe auf alte Kraftwerke geplant, die einen bestimmten CO2-Freibetrag überschreiten. Damit wollte er den Klimaschutz vorantreiben. Doch kam Gabriel die Kohlelobby dazwischen. Unternehmen und Gewerkschaften argumentierten mit dem Verlust von 100.000 Arbeitsplätzen. Eine Zahl, die das Umweltbundesamt stark anzweifelte: Die Angaben entbehrten jeder Grundlage, hört man von dort. Gabriel knickte dennoch ein. Sein Kompromiss: Die Energieunternehmen sollen alte Braunkohlekraftwerke mit insgesamt 2,7 Gigawatt Leistung vom Netz nehmen. Im Oktober 2016 werden wohl die ersten von acht Blöcken vom Netz gehen, der letzte im Oktober 2019. Sie sollen zunächst jeweils über vier Jahre als Notfallreserve dienen. Dafür bekommen die Konzerne über sieben Jahre insgesamt 1,61 Milliarden Euro. Anfang November hat das Kabinett Gabriels Gesetzentwurf zugestimmt - für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein ",Goldener Handschlag' für Altkraftwerke und ein großzügiges Geschenk an die Kohlekonzerne". Der Umweltverband geht sogar davon aus, dass Energieversorger nun Geld für Meiler bekommen, die sowieso wegfallen sollten: "Allein RWE kassiert 800 bis 900 Millionen Euro für Kraftwerke, die das Unternehmen größtenteils ohnehin stilllegen wollte", kritisiert der Vorsitzende Hubert Weiger. Ein Vorwurf, den Gabriel zurückweist. Die Regierung geht jetzt davon aus, dass die CO2-Emissionen durch den Kompromiss um bis zu 12,5 Millionen Tonnen sinken werden, bei den Abgabeplänen ging es aber noch um fast doppelt so viel. Nicht nur die Umweltschützer sind enttäuscht; die entstehenden Mehrkosten treffen die Stromverbraucher.
Schon vor der kohlefreundlichen Entscheidung war mit Blick auf das Jahr 2020 Skepsis angebracht: Bis dahin sollen die deutschen CO2-Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 40 Prozent reduziert werden. Ein Ziel, das sich die Bundesregierung mit ihrem Energiekonzept gesetzt hat - und das Deutschland deutlich verfehlen dürfte. Das räumt die Bundesregierung in ihrem Fortschrittsbericht selbst ein. Ende 2014 lag das Land verglichen mit 1990 erst bei einer CO2-Reduktion von etwa 27 Prozent, in den Jahren zuvor waren die Emissionen angestiegen.
Dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, das die Regierung auf den Weg gebracht hat, fehlt es bislang an konkreten Aussagen. Sie kündigte zwar an, damit bis zu 78 Millionen Tonnen Kohlendioxid zusätzlich einzusparen, unter anderem durch die Förderung energetischer Sanierungen und...