Milchkühe stehen auf einer blühenden Sommerwiese, mit Bergen im Hintergrund. Der alte Bauer schüttet die Mich aus einem Eimer in die große, gusseiserne Kanne. Als hätte er sie gerade eben mit der Hand gemolken. Mit einem Tuch wischt er die Kanne ab. Der Name der Molkerei erscheint.
Mit der Realität der Milcherzeugung hat dieser Werbespot einer bayerischen Molkerei wenig zu tun. Selbst dann nicht, wenn ein Bauernhof so idyllisch liegt wie der von Thomas und Monika Bertl auf dem Ilchberg, einem Südhang über dem oberbayerischen Ort Wildsteig. Zwischen den Hügeln im Süden steht die Wieskirche, ein barockes Kleinod, das jährlich über eine Million Besucher anzieht. Dahinter ragen die Gipfel des Wettersteingebirges und des Allgäus in die Luft.
Doch Monika Bertl schaut nicht auf die Berge, sondern auf das prall gefüllte Euter der Kuh, die vor ihr im Melkstand steht. Mit Holzwolle reibt sie die vier Zitzen sauber und melkt mit schnellen Handgriffen aus jeder zwei, drei Strahlen in ein Plastikkännchen. "Das spült die Zitzenkanäle sauber, falls da Keime drin wären", erklärt sie. Dann steckt sie auf jede Zitze einen der Zitzenbecher der Melkmaschine. Das sind hohle Edelstahlzylinder, oben und innen mit Gummi ausgekleidet. Im Sekundenrhythmus wechselt die Melkmaschine zwischen Unterdruck und Normaldruck und saugt so der Kuh das Euter leer.
In einem kleinen Sichtfenster sieht man die Milch der Kuh vorbeisprudeln, hinein in den Schlauch, der nebenan in den großen Edelstahlkessel in der Milchkammer führt. Ein Display zeigt die Milchmenge an, die aus der Kuh strömt: Drei, fünf, neun... Bei 13,1 Liter bleibt die Zahl stehen. Monika Bertl hat derweil den anderen Kühen im Melkstand das Melkzeug angelegt und kehrt nun zurück. Sie zieht die Melkbecher ab, streicht die Zitzen der Kuh glatt und tätschelt ihr Euter. Dann taucht sie jede Zitze in ein grünliches Gel. "Da sind pflegende und desinfizierende Substanzen drin. Die bilden einen Film, damit in die jetzt offenen Zitzenkanäle keine Keime dringen können." 60 mal wiederholen Monika Bertl und ihr Mann Thomas diese Prozedur. Jeden Morgen und jeden Abend.
Der Milchspezialist: eine Familie - 60 bis 100 Kühe
Die Bertls sind ein typisches Beispiel für einen auf die Milcherzeugung spezialisierten Vollerwerbsbetrieb. Rund 25.000 solcher Höfe gibt es bundesweit. Sie liefern etwa die Hälfte der 28 Millionen Tonnen Milch, die jährlich in Deutschland erzeugt werden. 63 Hektar Grünland und 30 Hektar Wald gehören zum Hof der Bertls, den sie in Wildsteig "Heiß" nennen. Im Stall stehen 60 Milchkühe und 70 Stück Jungvieh. Das ist eine Größenordnung, die eine Bauernfamilie alleine bewirtschaften kann, wenn alles effektiv organisiert ist.
Dazu gehört ein Laufstall, in dem sich die Kühe freier bewegen können als in einem Anbindestall, wie er in vielen kleinen Betrieben üblich ist. 350.000 Euro haben die Bertls vor sechs Jahren in den neuen Stall investiert. Er lässt sich mithilfe großer Schieber halb automatisch entmisten. Das Futter streut der Mischwagen beim Fahren durch den Stall den Tieren direkt vor das Futtergitter. Der Melkstand bietet zehn Kühen Platz, die gleichzeitig gemolken werden. Rund 1.100 Liter Milch geben Bertls Kühe täglich. Pro Kuh macht das rund 7.000 Liter im Jahr. Das ist guter Durchschnitt. Denn in den letzten 25 Jahren ist die Milchleistung der Kühe durch gezielte Züchtung bundesweit von 4.600 auf 7.000 Liter im Jahr gestiegen. Es gibt Tiere, die auch 12.000 bis 14.000 Liter schaffen.
Die Kehrseite dieser Hochleistung sind Euterentzündungen und andere Krankheiten, die viele Tiere plagen. Nach drei Jahren intensiver Milcherzeugung ist die Durchschnittskuh am Ende und kommt ausgemergelt zum Schlachter. Thomas Bertls Kühe geben im Schnitt vier Jahre Milch. Bei der Nachzucht habe er neben der Milchqualität immer auch auf die Langlebigkeit der Tiere wert gelegt, erzählt der Bauer. Üblich ist in deutschen Milchkuhställen die künstliche Befruchtung mit eingekauftem Stiersperma.
Zucht und Haltung haben sich längst auf drei Rinderrassen konzentriert: Holstein-Frisian, Fleck- und Braunvieh. Die Holsteinischen als reine Milchrinder machen etwa 60 Prozent des Bestandes aus. Im Süden herrschen Fleck- und Braunvieh vor, die etwas weniger Milch geben, sich aber auch als Fleischlieferant nutzen lassen. Alte Rassen wie die Murnau-Werdenfelser oder das Hinterwälder Rind sind vielfach vom Aussterben bedroht. Solche Tiere sind robust, genügsam und weidegängig, geben aber bei Weitem nicht so viel Milch.
Eine Kuh, die 7.000 Liter Milch im Jahr produziert, braucht energiereiches Futter. Wie bei Grünlandbetrieben üblich, mäht Thomas Bertl seine Wiesen viermal im Jahr, der Grünschnitt wird überwiegend siliert, also zu milchsauer vergorenem Gras verarbeitet. Heu machen die Bertls noch, aber nicht mehr so viel wie früher. Neben Silage und Heu bekommen das Braunvieh auf dem "Heiß"-Hof zugekauftes energiereiches Kraftfutter, bis zu sieben Kilogramm pro Tag und Kuh. Die Tiere bedienen sich selbst an zwei Fressboxen. Diese sind mit dem Kraftfuttersilo verbunden und teilen computergesteuert jeder Kuh die passende Menge zu. Damit die Maschine die Kuh erkennt, hat jedes Tier einen Transponder mit Nummer um den Hals, der ihre Daten an den Computer schickt.
Das Kraftfutter besteht hauptsächlich aus Getreide und Rübenschnitzel. Billigen Sojaschrot lehnt Thomas Bertl ab - nicht erst seit es Gen-Soja gibt. "Ich war in den 80er-Jahren länger in Brasilien unterwegs. Damals ist mir klar geworden, dass wir unsere Futtermittel nicht einfach aus armen Ländern beziehen können." Inzwischen verzichten zahlreiche Milchbauern auf Gen-Soja im Futtertrog. Doch immer noch geht ein Teil der vier Millionen Tonnen Sojaschrot, die Deutschland jährlich importiert, in die Milcherzeugung. Milchbetriebe im Flachland bauen meist Mais an, den sie silieren, sowie Futtergetreide. Je höher der Anteil von Mais und Kraftfutter in der Ration, desto geringer ist der Anteil an wertvollen Omega-3-Fettsäuren in der Milch. Am besten schneiden Tiere ab, die auf der Weide frisches Gras bekommen.
Weide wird selten
Auf dem "Heiß-Hof" kommt nur das Jungvieh den Sommer über auf die Weide, die Milchkühe dürfen im Spätherbst raus, wenn das Gras nach dem letzten Schnitt wieder etwas nachgewachsen ist. In einem Laufstall ist es einfacher, das Futter zu den Tieren zu bringen. Es sind eher kleine Milchbetriebe mit Anbindestall, die ihre Kühe noch auf die Weide treiben. Doch insgesamt stehen immer weniger Milchkühe auf den Wiesen. Durch das viermalige Mähen blüht dort im Frühjahr noch der Löwenzahn, danach aber kaum noch etwas. Die Imker klagen seit Jahren, dass ihre Bienen im Sommer zu wenig Nahrung finden.
Über die Hälfte der knapp 100.000 deutschen Milchbauern haben weniger als 30 Tiere im Stall stehen. Die meisten dieser Kleinbetriebe liegen in Süddeutschland oder den Mittelgebirgen. Sie liefern etwa ein Sechstel der deutschen Milchmenge. Mit der Hand wird auch in diesen Betrieben nicht mehr gemolken. Doch muss das Melkzeug von Tier zu Tier geschleppt werden. Das Füttern der Tiere und das Reinigen des meist kleinen und engen Anbindestalls ist weit aufwendiger als bei einem größeren Betrieb, der Kraftfuttereinsatz dagegen meist geringer, die Milchleistung der Kühe auch.
Für den Erhalt der Kulturlandschaft spielen diese Betriebe eine wichtige Rolle. Sie bewirtschaften oft Flächen, die wenig Ertrag abwerfen oder schwierig zu mähen sind. Zwar bezuschussen die Bundesländer das über Agrarumweltprogramme und Ausgleichszulagen. Doch den erhöhten Arbeitsaufwand kann das nicht ausgleichen.
Geführt werden diese kleineren Betriebe meist im Nebenerwerb. Das heißt: Jemand am Hof verdient zusätzlich Geld als Mechaniker, Sekretärin oder mit der Vermietung von Ferienwohnungen. Oder die Höfe sind Mischbetriebe, die neben Milch auch Getreide oder Feldfrüchte erzeugen.
Milchpreis auf dem Tiefpunkt
Nebenerwerbsbetriebe gelten als wirtschaftlich weniger anfällig, weil sie auf mehreren Füßen stehen. Dennoch waren die meisten der 270.000 Milchbauern, die in den vergangenen 25 Jahren aufgaben, solche Kleinbetriebe. Meist stiegen sie aus der arbeitsintensiven Milcherzeugung aus, wenn die Alten nicht mehr mithelfen konnten, die Kinder nicht übernehmen wollten oder größere Investitionen anstanden, die sich nicht mehr rechneten. Immer noch hören jährlich 3.000 bis 5.000 Milchbauern auf, weil sich die Arbeit für sie nicht mehr rentiert.
Auch für Milchbauern wie Thomas Bertl wird die Luft dünn. Denn für seine Milch bekam er 2009 so wenig wie noch nie. 26 Cent je Liter zahlte die Käserei Hochland im Herbst, im Sommer war es noch weniger. Das macht aufs Jahr gerechnet rund 100.000 Euro. Hinzu kommt noch der Erlös für die männlichen Kälbchen. Jede Milchkuh muss einmal im Jahr kalben, damit der Milchfluss nicht versiegt. Die Kühe zieht ein Milchbauer selber groß. Sie werden im dritten Jahr trächtig und geben ab dem ersten Kalb Milch. Die männlichen Kälber werden nach wenigen Wochen an spezialisierte Mäster verkauft. 100 bis 150 Euro pro Stück, je nach Alter und Gewicht. Hinzu kommen noch die Zahlungen der EU, sodass auf der Haben-Seite insgesamt etwa 135.000 Euro stehen.
Davon gehen die Betriebskosten weg: "Das Kraftfutter macht etwa 900 Euro im Monat aus, der Diesel 500", rechnet Thomas Bertl vor. Die Kosten für den Tierarzt kommen hinzu, Beiträge und Versicherungen, Reparaturen und Abschreibungen, der Lohn für den Lehrling, den der gelernte Landwirtschaftsmeister ausbildet, und vieles mehr. "Wir tun uns hart mit den Raten für den Stall, da wird es eng", zieht Thomas Bertl Bilanz. Diesen Winter wird der 47-Jährige oft in seinen Wald fahren und dort Holz machen. Doch dieser zusätzliche Erlös hilft nur für kurze Zeit. "Wenn wir langfristig überleben wollen, brauchen wir 40 Cent Milchpreis. Dann kann man investieren, den Betrieb entwickeln und in die Zukunft schauen." Das gilt erst recht für die kleineren Betriebe, die weniger effektiv arbeiten können.
Noch größere Betriebe dagegen können günstiger produzieren, weil sie ihre Maschinen und Anlagen intensiver nutzen. Betriebe mit 100 bis 200 Kühen finden sich vor allem im Norden, in den Milchregionen am Niederrhein, in Ostfriesland oder Schleswig-Holstein. Auch dort gibt es kleine Milchbauern. Doch liegt der Schnitt in Schleswig-Holstein bei 62 Kühen je Hof, in Bayern sind es 25. Auch die Höfe im Norden sind vor allem Familienbetriebe.
Anders ist das in den östlichen Bundesländern. Hier sind Höfe mit mehreren Hundert oder gar Tausend Kühen der Normalfall. Organisiert sind sie nicht als Familienbetrieb, sondern als Kapitalgesellschaft. Nicht bäuerliches Denken zählt hier, sondern Rendite. Knapp tausend dieser Großbetriebe gibt es. Doch lebt hier bereits jede achte deutsche Milchkuh. Auch diese Tiere verbringen den Tag im Laufstall und werden zweimal täglich gemolken. Nur hat ein solcher Betrieb angestellte Melker, der Melkstand ist von frühmorgens bis abends in Betrieb. Das Futter wird im großen Stil selbst angebaut und alle Betriebsabläufe sind optimiert. Einer der größten Milchproduzenten in Deutschland ist der Niederländer Gerrit Vrieling. Er hat 2005 der Stadt Berlin einen Teil ihrer - einst volkseigenen - Milchbetriebe abgekauft. Die Stadtgut Berlin Süd Vrieling KG hält auf ihren zwei Standorten 3.000 Milchkühe sowie 2.800 Jungtiere und beschäftigt 70 Mitarbeiter. "Wir brauchen etwa 30 Cent pro Liter Milch, um wirtschaftlich arbeiten zu können", sagt Vrieling. 2009 habe er zeitweise zehn Cent pro Liter draufgezahlt. "Wir haben ein paar Millionen verbrannt, in diesem Jahr." Kein Milchbauer, ob klein oder riesengroß, hat im letzten Jahr Geld verdient.
Der Weltmarkt bestimmt die Preise
Die EU hat in den vergangenen Jahren den Milchmarkt liberalisiert. Jetzt bestimmt der Weltmarkt, wie viel Geld bei den deutschen Milchbauern ankommt. Früher war das anders: 1984 hatte die EU Milchquoten eingeführt, um die überschäumende Milchproduktion einzudämmen. Jeder Mitgliedsstaat erhielt eine feste Produktionsmenge zugewiesen. Überschüsse, die sich nicht absetzen ließen, kaufte die EU zu festgelegten Interventionspreisen auf. So entstanden die bekannten Butterberge und Milchseen. Dieses System, verbunden mit einer Abschottung durch Zölle, sorgte für relativ stabile Milchpreise um die 30 Cent.
Auf Druck der Welthandelsorganisation beschloss die EU in den Jahren 2000 und 2003, die Interventionspreise auf 21 Cent zu senken, den Außenschutz abzubauen und die Milchquoten 2015 auslaufen zu lassen. Direktzahlungen an die Erzeuger und lange Übergangsfristen sollten die Ankoppelung an den Weltmarkt abfedern. Das Milchgeld sank von 33 Cent im BSE-Jahr 2003 auf 28 Cent im Frühjahr 2007. Plötzlich schoss der Milchpreis dann binnen weniger Monate hoch auf 43 Cent im November 2007. Eine Ausnahmesituation sei das gewesen, sagt Monika Wohlfarth, Geschäftsführerin der Zentrale Milchmarkt Berichterstattung GmbH (ZMB), und nennt dafür mehrere Faktoren: Die steigende Nachfrage nach Milchprodukten in Asien traf zusammen mit einer Dürre im Milchexportland Australien sowie leeren Interventionslagern in der EU und anderswo. Deshalb fehlten auf dem Weltmarkt schätzungsweise rund zwei Millionen Tonnen Milch. Weil der Weltmilchmarkt gemessen an der weltweit produzierten Milchmenge sehr klein ist, ließ diese vergleichsweise kleine Fehlmenge die Preise explodieren. "Das hat auch die Milchpreise in Deutschland mitgezogen", so Monika Wohlfarth.
Ebenso schnell ging es bergab. Durch die hohen Preise wuchs die weltweite Nachfrage nicht mehr so schnell. Die Wirtschaftskrise verstärkte dies noch. Gleichzeitig hatten viele Landwirte die Produktion ausgeweitet. "2008 stieg die Milchproduktion weltweit um 17 bis 19 Millionen Tonnen, während die globale Gesamtnachfrage für Milch nur um zehn Millionen Tonnen zulegte", rechnet Torsten Hemme vom IFCN Dairy Research Centre an der Universität Kiel vor. Der Weltmarktpreis verfiel und zog auch die deutschen Milchpreise nach unten.
Angesichts des Milchüberschusses konnten die fünf großen Handelsketten den Molkereien ihre Vorstellungen diktieren. Die hatten nur die Alternative, an die EU zu verkaufen - zu einem Interventionspreis von 21 Cent. Soweit sanken auch die Preise im Frühjahr 2009. Inzwischen erholt sich der Weltmilchmarkt wieder. Die Erzeugerpreise für die Bauern sind seit dem Sommer leicht gestiegen. Wie weit der Anstieg geht und wie lange er anhält, ist allerdings offen. Einig sind die Experten darin, dass sich alle Beteiligten an Achterbahnfahrten der Milchpreise gewöhnen müssen. Dabei wird es noch viele Milchbauern aus der Kurve tragen. "Mehr Landwirte als bisher werden aus der Produktion ausscheiden", prognostiziert Torsten Hemme.
Die Zukunft: Regionen ohne Milchkühe
Diese Angst treibt viele Bauern um, auch Thomas Bertl. Wie soll er auf Dauer gegen Großbetriebe bestehen, die ihre Milch für 30 Cent erzeugen können. Im Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) kämpft er gegen die vollständige Liberalisierung des Milchmarktes. Der BDM will die Produktionsmengen flexibel regulieren und preisdrückende Überschüsse verhindern. Doch die Politik lehnt eine solche Mengensteuerung ab. "In einem international vernetzten Milchmarkt muss jede Art der nationalen Mengensteuerung ein Schuss in den Ofen werden", sekundiert Milchmarktexperte Hemme. Er geht davon aus, dass sich die Milcherzeugung in Deutschland auf die besten Standorte im Norden und im Süden der Republik konzentrieren wird und auf Betriebe, die wachsen.
Für Regionen, deren Bauern nicht mithalten können, empfiehlt er "eine Kombination aus Ausstiegsprogrammen und Agrarumweltprogrammen, die eine Aufrechterhaltung des Landschaftsbildes - möglichst produktionsneutral und ohne Milchkühe - zum Ziel haben". Doch Thomas Bertl will kein bezahlter Landschaftspfleger werden. Seit 1710 arbeitet seine Familie auf dem "Heiß"-Hof. Er ist stolz auf seine Milch und sie während des Milchstreiks vierzehn Tage lang in den Gully zu schütten "hat sehr wehgetan". Doch anders wussten er und seine Kollegen sich nicht zu helfen. Dabei wollen sie nur eines. Einen Milchpreis, von dem sie leben können.
Faire Milch - ein Feigenblatt?
"Ein Herz für Erzeuger" steht auf der H-Milch des Discounters Netto. Sie kostet (im November 2009) 58 Cent statt 48 Cent, wie die übliche Discountermilch daneben. "Unsere Kontrolle der vollständigen Unterlagen, insbesondere auch Lieferscheine, Rechnungen und Zahlungsbelege, hat ergeben, dass die Weitergabe der zusätzlich eingenommenen zehn Cent pro Liter Milch an die Milchbauern in voller Höhe sichergestellt ist", versichert ein Regensburger Anwalt auf der Homepage des zum Edeka-Konzerns gehörenden Discounters. Ähnliche Fair-Milch-Projekte gibt es regional auch bei Edeka und Rewe. "Der Umsatzanteil der ‚Ein Herz für Erzeuger'-Milch liegt bei gut zehn Prozent des Gesamtumsatzes der Netto-Trinkmilch", bilanziert Netto-Pressesprecherin Christina Stylianou. Das klingt gut. Doch in der Praxis wird der Aufschlag gerechterweise auf alle Bauern aufgeteilt, die Trinkmilch an Netto liefern. Sie bekommen dadurch etwa einen Cent zusätzlich. Wäre es da nicht sinnvoller, Netto würde den Molkereien und den Bauern anständige Preise zahlen? "Wir müssen uns mit den Preisen branchenkonform am Markt orientieren", umschreibt Christina Stylianou den harten Konkurrenzkampf zwischen den Discountern. "Da wollen wir mit unseren Ein-Herz-für-Erzeuger-Produkten einen Beitrag für die Landwirtschaft leisten."
Aus der Mode: Schulmilch
Seit Jahren subventioniert die EU die Abgabe von Milch in Schulen. Rund 50 Millionen Euro lässt sie sich das jährlich kosten. Doch immer weniger Schüler greifen zum weißen Pausengetränk. Für 9,3 Millionen Euro erforscht derzeit das Bundesverbraucherministerium an 600 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen, wie sich der Absatz von Schulmilch steigern lässt.
Weidemilch statt Höfesterben
Die Genossenschaftsmolkerei Breisgaumilch in Freiburg verkauft seit Mai 2009 die Milch von Bauernhöfen aus den Hochlagen des Schwarzwalds als "Weidemilch". Nach Angaben der Molkerei ist die Milch frei von Gen-Technik und hat wegen des Weidegangs einen höheren Anteil von Omega-3-Fettsäuren. Im Geschäft kostet sie deshalb bis zu 99 Cent je Liter. Die Bauern bekommen allerdings nur einen halben Cent mehr je Liter.
Milchpulver statt Kleinbauern
Billiges Milchpulver aus der EU ruiniert Kleinbauern in Westafrika. Darauf hat die Entwicklungsorganisation Brot für die Welt am Beispiel von Kamerun aufmerksam gemacht. Dort ist aus EU-Milchpulver aufgerührte Milch billiger als die von Kleinbauern erzeugte Frischmilch. Die Bauern verlieren dadurch ihre lokalen Märkte und das überlebenswichtige Zusatzeinkommen an europäische Milchkonzerne wie Nestlé und Friesland.
Helfen 500 Millionen Euro?
Um den Milchbauern zu helfen, will die Bundesregierung 500 Millionen Euro zusätzlich als Grünlandprämie auszahlen. 2010 und 2011 soll jeder Milcherzeuger rund 37 Euro je Hektar und 20 Euro je Kuh erhalten. Nach Ansicht des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter beseitigen die Hilfen nicht die Ursache der Milchkrise, sondern federn nur ihre Auswirkungen ab. Auf einen Betrieb umgerechnet entspricht die Grünlandprämie einer Preiserhöhung von weniger als einem Cent je Liter.
Bio: Mehr Weide -mehr Geld
Das Futter: Bio-Kühe haben ein Recht auf Weidegang "wann immer die Umstände dies gestatten", steht in der EU-Öko-Verordnung. Weil die Kühe mehr grasen, enthält Bio-Milch mehr Omega-3-Fettsäuren und Vitamin E. Es gibt aber auch Betriebe, die sich auf einen Auslauf rund um den Laufstall beschränken. Auch Bio-Kühe liefern heute zwischen 6.000 und 9.000 Liter Milch jährlich. Dafür bekommen sie Kraftfutter, das aber aus Öko-Anbau stammen muss. Die Kraft-Ration ist zudem beschränkt, denn 60 Prozent des Futters müssen aus "frischem, getrocknetem oder siliertem Raufutter" bestehen, also aus Heu oder Gras.
Die Haltung: Bio-Milchbetriebe gibt es in allen Größenordnungen. Zahlreiche kleine Erzeuger haben noch Anbindeställe, obwohl diese nur ausnahmsweise zugelassen sind. Das aber noch bis 2013. Probleme mit Euterentzündungen und anderen Erkrankungen haben Bio-Bauern ebenso wie ihre konventionellen Kollegen. Allerdings werden ihre Tiere im Schnitt etwas älter.
Die Preise: Für den erhöhten Aufwand beim Futter und beim Weidegang erhalten Bio-Bauern einen Aufschlag. 38 Cent bekam ein Bio-Bauer im Oktober 2009 im Durchschnitt für den Liter Milch. Das waren rund 13 Cent mehr als die konventionellen Kollegen. Deshalb leiden die Bio-Bauern nicht so stark unter der derzeitigen Krise. Doch den meisten Bio-Betrieben reichen 38 Cent nicht, um die Kosten zu decken. Bei ihnen gilt ein Erzeugerpreis von 50 Cent, wie er Anfang 2008 gezahlt wurde, als fair. So viel lässt sich derzeit aber nicht erzielen, weil der niedrige konventionelle Milchpreis auch die Bio-Preise unter Druck setzt.