Seit 2011 müssen die Versicherer eine sogenannte Zinszusatzreserve bilden. Das ist eine reine Vorsorgemaßnahme für den Fall, dass die momentane Niedrigzinsphase noch für weitere zehn Jahre anhält und die Kapitalerträge der Versicherer dann eventuell nicht mehr ausreichen, um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen. Die Einführung erfolgte übrigens auf Wunsch der Branche selbst. Sie wollte möglichst frühzeitig Sicherheitspuffer aufbauen und dieses Geld zugleich möglichst lange in den Büchern halten. Deshalb hatte die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) seinerzeit eine - aus Sicht der Branche - clevere Idee: Statt den neuen, zusätzlichen Sicherheitspuffer in den üblichen Reservetöpfen zu verbuchen, werden die Mittel für die Zinszusatzreserve gar nicht als Rücklage in der Bilanz verbucht, sondern gleich auf der Verpflichtungsseite. "Buchhalterisch wird so getan, als würden die Mittel schon heute unbedingt für die Kundenleistung benötigt. Dadurch stellen die Unternehmen ihre wirtschaftliche Lage schlechter da als sie ist", schrieb ÖKO-TEST und wies darauf hin, dass die Regeln zur Bildung der Zinszusatzreserve für die Versicherer zugleich ein prima Modell sind, Steuern zu sparen und zudem fast ausschließlich die Kunden zur Finanzierung dieses Reservetopfes zur Kasse zu bitten (ÖKO-TEST-Magazin 2/2014). Wir entdeckten aber auch einen - von der Branche wenig beachteten - Haken: Weil die Zinszusatzreserve nicht als Gewinnreserve verbucht wird, sondern die Verpflichtungen erhöht, benötigen die Versicherer automatisch mehr Eigenmittel. "Der Versuch der Versicherer, sich auf Kosten der Kunden arm zu rechnen, ist ein Schuss, der nach hinten losgehen kann", warnte ÖKO-TEST frühzeitig. Das räumt inzwischen auch der DAV ein und gibt sogar zu, sich seinerzeit bei der Formel zur Berechnung der Zinszusatzreserve "vertan" zu haben. Nach den geltenden Regeln muss die Branche nämlich immer gewaltigere Beträge in den Reservetopf stecken. Ende 2014 waren es branchenweit bereits insgesamt 21 Milliarden Euro. Nach Schätzungen der Kölner Versicherungsratingagentur Assekurata kommt in diesem Jahr ein weiterer Rekordbetrag von 12 bis 14 Milliarden Euro hinzu. Macht insgesamt 35 Milliarden Euro. Dauern die Niedrigzinsen weitere zehn Jahre an, müsste die Zinszusatzreserve bis 2024 womöglich auf sagenhafte 150 Milliarden Euro anschwellen. Das entspricht dann dem 10,5-Fachen des Eigenkapitals der Versicherer. Derart üppige Reserven sind aber kaum zu finanzieren. "Die Probleme der Niedrigzinsphase werden durch die Zinszusatzreserve eher verstärkt als gelöst", warnte ÖKO-TEST Anfang des Jahres. Mittlerweile ist auch die Branche in Aufruhr. Denn sie fürchtet Finanzierungsengpässe, insbesondere weil nach den ab 2016 geltenden Vorschriften (Solvency II) weit mehr Eigenkapital aufgebaut werden muss als bisher. "Zinszusatzreserve - Fluch oder Segen", fragt Assekurata daher in einer aktuellen Studie und macht sich ebenso wie der Gesamtverband der Versichere...
Reaktionen: Lebensversicherungen
Branche dfordert Lockerung der Zinszusatzreserve
ÖKO-TEST Juli 2015 | | Kategorie: Geld und Recht | 26.06.2015