- Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel gegen Gelenkschmerzen enthalten häufig die Wirkstoffe Glucosamin und Chondroitin.
- Es gibt jedoch keine ausreichenden Belege dafür, dass diese Bestandteile einen Gelenkverschleiß aufhalten oder rückgängig machen können.
- Von den 15 Produkten im Test können wir keines empfehlen, die besten Mittel erhalten die Gesamtbewertung "ausreichend".
Die Gelenke verschleißen im Laufe des Lebens, was der eine früher, der andere später zu spüren bekommt. Veranlagung spielt ebenso eine Rolle wie einseitige Be- und Überlastung, Übergewicht und zu wenig Bewegung. Der Knorpel, der für Beweglichkeit sorgt, erweicht, bekommt Risse, wird abgerieben und abgerieben, bis irgendwann die Knochen blank liegen und die Gelenke knirschen.
Glucosamin und Chondroitin bilden Knorpel
Verbindungen aus Zuckern und Eiweißen, sogenannte Proteoglykane, bilden die Grundsubstanz des Knorpels. Zu ihren Bausteinen zählen Glucosamin und Chondroitin. Wenn nun der Knorpel schwindet, müsste man ihn doch durch Zufuhr seiner Bestandteile wieder aufpäppeln können, dachte sich der Amerikaner Jason Theodosakis und veröffentlichte 1996 sein Buch "The Arthritis Cure". Es erschien 1997 auch auf Deutsch unter dem vollmundigen Titel "Die Arthrose-Kur: Endlich ist Heilung möglich".
Die Idee klang nicht schlecht und fiel auf fruchtbaren Boden: Zum einen leiden Millionen von Menschen an schmerzhafter Arthrose, zum anderen haben Ärzte ihren Patienten wenig mehr zu bieten als Schmerzmittel und entzündungshemmende Kortisonspritzen.
Größere Untersuchungen ernüchterten
Erste Studien brachten vielversprechende Ergebnisse. Doch spätere, größere Untersuchungen, deren Augenmerk sich speziell auf Patienten mit Arthrose und die Parameter Schmerz und Gelenkfunktion richtete, waren ernüchternd.
Ein Meilenstein war die 2006 veröffentlichte GAIT-Studie mit knapp 1.600 Teilnehmern. In dieser Untersuchung erbrachte die Einnahme von Glucosamin allein oder in Kombination mit Chondroitin keinen Vorteil gegenüber einem Placebo. Allenfalls in einer Untergruppe von Patienten mit mittelschweren bis schweren Schmerzen waren Verbesserungen der Symptome erkennbar.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat Therapieempfehlungen zur Behandlung degenerativer Gelenkerkrankungen veröffentlicht. Auch sie kommt darin zu dem Schluss, dass derzeit keine klinischen Studien vorliegen, in denen nachweislich gezeigt werden konnte, dass Glucosamin allein oder in Kombination mit Chondroitin verschleißbedingte Veränderungen verlangsamen oder gar umkehren kann.
Nahrungsergänzungsmittel mit Glucosamin, Chondroitin & Co.
Nun ist es eine Sache, wenn eine Substanz als Arzneimittel wirken und so Symptome lindern sowie Krankheiten heilen soll. Dann wird sie, in der Regel in hoher Dosierung, gezielt verabreicht, um eine Heilwirkung zu erzielen.
Was aber, wenn dieser Stoff in geringerer Dosierung als Lebensmittel in Verkehr gebracht wird – zum Beispiel als Nahrungsergänzungsmittel? Kann derselbe Wirkstoff dann auch den Gesunden vor den gleichen Beschwerden bewahren?
Die Anbieter von glucosamin- und chondroitinhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln oder auch Kollagenpräparaten verwendeten lange entsprechende gesundheitsbezogenen Angaben, sogenannte "Health Claims". So stand beispielsweise auf der Verpackung: "Hilft, gesunde Gelenke zu erhalten", "unterstützt die Mobilität" oder "Kollagen macht die Gelenke beweglich und geschmeidig".
Nicht alle Gesundheits-Aussagen zulässig
Im Rahmen der Überprüfung und Bewertung dieser "Health Claims" ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) rigoros vorgegangen. Seit dem 14. Dezember 2012 dürfen Lebensmittelhersteller nur noch 222 bestimmte 'Health Claims' verwenden – mehrheitlich Aussagen zu Vitaminen und Mineralstoffen.
Bei den zulässigen Health Claims handelt es sich zumeist um hinlänglich bekanntes Lehrbuchwissen, beispielsweise: "Fluorid trägt zur Erhaltung der Zahnmineralisierung bei", "Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt" oder "Thiamin (Vitamin B1) trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei".
Die EFSA verneinte im gleichen Zug rund 1.600 andere gesundheitsbezogene Angaben, unter anderem, weil die beanspruchten Behauptungen nicht ausreichend belegt waren.
Dies traf auch die Aussagen zur Gelenkgesundheit durch Glucosamin und Chondroitin: Weder seien Arthrosepatienten repräsentativ für die allgemeine Bevölkerung noch könnten Studienergebnisse, die an Arthrosepatienten gewonnen wurden, auf den Erhalt normaler Gelenke hochgerechnet werden, wie es in einer Stellungnahme der EFSA heißt.
Gelenkmittel wechselten das Gewand
Wer nun glaubt, die Zeit der glucosamin-haltigen Nahrungsergänzungsmittel sei damit abgelaufen, irrt. Etliche Produkte sind mit fast unveränderter Zusammensetzung weiterhin im Handel und wurden lediglich mit (mehr oder weniger vielen) Vitalstoffen aufgepeppt. Da trifft es sich gut, dass es nun beispielsweise zulässig ist, zu schreiben: "Vitamin C trägt zu einer normalen Kollagenbildung für eine normale Knorpelfunktion bei."
Dem Umsatz hat die Diskussion um die Health Claims bei den Gelenkpräparaten anscheinend nicht geschadet: Gut 100 Millionen Euro haben die Verbraucher nach Angaben des Gesundheitsdienstleisters IMS Health im vergangenen Jahr für rezeptfreie Arzneimittel und Nichtarzneimittel mit Glucosamin, Chondroitin, Hyaluronsäure, Grünlippmuschelpulver oder Gelatine ausgegeben.
Mittel gegen Gelenkschmerzen: Testergebnis
Grund genug, uns die Produkte nochmals näher anzusehen. Wir haben deshalb sieben Arzneimittel mit dem Wirkstoff Glucosamin sowie acht Nahrungsergänzungsmittel getestet, die aufgrund ihrer Aufmachung einen Nutzen für den Gelenkknorpel andeuten.
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Dabei haben wir einiges zu bemängeln, nicht nur die unklare Datenlage zur therapeutischen Wirkung von Glucosamin bei Arthrose-Patienten. In der Gebrauchsinformation eines Arzneimittels und einiger Nahrungsergänzungsmittel wird beispielsweise nicht darauf hingewiesen, dass Kinder und Jugendliche diese nicht einnehmen sollten, weil nicht genügend Daten dazu vorliegen, ob sie in dieser Altersgruppe überhaupt unbedenklich sind.
Vitamin C als überflüssiger Lückenbüßer
In vielen Produkten hat sich zwar die Zusammensetzung praktisch nicht verändert, dafür soll es jetzt Vitamin C richten – mithilfe des zulässigen Health Claims, dass das saure Vitamin die normale Kollagenbildung unterstützt, die für den Knorpel wichtig ist. Was nicht verraten wird: Die dafür benötigte Menge Vitamin C kann leicht mit einer ausgewogenen Ernährung erreicht werden.
Unnötiges Kupfer, Mangan oder Zink
Auch überflüssige Spurenelemente finden sich in einigen Mitteln. "Aufgrund der guten Versorgungslage der hiesigen Bevölkerung mit Kupfer" beziehungsweise weil "kein Hinweis auf einen unzureichenden Versorgungsstatus an Mangan vorliegt", sollten die beiden Spurenelemente nach einer Empfehlung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) nicht in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sein. Zwei Anbieter schert das wenig. Andere Ergänzungsmittel enthalten mehr Zink, Vitamin E oder Selen als vom BfR empfohlen.
Fehlende Warnhinweise bei zwei Produkten
Patienten, die blutgerinnungshemmende Mittel vom Typ der Cumarine einnehmen, sollten kein Glucosamin schlucken. Es besteht das Risiko, dass die gerinnungshemmende Wirkung verstärkt wird, was zu unerwünschten und gefährlichen Blutungen führen kann. Einen entsprechenden Warnhinweis vermissen wir bei zwei Produkten.
Vitamin D hilft nicht bei Gelenkschmerzen
Leider sind uns auch keine anderen Wundermittel gegen Gelenkschmerzen bekannt. "Vitamin D trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei", so lautet ein weiterer zulässiger Health Claim.
Aber: Gegen Arthroseschmerzen im Knie hilft auch dieses Vitamin nicht, wie Wissenschaftler um den Rheumatologen Timothy McAlindon festgestellt haben: Nach zwei Jahren täglicher Einnahme von 50 Mikrogramm Vitamin D zeigten sich bei den Probanden in der Studie weder im Hinblick auf die Schmerzreduktion noch auf den fortschreitenden Knorpelabbau signifikante Unterschiede zur Placebogruppe.
ÖKO-TEST rät
- Übergewicht stellt die größte Belastung für die Gelenke dar. Gleichmäßige Bewegungen wie Radfahren, Wandern in der Ebene, Schwimmen oder Wassergymnastik halten die Gelenke in Schuss und helfen beim Abnehmen.
- Wer es bei arthrosebedingten Kniebeschwerden – trotz der wenig überzeugenden Studienlage – mit einem glucosaminhaltigen Arzneimittel versuchen will, braucht Geduld, denn anders als Schmerzmittel wirken sie nicht sofort.
- Ist nach drei Monaten kein Effekt feststellbar, können sie getrost abgesetzt werden.
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