- Im Test: 17 Lippenpflegestifte mit UV-Schutz, darunter zwei Naturkosmetikprodukte.
- Sechs Produkte sind mit "sehr gut" rundum empfehlenswert.
- Einige Lippenpflegestifte mit UV-Schutz im Test enthalten bedenkliche UV-Filter und weitere Problemstoffe.
Aktualisiert am 08.12.2022 | Der Schnee glitzert, die Sonne scheint, die Piste ist frei – wenn der Winter sich von dieser schönen Seite zeigt, ist UV-Schutz dringend angesagt. Denn die Schneekristalle verstärken die Wirkung der Sonne. Gerade an den Lippen, die kaum Eigenschutz gegen UV-Strahlen besitzen, ist die Gefahr für Sonnenbrand besonders hoch.
Ein Lippenpflegestift mit UV-Schutz ist dann eine praktische Sache, denn er ist schnell aus der Tasche gezogen und schützt die Lippen auch gleich vor dem Austrocknen. Allerdings verengt sich derzeit die Auswahl an UV-Filtern, die wir für diesen Einsatzzweck empfehlen können.
Das Problem mit UV-Filtern in Lippepflegestiften
Der Grund: Den mineralischen UV-Filter Titandioxid (TiO2) betrachten wir in neuem Licht, denn die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat ihn im Sommer 2021 für die orale Aufnahme über Lebensmittel als möglicherweise erbgutschädigend eingestuft.
Darum sollte auch Lippenpflege in unseren Augen vorsorglich auf Titandioxid verzichten. Denn einen Teil der Lippenkosmetik verschlucken wir: Bis zu 57 Milligramm pro Tag können es sein. Das sagen Berechnungen des für die Bewertung von Kosmetika zuständigen EU-Gremiums SCCS.
Kritik an Titandioxid in Lippenpflegestiften im Test
In unserem vorigen Test von Lippenpflegestiften mit UV-Schutz im Januar 2019 haben wir Titandioxid noch nicht abgewertet. Aber nun gerät der Stoff immer stärker in die Kritik.
Schon länger gilt TiO2 als kritisch, wenn es als ganz feiner Staub in Nano-Größe eingeatmet wird. Kosmetische Sprays dürfen deshalb keine Partikel enthalten, die kleiner sind als 100 Nanometer. In den vergangenen Jahren gab es dann auch immer mehr Hinweise auf eine Gesundheitsgefahr, wenn Titandioxid als Lebensmittelzusatz in den Darm gelangt.
Im Sommer 2021 prüfte die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit die Datenlage und kam zum Schluss, dass E171 – so der Name von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff – als "nicht sicher" eingestuft werden müsse. Weil bei derzeitiger Studienlage eine Genotoxizität des Stoffes zwar nicht bewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden könne. Klartext: E171 kann möglicherweise das Erbgut schädigen.
Sonnenschutz für Lippen: Lieber ohne Titandioxid
Inwieweit sich die Daten zu E171 auf kosmetisches Titandioxid übertragen lassen, ist bisher nicht geklärt. Die EFSA betont, in ihrer Bewertung die orale Aufnahme von Titandioxid aus Kosmetik nicht berücksichtigt zu haben. Dennoch halten wir es aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes für richtig, Titandioxid in Kosmetika, die teilweise verschluckt werden können, abzuwerten.
Insgesamt enthalten sieben Lippenpflegestifte im Test Titandioxid als UV-Filter oder als Farbstoff. Als Farbpigment taucht es in der Inhaltsstoffliste unter dem Namen CI 77891 auf, als UV-Filter steht es als Titanium Dioxide dort. Die höchsten Gehalte an TiO2 hat das beauftrage Labor übrigens in den beiden Naturkosmetik-Stiften gemessen.
Weiterer Kritikpunkt: Die Deklaration der mineralischen UV-Filter. Wenn mehr als die Hälfte der Titandioxid- oder Zinkoxid-Partikel in Nano-Größe vorliegt, müsste laut Kosmetik-Verordnung hinter den Stoffen der Zusatz "nano" in der Liste der Inhaltsstoffe stehen. Wir haben die Partikel im Labor nachmessen lassen. Demnach fehlt auf fünf Lippenpflegestiften die Auslobung "nano".
Chemische UV-Filter sind auch nicht unbedenklich
Bei aller Aufregung um Titandioxid: Mindestens ebenso kritisch sehen wir einige chemische UV-Filter in den Lippenpflegestiften. Diese Filter dringen in tiefere Hautschichten vor und wandeln dort die UV-Strahlen in Wärme um. Ein Teil der Filter gelangt dabei in die Blutbahn.
Das EU-Bewertungsgremium SCCS ist ständig dabei, neue Daten zum Gefahrenpotenzial der UV-Filter zu sichten. Ganz neu ist die Empfehlung, die zugelassene Höchstmenge des Filters Homosalat drastisch auf 0,5 Prozent herabzusetzen. Anlass sind neue Daten aus Tierversuchen, die auf eine mögliche Schädigung von Nieren, Leber und Schilddrüse hinweisen.
Unter dem Verdacht, wie ein Hormon zu wirken, steht Homosalat schon länger, ebenso wie einige andere UV-Filter: Für Ethylhexylmethoxycinnamat und Benzophenon-3 gibt es Hinweise aus Tierstudien, für Octocrylen aus Zellversuchen.
Weitere Problemstoffe in Lippenpflegestiften
Und damit ist die Liste der Stoffe, die wir in den Lippenpflegestiften bemängeln, noch lange nicht zu Ende:
- In zwei Produkten wies das beauftragte Labor halogenorganische Verbindungen nach. Viele Vertreter dieser Stoffgruppe können Allergien auslösen.
- Ein Pflegestift enthält Paraffine, also Fette aus der Erdölindustrie. Sie können sich in den Organen anreichern. Die Paraffine im untersuchten Produkt sind außerdem mit aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffen (MOAH) verunreinigt. Unter den MOAH können krebserregende Substanzen sein.
Die bedenklichen UV-Filter und die anderen Problemstoffe, auf die wir gestoßen sind, haben zur Folge, dass sechs Lippenpflegestifte mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch den Test fallen. Damit raten wir vom Kauf dieser Produkte ab. Sechs Produkte können wir aber auch mit Bestnote empfehlen.
Zinkoxid als UV-Schutz der Zukunft?
Weil Titandioxid in die Kritik geraten ist, weichen Hersteller nun vermehrt auf den zweiten zugelassenen mineralischen UV-Filter Zinkoxid aus. Gerade in der Naturkosmetik ist er wichtig, da chemische UV-Filter hier tabu sind.
Eins zu eins gegeneinander austauschen lassen sich die Filter jedoch nicht. Zinkoxid hat seine Stärken in der Streuung der langwelligen UVA-Strahlen. Es schützt gegen die kurzwellige UVB-Strahlung aber sehr viel schwächer als Titandioxid.
Lange war deshalb ein sehr hoher mineralischer UV-Schutz ohne Titandioxid gar nicht machbar. Seit wenigen Jahren sind aber neue verbesserte Zinkoxid-Filter auf dem Markt, die sogar Lichtschutzfaktor 50 erreichen. Dafür muss Zink dann jedoch sehr hoch konzentriert werden – nahe der zugelassenen Höchstmenge von 25 Prozent. Zink hat außerdem in höheren Konzentrationen eine gewisse austrocknende Wirkung. In Windelcremes ist genau das erwünscht – in Lippenpflege nicht.
Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 1/2022 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kosmetik für 2023 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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