Ob Schwalbe auf der Schulter oder legendäres Arschgeweih: Dass es – je nach Körperstelle mehr oder weniger – weh tut, sich ein Tattoo stechen zu lassen, wissen die meisten und nehmen es in Kauf. Dagegen verschließen viele die Augen vor der Tatsache, dass die trendige Körperkunst auch gesundheitliche Risiken birgt. Mögliche Allergien, Infektionen oder Narben im Zusammenhang mit Tattoos spielen für viele Menschen eine untergeordnete Rolle.
Nach einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hält die Hälfte der Deutschen die Risiken der bleibenden Körperbemalung für "eher niedrig". Unter bereits Tätowierten sind es sogar 87 Prozent.
Wenig bekannt über Langzeitfolgen von Tätowierungen
Weit weniger als über die Statistik ist über die Langzeitfolgen von Tätowierungen bekannt. Wie sich die Farben, die mit bis zu 10.000 Stichen pro Minute in die Lederhaut (Dermis) injiziert werden, im Körper verhalten und was sie dort auf lange Sicht anrichten, ist bislang nur wenig erforscht.
Aber es tut sich was. So fand im November 2021 in Berlin die zweite internationale Konferenz zur Sicherheit von Tätowiermitteln statt, die der Frage nachging, ob Tattoos "nur Körperschmuck sind oder ein Risiko, das unter die Haut geht". Um mehr darüber herauszufinden, arbeitet unter anderen das BfR derzeit gemeinsam mit der Charité Berlin an einer neuen Studie mit Humandaten.
Die Tattoo-Farbe wandert im Körper
Was man inzwischen aber weiß ist, dass nur ein Teil der Farbe dort bleibt, wo sie unter die Haut gestochen wurde. Ein anderer Teil wandert im Körper und lagert sich etwa in den nächstgelegenen Lymphknoten ab, die dauerhaft gefärbt bleiben.
Auch in anderen Organen des Körpers wie der Leber wurden schon Tattoofarben nachgewiesen. "Denn die Haut versucht, die als Fremdkörpermaterial erkannte Farbe wieder loszuwerden und transportiert sie über Blutgefäße oder das Lymphsystem ab", erläutert Professor Wolfgang Bäumler vom Uniklinikum Regensburg (UKR) in einem Radiobeitrag, der über die Mediathek des UKR abrufbar ist.
Der Medizinphysiker hat sich als einer der Ersten schon vor Jahren mit den gesundheitlichen Risiken von Tätowierungen beschäftigt und warnt: "Ein Teil der Farbe bleibt für immer im Körper, selbst wenn das Tattoo mit der Zeit verblasst oder entfernt wird." Was aber damit passiere, könne noch keiner genau sagen.
Infektionen oder allergische Reaktionen möglich
Einige gesundheitliche Folgen können jedoch schon kurz nach einer Tätowierung auftreten. Dazu zählen Infektionen – verursacht durch mikrobielle Verunreinigungen der Tätowierfarben oder mangelnde Hygiene im Tattoo-Studio – oder allergische Reaktionen.
Wie häufig das der Fall ist, lässt sich nur "ganz schwer beantworten", sagt Dr. Steffen Schubert vom IVDK, dem Informationsverbund Dermatologischer Kliniken. "Schätzungen haben ergeben, dass jährlich etwa 400 Patienten in Deutschland nach einer Unverträglichkeitsreaktion an Tattoos mit einem allergischen Kontaktekzem diagnostiziert werden. Diese Zahl ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, da sie der Hochrechnung eines sehr kleinen Datensatzes entstammt. Ich gehe gleichzeitig von einer gewissen Dunkelziffer aus."
In Deutschland ist mittlerweile jeder Fünfte tätowiert, unter jungen Frauen zwischen 25 und 34 Jahren ist es sogar jede zweite. Das heißt, rund 16 Millionen Menschen tragen mindestens ein Tattoo und damit potenziell das Risiko, allergisch auf die Körperkunst zu reagieren.
Das Problem mit synthetischen Pigmenten
Rote Tattoos führen am häufigsten zu allergischen Komplikationen. Synthetische Pigmente können laut Schubert "teilweise auch um Jahre verzögert" schwere allergische Reaktionen auslösen. Das Allergierisiko von schwarzen Tätowierungen schätzt der Experte dagegen als wesentlich geringer ein.
Doch es liegt nicht immer an den Farbpigmenten, wenn der Körper allergisch reagiert. Infrage kommen auch lösliche Bestandteile in Tätowierfarben. "Die können eher milde Ekzeme verursachen, die allerdings nicht nur auf das tätowierte Hautareal beschränkt bleiben", so Schubert, der eine Tattoo-Studie am IVDK leitet.
Farben bestehen teils aus über 100 Substanzen
Welcher Stoff jeweils für die allergischen Reaktionen verantwortlich war, lässt sich im Nachhinein kaum bestimmen, da Tattoofarben zum Teil aus weit über 100 Einzelsubstanzen bestehen.
Neben dem farbgebenden Pigment etwa auch Emulgatoren, Löse- und Bindemittel, bedenkliche Konservierungsstoffe wie Methylisothiazolinon oder Parabene, Metalle wie Chrom, Nickel oder Kobalt, aber auch Verunreinigungen wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK). Welche das im Einzelfall sind, wissen auch Tätowierende meist nicht, da sie in der Regel fertig gemischte Tinten beziehen, deren Herstellung bislang wenig reguliert war.
Neue EU-Verordnung verbietet so manche Substanz
Doch seit Jahresbeginn dürfen viele der Tattoofarben nicht mehr unter die Haut. Anfang Januar trat eine EU-Verordnung in Kraft, die jene rund 4.200 Substanzen reguliert, die bis dahin in Tätowiermitteln vorkommen konnten. Manche der Verbindungen sind künftig nur noch in Kleinstmengen erlaubt; komplett verboten werden Stoffe, die nachgewiesenermaßen krebserzeugend, erbgutschädigend oder entwicklungstoxisch sind.
Für Januar 2023 ist zudem das Aus für die Pigmente Blau 15 und Grün 7 beschlossen. Das heißt: Die Farbpalette für Tattoos ist drastisch eingeschränkt, da zahlreiche bunte Pigmente unter das Verbot fallen. Bisher entsprechen offenbar nur Schwarz, Weiß und Grautöne den neuen Regelungen.
Auch Tätowiernadeln können Allergien auslösen
Ein Risiko für Allergien geht aber nicht nur von den Bestandteilen der Tattoofarben aus. Offenbar können auch Tätowiernadeln Allergien auslösen. Die bestehen zwar aus Stahl. Aber um sie korrosions- und säurebeständig zu machen, sind ihnen Nickel und Chrom beigefügt – zwei häufige Kontaktallergene. Das BfR hat herausgefunden, dass sich beim Stechen aus den Nadeln Mikro- und Nanoteilchen aus Nickel und Chrom lösen – wenn die Tätowier-Tinte Titandioxid enthält.
Bislang waren Forschende davon ausgegangen, dass vor allem mit Schwermetallen verunreinigte Farbpigmente für Tattoo-Allergien verantwortlich sind. Die Studien hätten aber gezeigt, dass Nickel und andere Schwermetalle aus Tätowiernadeln in den Körper gelangen und dort allergische Reaktionen auslösen können.
Winzige Latexpartikel können unter Haut gelangen
Für Latexallergiker können zudem die im Tattoostudio verwendeten Einmalhandschuhe zum Risiko werden, da beim Tätowieren winzige Latexpartikel unter die Haut geraten können. Sie sollten sich also vor dem Stechen unbedingt nach deren Material erkundigen. Ohnehin raten Fachleute Menschen, die zu Allergien oder Ekzemen neigen, davon ab, sich tätowieren zu lassen.
Doch selbst wenn jemand seine Körperkunstwerke wieder loswerden will, ist das nicht ganz undenklich. Beim chirurgischen Entfernen der tätowierten Hautareale kann es zu Infektionen und Narben kommen. Und wenn Tattoos per Laser entfernt werden, zerfallen die Pigmente in teilweise bedenkliche Bestandteile wie Blausäure oder Benzol – Stoffe mit hohem toxischem Potenzial.
Vorsicht ist in jedem Fall geboten. Nicht nur, weil die Körperkunst noch Jahre nach dem Stechen Allergien auslösen kann. Sondern auch, weil der Abschied von den bunten Motiven durchaus riskant ist.
Allergische Reaktion durch Henna-Tattoos?
Vorsicht vor Henna-Tattoos. Auch die temporären Kunstwerke können allergische Reaktionen hervorrufen, warnt die Europäische Stiftung für Allergieforschung (ECARF). Problem ist dabei nicht das Henna selbst, das aus den Blättern des Henna-Strauchs gewonnen und als Pulver mit Wasser zu einer braunen Paste verrührt wird. Sondern der schwarze Farbstoff p-Phenylendiamin (PPD), der als starkes Kontaktallergen gilt.
Er wird der Henna-Paste häufig zugesetzt, um die Einwirkzeit abzukürzen und die Farbe intensiver leuchten zu lassen. Im Fall einer allergischen Reaktion, so ECARF, kann frühestens 24 bis 72 Stunden nach dem Farbauftrag die Haut anschwellen, sich röten und jucken. Oft entstehen auch Bläschen, die aufplatzen, nässen und beim Abheilen möglicherweise Narben hinterlassen. Aber selbst wenn sich die Haut nicht entzündet, kann ein Henna- Tattoo zum Auslöser einer Allergie gegen PPD werden.
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