Eine schriftliche Anfrage von ÖKO-TEST zu einem Kosmetiklabel? Die Verwirrung unter den 24 angeschriebenen Herstellern war beträchtlich. Warum will ÖKO-TEST wissen, welche Prüfungen hinter dem Label stecken? Wie wird geantwortet, ohne allzu viel preiszugeben? Es beginnt ein Taktieren und Lavieren. Dermatologisch geprüft? Sicher, das steht auf der Verpackung, aber die Drogeriekette Müller bittet um Verständnis dafür, "dass wir aufgrund unserer vertraulichen Lieferantenbeziehungen sowie aus haftungsbedingten Gründen keine Details zu Richtlinien, Gestaltung oder Kontrollen der Auslobungen an Dritte weitergeben können". Andere verraten etwas mehr, von Tests durch "anerkannte und erfahrene Dermatologen" ist die Rede oder von Untersuchungen durch "renommierte, unabhängige Testinstitute". Nur wenige aber legen das entsprechende Gutachten vor oder nennen die Prüfer beim Namen.
Warum diese Geheimniskrämerei? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Die meisten Label sagen wenig aus. Dermatologisch getestet heißt nämlich nur, dass es einen Test gegeben hat - aber wie der ausgefallen ist, bleibt offen. Labels mit "Dermatologisch getestet" dienen vor allem dem Marketing. Natürlich ist es bei seriösen Firmen durchaus üblich, Tests auf Verträglichkeit machen zu lassen, bevor ein Produkt auf den Markt kommt. Allerdings gibt es keine einheitlichen Standards, die erfüllt werden müssten.
Die Firma Dermatest im westfälischen Münster ist eines der Institute, die für große Kosmetikfirmen Tests zur Hautverträglichkeit machen. Ihr Name taucht auch in den Antwortschreiben der Hersteller häufiger auf. Der Geschäftsführer Werner Voss, der das Testinstitut vor 30 Jahren gründete, ist selber Hautarzt und gibt bereitwillig Auskunft. Bei neuen Produkten oder Rezepturen sei ein Epikutantest durchaus üblich, bestätigt Voss. Dabei wird das Mittel mehreren Testpersonen auf die Haut aufgetragen und mit einem Pflaster abgeschlossen. Frühestens nach 24 Stunden wird das Pflaster entfernt und die betroffene Hautstelle von einem Hautarzt auf mögliche Irritationen untersucht. Noch zwei weitere Tage wird die Stelle beobachtet.
30 Versuchspersonen sind für einen solchen Epikutantest üblich, amerikanische Firmen wollen laut Voss meistens 50 Probanden. "Statistisch gesehen sind eigentlich 18 Leute schon eine ausreichende Menge." Treten bei den Probanden, etwa ein Drittel von ihnen mit empfindlicher Haut, keine Reizungen oder allergische Reaktionen auf, bekommt der Auftraggeber ein Gutachten mit den entsprechenden Informationen und dem Zusatz: "Das Präparat kann deshalb mit ,dermatologisch getestet' deklariert werden."
"Rechtlich gesehen gibt es kaum Beschränkungen bei den Formulierungen", stellt Dr. Voss aber klar. Im Prinzip sei es auch denkbar, dass ein Hersteller "dermatologisch getestet" auf das Produkt schreibt, es aber gar keinen Test gegeben hat. "Wenn das herauskommt, wäre das aber ein riesiger Imageverlust für das Unternehmen." Dann lieber die 540 Euro zahlen, die der Epikutantest bei Dermatest kostet - für große Kosmetikfirmen ein vergleichsweise lächerlicher Betrag.
Ungefähr das Sechsfache ist für einen sogenannten In-use-Test zu zahlen, nach dem - bei fehlenden Hautreaktionen - das Prädikat "klinisch getestet" auf der Packung prangen darf. Bei dieser Untersuchung, so erklärt Dermatologe Voss, wird das Mittel über mehrere Wochen von 20, 30 oder 50 Personen mit gesunder Haut täglich benutzt. Die Testpersonen halten schriftlich fest, wie sie das Produkt vertragen, ob es ihren Erwartungen gerecht wird oder nicht. Dabei haben sie immer die Möglichkeit, sich von einem Hautarzt kontrollieren zu lassen. Zum Abschluss wird noch ein Epikutantest gemacht, um allergische Reaktionen oder Reizungen auszuschließen. "Nach einer solchen langen Prüfung lässt sich mit einiger Sicherheit sagen, ob ein Mittel gut vertragen wird."
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass in solchen "ausgezeichneten" Produkten auch keine umstrittenen Inhaltsstoffe stecken, wie die Untersuchungen des ÖKO-TEST Magazins immer wieder zeigen. Auch bei der Auslobung als "hypoallergen" kann der Anwender nicht davon ausgehen, dass er vor allergischen Reaktionen sicher ist. Denn selbst bei dieser Bezeichnung handelt es sich nicht um einen rechtlich geschützten Begriff: Es gibt keine festgelegten Kriterien, wann ein Produkt diesen Zusatz tragen darf. Meist wird zwar bei solchen Mitteln auf die Konservierungs-, Duft- und Farbstoffe verzichtet, die als allergisierend bekannt sind. Es kann aber bei keinem kosmetischen Produkt ausgeschlossen werden, dass es irgendwelche Bestandteile enthält, die allergische Reaktionen hervorrufen können. Im Grunde ist die Bezeichnung "hypoallergen" irreführend.
Das kann man auch von einem weiteren Siegel behaupten. "Getestet und empfohlen vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB)" prangt auf dem Eucerin pH5 Duschöl. Wer jetzt glaubt, das Produkt sei besonders geeignet für Menschen mit Kontaktallergien - sprich allergischen Hautreaktionen -, der irrt. Zwar bewertet der DAAB Kosmetika für Kontaktallergiker, diese müssen dann frei von Duft- und Konservierungsstoffen sein. Doch in diesem Fall wurde das Duschöl von Typ-I-Allergikern geprüft, von Menschen also, die etwa an Heuschnupfen leiden. Laut DAAB hatten diese "gestresste Haut ohne Kontaktallergien". Gut zu wissen, denn schließlich enthält das Produkt einen Duftstoff, der häufig Allergien auslöst. Auf die Frage, ob nicht die Gefahr bestehe, dass auch Kontaktallergiker aufgrund der DAAB-Empfehlung zu dem Produkt griffen, erhielten wir die Antwort: Das Produkt werde ja in der Apotheke verkauft. Dann kann ja eigentlich nichts mehr schiefgehen...
Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Was sich hinter dem Ausdruck "in Kliniken bewährt" verbirgt, der auf ihren Pflegetüchern steht, erklärte die Firma Bübchen so: "Grundlage für diese Aussage ist die seit Jahrzehnten beliebte Verwendung unserer Pflegeprodukte für Babys in Kliniken. Unsere Verkaufsdaten belegen, dass mehr als 50 Prozent der Geburts- und Kinderkliniken Pflegeprodukte von Bübchen kaufen." Anwendungstests in diversen Kliniken würden diese Aussage zusätzlich belegen.
Bei all den verschiedenen medizinisch und wissenschaftlich anmutenden Label wird schnell klar: einheitliche Kriterien für diese Zeichen gibt es nicht. Sie versprechen zwar besonders verträgliche Produkte, doch ob sie wirklich einen Vorteil gegenüber anderen Marken bieten, ist mehr als fraglich.