- In der Toilette entsorgte Feuchttücher verstopfen regelmäßig die Abwasseranlagen in Deutschland.
- Dass die Tücher falsch entsorgt werden, könnte unter anderem an Auslobungen wie "biologisch abbaubar" und "kompostierbar" liegen.
- Denn: Solche Auslobungen könnten bei Verbrauchern und Verbraucherinnen zu der Annahme führen, die benutzten Tücher würden sich zersetzen.
- Verschiedene Verbände fordern deswegen strengere Regeln oder gleich ein Verbot für solche Werbeaussagen.
Deutschlands Abwassersystem hat ein Problem. Es ist ziemlich praktisch, extrem reißfest, entfernt Make-up und Stuhlgang gleichermaßen – und landet viel zu oft in der Toilette. In regelmäßigen Abständen verstopfen falsch entsorgte Feuchttücher in der ganzen Bundesrepublik Pumpen und Rohre und führen dazu, dass sich das Abwasser staut – schlimmstenfalls bis in die Keller.
Vor einiger Zeit schlug das baden-württembergische Crailsheim Alarm: Ineinander verhedderte Einwegtücher hatten einige Pumpen lahmgelegt. Damit das Abwasser die Kläranlage überhaupt noch erreicht, muss die Stadt manche Pumpwerke mittlerweile wöchentlich reinigen. Laut Deutscher Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) ist das kein Einzelfall: "Alle unsere Mitglieder, also die Abwasserentsorgungsunternehmen, klagen über hohe Kosten aufgrund von Verstopfungen durch Feuchttücher", teilt Pressesprecher Stefan Bröker mit.
Feuchttücher legen Abwasserpumpen lahm
Die Pumpen wieder sauber zu kriegen, koste jedes Jahr einen Betrag in Millionenhöhe. In Crailsheim hat das Ressort für Bauen und Verkehr nun einen Infoflyer verteilt, um die betroffenen Haushalte aufzuklären. Dabei ist die Regel denkbar einfach: "Einwegtücher gehören grundsätzlich in den Restmüll und nicht in die Toilette oder die Umwelt", erklärt Almut Reichart, die sich beim Umweltbundesamt (UBA) mit Papier und Zellstoffen befasst.
Dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher das offenbar nicht wissen oder nicht berücksichtigen, schiebt sie auch darauf, dass etliche Hersteller Feuchttücher und ähnliche Produkte mittlerweile als "biologisch abbaubar" oder "kompostierbar" bewerben. In unserem Babyfeuchttücher-Test machten zahlreiche Hersteller fragwürdige Werbeversprechen.
Woraus bestehen Feuchttücher?
Die meisten bestehen aus einem Mix aus Viskose und Zellulose, die zum Beispiel auf Buchen-, Fichten- oder Eukalyptusholz basieren, eines aus Bio-Baumwolle. Nur: Wann ein Produkt als "biologisch abbaubar" oder "kompostierbar" bezeichnet werden darf, ist gesetzlich nicht geregelt. Reichart fürchtet, dass ein solcher Aufdruck sich letztlich sogar negativ auf die Umwelt auswirken kann – er suggeriere, das Tuch sei für die Natur harmlos. Das senke die Hemmschwelle für eine falsche Entsorgung.
Die Folge: In der Kanalisation bilden sich zähe Stränge, die die Abwasserpumpen bis zum Stillstand bringen können. Ob die Tücher aus Polyester, Viskose oder Baumwolle bestehen, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. "Entscheidend ist die Reißfestigkeit", erklärt Stefan Bröker vom DWA, "eine hohe Reißfestigkeit ist immer kritisch."
In der Toilette runterspülen ist verboten
Alles, was im Wasser nicht wie Klopapier zerfällt, hat in der Toilette daher nichts zu suchen – egal, aus welchem Material es hergestellt wurde. Feuchttücher im WC herunterzuspülen, verbieten zudem das Wasserhaushalts- und das Kreislaufwirtschaftsgesetz.
Einzige Ausnahme sei: Feuchtes Toilettenpapier, das ausdrücklich als spülbar gekennzeichnet ist. Welche Voraussetzungen ein Produkt für diesen Aufdruck erfüllen muss, ist bislang zwar nur in einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Hersteller geregelt, und zu einem kleinen Teil tragen laut DWA auch angeblich spülbare Tücher zu den Problemen in der Kanalisation bei.
"Bereits heute sind jedoch viele feuchte Toilettenpapiere am Markt, die nach aktuellem Wissensstand den Anforderungen der Abwassersystemverträglichkeit nahekommen", heißt es in einem Dossier zum Thema. Von den Tüchern aus unserem Test gehört keines in die Toilette.
Versprechen der Hersteller sind schwammig
Das sagen die Hersteller immerhin auch selbst und drucken zumindest teilweise ein entsprechendes Warnzeichen auf der Verpackung auf. Was Verbraucherinnen und Verbraucher dann überhaupt mit Versprechen wie "biologisch abbaubar" und "kompostierbar" anfangen sollen, bleibt schwammig.
Sollte das Tuch wider Erwarten in die Natur gelangen, werde es abgebaut, erklärt etwa Hersteller Dm zu den Feuchttüchern seiner Eigenmarke Babylove. Das Produkt könne "grundsätzlich durch Mikroorganismen komplett in seine elementaren Bestandteile aufgelöst werden", schreibt Edeka zu den Tüchern von Elkos. Eine Empfehlung, das Tuch über den Biomüll zu entsorgen, ist das laut den Herstellern allerdings nicht.
Lediglich Bodywise, das das Baumwolltuch der Marke Natracare herstellt, gibt an, das Produkt könne tatsächlich in die Biotonne. Almut Reichart vom UBA rät davon jedoch eindringlich ab: Baumwolle sei – ebenso wie Viskose und Zellulose – sehr schwer biologisch abbaubar. "Das sind alles keine Produkte, die wir im Kompost haben wollen", betont sie.
Feuchttücher dürfen nicht in der Biotonne entsorgt werden
Ähnlich wie beim Abwasser kommt die Entsorgung über die Biotonne schon aus rechtlichen Gründen nicht infrage. Laut Bioabfallverordnung sind im Biomüll nur wenige Stoffe erlaubt: Pflanzliche und bestimmte tierische Lebensmittelabfälle, geringe Mengen an unbeschichtetem Papier sowie Abfalltüten aus Bioplastik, wenn sie den Vorschriften entsprechen. Das schließt Feuchttücher aus – egal aus welchem Material sie bestehen. Weil die Tücher nicht schnell genug zerfallen, können sie auch in Kompostierungsanlagen zu Problemen führen und müssen mit viel Aufwand aussortiert werden.
Laut dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gilt das ausdrücklich auch für Stoffe, die die Hersteller als "biologisch abbaubar" oder "kompostierbar" bezeichnen: Viskose und Zellulose würden zwar auf natürlichen Materialien basieren, seien chemisch allerdings so verändert, dass sie sich nur schlecht zersetzen würden. Und auch ein Tuch aus Baumwolle könne man nicht mehr als Naturfaser betrachten, nachdem es gewebt, gebleicht oder gefärbt und vielleicht sogar mit chemischen Zusatzstoffen versehen worden sei.
"Das Endprodukt hat wenig mit dem natürlichen Ausgangsstoff zu tun", schreibt eine Sprecherin des Verbands. Ähnlich wie ätherische Öle und andere Duftstoffe, die viele Tücher enthalten, gehören übrigens auch Make-up, Stuhlgang und andere Stoffe, die man mit dem Tuch abwischt, nicht in den Biomüll.
Verbände fordern strengere Regeln
Der VKU findet Aufdrucke wie "biologisch abbaubar" und "kompostierbar" daher irreführend. Auch rechtlich sei es "mehr als fragwürdig, ob Hersteller solche Produkte als kompostierbar deklarieren dürfen". Der Verband fordert, dass auf Feuchttüchern und ähnlichen Produkten künftig deutlich darauf hingewiesen werden muss, dass das Produkt in den Restmüll gehört. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg verlangt zudem gesetzliche Regeln für die Begriffe "biologisch abbaubar" und "kompostierbar". Solange es die nicht gebe, helfe nur ein Verbot von entsprechenden Werbeaussagen auf Produkten, die in Deutschland nicht grundsätzlich in den Biomüll dürfen.
Auch wir bei ÖKO-TEST werten diese mindestens einmal irritierenden Aussagen ab. Die Ökobilanz der Tücher bleibt indes auch dann schlecht, wenn sie wie vorgesehen im Restmüll landen – und zwar auch bei den pflanzenbasierten Stoffen: Um Viskose herzustellen, benötigt man zum Beispiel sehr viel Energie. Baumwolle braucht Unmengen an Wasser. Die bessere Alternative ist und bleiben daher: Wasser, vielleicht ein bisschen Seife und ein Waschlappen. Für die Umwelt ist das besser als jedes Einwegtuch – egal, ob biologisch abbaubar oder nicht.
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