Top Coat & Co.: Welcher Nagellack überzeugt – und welche Stoffe bedenklich sind

Magazin Mai 2025: Energydrinks | Autor: Dimitrij Rudenko/Heike Baier/Lena Wenzel | Kategorie: Kosmetik und Mode | 24.04.2025

Wir haben 20 transparente Nagellacke überprüft.
Foto: gon4/Shutterstock

Viele transparente Nagellacke im Test, die fast alle als Top Coat ausgelobt sind, schneiden mit Bestnote ab. Wir sind jedoch auch auf Inhaltsstoffe gestoßen, die aus unserer Sicht nicht in einen Nagellack gehören, darunter ein fortpflanzungsgefährdendes Lösemittel und bedenkliche UV-Filter. 

  • Im Test: 20 transparente Nagellacke. Fast alle Produkte sind als Top Coat ausgelobt, einige zusätzlich als Base Coat oder als 2-in-1-Produkt.
  • Zwölf transparente Nagellacke können wir mit "sehr gut" empfehlen.
  • Wir kritisieren vor allem den Einsatz eines Weichmachers sowie den von bedenklichen UV-Filtern. 
  • Kosmetik online verkaufen und dabei die Liste der Inhaltsstoffe unterschlagen – das geht in unseren Augen gar nicht.

Nagellack auftragen – das ist eine Wissenschaft für sich. Base Coat, Top Coat, Farblacke, Gellacke: Der Markt ist unübersichtlich, und die Deklarationen der Produkte sind oft sparsam.

Top Coat & Co.: Transparenter Nagellack im Test 

Wir haben für diesen Test transparente Lacke eingekauft, die sich fast alle als Top Coat – also eine Art Überlack – verstehen. Manche von ihnen sind gleichzeitig als Base Coat einsetzbar und bei fast allen ist es möglich, sie einfach solo auf die Nägel zu streichen: Das sorgt für Ebenmäßigkeit und vor allem Glanz.

Glanz und Elend liegen in diesem Test jedoch eng beieinander: So gibt es viele Produkte, die mit Bestnote überzeugen – und solche, die negativ auffallen. Die Gründe dafür in Kürze: Problematische Inhaltsstoffe und fehlende Transparenz, was die Inhaltsstoffe betrifft. 

Schichtweise kommt der Lack auf den Nagel – dafür hat die Kosmetikindustrie eine breite Palette an Produkten entwickelt. Zuerst soll ein Unterlack (Base Coat) kleine Unebenheiten in der Nageloberfläche ausgleichen, dann folgt gegebenenfalls ein Farblack, und zuletzt versiegelt ein sogenannter Top Coat das Ganze.
Schichtweise kommt der Lack auf den Nagel – dafür hat die Kosmetikindustrie eine breite Palette an Produkten entwickelt. Zuerst soll ein Unterlack (Base Coat) kleine Unebenheiten in der Nageloberfläche ausgleichen, dann folgt gegebenenfalls ein Farblack, und zuletzt versiegelt ein sogenannter Top Coat das Ganze. (Foto: Vadim Zakharishchev/Shutterstock)

Fortpflanzungsgefährdendes Lösemittel nachgewiesen 

Das Prinzip eines Nagellacks beruht auf der Kombination von Filmbildnern wie Nitrozellulose oder Kunstharzen mit Lösemitteln wie Ethyl- oder Butylacetat: Sobald das Lösemittel verdunstet, härtet der zunächst flüssige Lackfilm auf den Nägeln aus. Ohne Lösemittel funktioniert es also nicht, und deshalb lassen wir die in den getesteten Nagellacken verwendeten Mittel auch ohne Abzüge durchgehen.

Es gibt allerdings Lacke in unserem Test, die ein Lösemittel enthalten, das gar nicht auf der Liste ihrer Inhaltsstoffe auftaucht: Toluol. Toluol, das zur Gruppe der aromatischen Kohlenwasserstoffe zählt, gilt als fortpflanzungsgefährdend und fruchtschädigend. Je nach Konzentration kann es zu Nerven-, Nieren- und möglicherweise Leberschäden führen. In die Nagellacke gelangt der CMR-Stoff vermutlich als Verunreinigung.

Ein Hersteller reagierte auf unsere Laboranalyse und schrieb uns, dass man überrascht sei von dem gemessenen Toluolgehalt. "Nach bisheriger Aufarbeitung kann es sich nur um eine technologisch nicht vermeidbare Spurenkontamination handeln", so die Erklärung.

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Triphenylphosphat gehört nicht in Nagellack 

Was uns ebenfalls nicht gefällt, ist der Einsatz des Weichmachers Triphenylphosphat. Der Stoff hat aus unserer Sicht in Nagellack nichts verloren: In einer aktuellen Stellungnahme schreibt der EU-Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS), er könne ein Genotoxizitätspotenzial von Triphenylphosphat in Nagelprodukten nicht ausschließen und stuft die Verbindung daher als "nicht sicher" ein.

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat den Weichmacher im November 2024 außerdem wegen seiner Eigenschaften als Umwelthormon auf die Kandidatenliste der besonders besorgniserregenden SVHC-Stoffe aufgenommen.

Lese-Tipp: Bedenkliche Inhaltsstoffe in Kosmetik: Bei diesen Stoffen lohnt es sich, genauer hinzuschauen

Top Coats & Co.: Es geht auch ohne bedenkliche UV-Filter 

Außerdem in der Kritik: Bedenkliche UV-Filter, die in manchen transparenten Nagellacken enthalten sind. Genau gesagt, bemängeln wir Benzophenon-1, Etocrylen und Octocrylen. Zur Erklärung: 

  • Benzophenon-1 wirkte in Tierversuchen wie ein Hormon. 
  • Etocrylen und Octocrylen zeigten diesen hormonellen Effekt in Zellversuchen.

Doch wozu überhaupt ein UV-Filter im Nagellack? Einige Hersteller schreiben uns, es gehe dabei um den Schutz der darunter lackierten Farbschicht oder der Lacktextur selbst, die in der transparenten Glasflasche permanent Tages- und Kunstlicht ausgesetzt sein könne.

Allerdings sind alle Top Coats und Co. im Test in durchsichtige Flaschen abgefüllt – und die meisten kommen dennoch ohne bedenkliche UV-Filter aus.  

Transparenter Nagellack ohne Inhaltsstoffliste 

Ärgerlich finden wir es auch, wenn ein Hersteller sein Produkt online vertreibt – und Kundinnen und Kunden dabei keinerlei Chance gibt, die Liste der Inhaltsstoffe einzusehen. Heißt: Weder auf dem Produkt selbst ist die INCI abgedruckt, noch ist sie auf der Verkaufsseite im Onlineshop zugänglich.

Dabei schreibt die Kosmetikverordnung klar vor, dass die vollständige Liste der Inhaltsstoffe auf der Verpackung von Kosmetika oder in deren unmittelbarer Nähe zu erscheinen hat. Doch gilt das auch online?

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat 2018 in einem ähnlichen Fall entschieden, bei dem ein Naturkosmetikhersteller ein Produkt online ohne eine lesbare INCI verkaufte. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen das UWG – das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.

Begründung: Die Liste der Inhaltsstoffe zähle jedenfalls bei Naturkosmetik zu jenen "wesentlichen Informationen", die Verbraucherinnen und Verbraucher benötigten, "um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen". Wir finden, das trifft genauso auf konventionelle Kosmetik zu.

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(Foto: ÖKO-TEST)

Erfreulich: Nitrosamine sind kein Thema mehr 

Abgesehen von der Kritik an ein paar Produkten, freut uns in diesem Test, dass krebserregende Nitrosamine kein Thema mehr sind. Als wir 2017 zuletzt Nagellack untersuchten, hatten noch drei Viertel aller Produkte ein Problem mit Nitrosaminen, die vermutlich als Verunreinigung aus dem Filmbildner Nitrozellulose in die Lacke gelangen.

In diesem Test ist Nitrozellulose zwar noch immer Teil vieler Rezepturen. Doch das beauftragte Labor konnte nur in einem einzigen Nagellack ein Nitrosamin nachweisen – und das in einem so niedrigen Gehalt, dass wir es nicht abwerten.  

Tipp: Nägel möglichst in einem gut belüfteten Raum lackieren. Denn wie anfangs erwähnt, stecken Lösemittel im Nagellack. Die können beim Verdunsten die Atemwege reizen.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 20 transparente Nagellacke in Onlineshops, Parfümerien, Drogerie- und Supermärkten zu Preisen von 1,75 bis 19,90 Euro pro Fläschchen eingekauft. Die Spannbreite der Inhalte reichte von 5 bis 15 Milliliter. Fast alle eingekauften Produkte sind als Top Coat ausgelobt, einige zusätzlich als Base Coat oder als 2-in-1-Produkt. Keiner der Nagellacke trägt ein Naturkosmetiksiegel.

In spezialisierten Laboren ließen wir die Produkte auf Restlösemittel wie krebserregendes Benzol, Toluol, Aceton und Hexan analysieren. Auch in der Analyse: Phthalatweichmacher sowie Nitrosamine, wobei wir uns bei der Bewertung der Nitrosamine an den Orientierungswerten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) anlehnten, bis zu denen Kontaminationen als technisch unvermeidbar gelten.

Deklarierte ein Nagellack Mineralien, ließen wir ihn auf Schwermetalle wie Arsen, Blei und Nickel untersuchen. Bedenkliche UV-Filter und den Weichmacher Triphenylphosphat identifizierten wir über die Liste der Inhaltsstoffe.

Waren Umweltauslobungen auf der Verpackung deklariert, überprüften wir, ob die Hersteller dazu ausreichend Erläuterungen bereitstellen. Außerdem wollten wir wissen, wie umweltfreundlich die Verpackungen sind: Ein Labor überprüfte die Deckel der Nagellackfläschchen auf chlorierte Verbindungen.

Zusätzlich baten wir die Anbieter um Auskunft, ob sie Post Consumer Rezyklat (PCR) einsetzen, und gegebenenfalls um einen ausreichenden chargenbezogenen Nachweis. Von den Anbietern wollten wir ferner wissen, ob ihre Produkte vegan sind, und forderten eine Liste der Inhaltsstoffe an, sofern diese nicht auf dem Produkt deklariert waren.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt, zugrunde gelegt werden die gemessenen Gehalte. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) ein gemessener Gehalt an Toluol von mehr als 10 mg/kg; b) bedenklicher UV-Filter (hier: Benzophenon-1); c) Triphenylphosphat. Zur Abwertung um eine Note führt: bedenklicher UV-Filter (hier: Octocrylen, Etocrylen), wenn nicht bereits wegen eines anderen bedenklichen UV-Filters um zwei Noten abgewertet wurde.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um fünf Noten: eine im Onlineshop fehlende, nach Artikel 19 Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 gesetzlich vorgeschriebene INCI-Deklaration eines online vertriebenen Produkts. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Anteil von Rezyklaten (Post- Consumer-Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamtgewicht der Kunststoffverpackung, keine Angabe hierzu und/oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage; b) Umweltauslobung ohne ausreichende Information oder konkrete Fundstelle auf dem Produkt.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht. Ein Produkt ohne gesetzlich vorgeschriebene INCI-Kennzeichnung kann im Gesamturteil nicht besser als "ungenügend" abschneiden.

Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die (vom Hersteller versprochenen) Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben.  

Testmethoden 

Restlösemittel: Lösen in Dimethylacetamid (DMA), HS, GC-FID. Analyse auf Aceton, Hexan, Tetrahydrofuran, Cyclohexan, Benzol, n-

Heptan, Toluol, Ethylbenzol, Summe m+p-Xylol, o-Xylol.

Phthalate: Extraktion mit Ethylacetat, GC-MS. Analyse auf DBP, DEHP, BBP, DMEP, DnPP, DiPP, DPP, DiBP, DCHP, DEP, DMP, DnOP,

DHXP.

N-Nitrosodiethanolamin (NDELA): LC-MS/MS.

Elemente: ICP-MS, Totalaufschluß in der Mikrowelle.

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Januar bis Februar 2025 

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