Viele Nagellackentferner "sehr gut" – Warum trotzdem Vorsicht geboten ist

Magazin Mai 2025: Energydrinks | Autor: Dimitrij Rudenko/Christine Throl/Michelle Sensel/Hannah Pompalla | Kategorie: Kosmetik und Mode | 24.04.2025

Nagellackentferner im Test: Wir haben 23 acetonfreie Produkte getestet.
Foto: ÖKO-TEST

Wer Nagellack nutzt, kommt um Nagellackentferner kaum herum. Wir haben 23 als acetonfrei ausgelobte Produkte getestet. Viele sind mit "sehr gut" empfehlenswert, darunter auch günstige Produkte. Wichtig zu wissen: Nagellackentferner greifen Haut und Nagel an – und nicht alle Testkandidaten sind frei von Problemstoffen. 

  • Im Test: 23 als acetonfrei ausgelobte flüssige Nagellackentferner, darunter drei zertifizierte Naturkosmetikprodukte. Das günstigste Produkt kostete umgerechnet auf 100 Milliliter 0,55 Euro, das teuerste 8,14 Euro.
  • Viele Nagellackentferner schneiden mit Bestnote ab. 
  • In der Kritik stehen vor allem zwei chemische UV-Filter, der künstliche Moschduft Galaxolid, Diethylphthalat (DEP) und das Antioxidans BHT.
  • Außerdem auffällig: Zwei Nagellackentferner im Test enthalten Aceton, obwohl sie als acetonfrei ausgelobt sind.

Ob mit oder ohne Aceton – Lösemittel in Nagellackentfernern kommen mit einer gewissen Aggressivität daher, um den Lack lösen zu können. Acetonfreie Nagellackentferner setzen anstelle von Aceton oft auf Lösemittel wie Ethylacetat und Alkohol, in Naturkosmetik wird zum Beispiel Ethyllactat verwendet.

Nagellackentferner greifen Haut und Nagel immer an 

Die Unterschiede zwischen den Lösemitteln sind jedoch nicht groß genug, um eins kritischer zu bewerten als das andere. Alle entziehen Fett und können Nagelhaut und -platte somit austrocknen.

Ist die Haut zu trocken, ist ihre Schutzbarriere gestört, sodass schädliche Einflüsse von außen schlechter abgewehrt werden können. "Lösungsmittel ist Lösungsmittel – das trocknet am Ende immer aus", betont auch Dermatologin Professor Mirjana Maiwald.

Dadurch, dass Lösemittel entfetten, könne sogar auf Dauer auch eine Keratin-Granulation entstehen – also eine oberflächliche Veränderung der Keratinstruktur, die sich in Form von größeren weißen Flecken bemerkbar macht.

Auch Nagellackentferner sollten ohne bedenkliche Stoffe auskommen. Wir haben 23 als acetonfrei ausgelobte Nagellackentferner getestet.
Auch Nagellackentferner sollten ohne bedenkliche Stoffe auskommen. Wir haben 23 als acetonfrei ausgelobte Nagellackentferner getestet. (Foto: 56Markus357/shutterstock)

Deshalb ist bei der Verwendung von Nagellack beziehungsweise Nagellackentfernern immer Vorsicht geboten. Der Tipp der Dermatologin: Pausen einlegen. "Keratin-Granulationen legen sich normalerweise, wenn man Nagellackentferner und auch Nagellack nicht zu häufig verwendet." Also am besten einfach mal ein paar Wochen "Lackferien" einlegen und die Nägel in Ruhe lassen.

Hände nach dem Nagellackentfernen eincremen

Einer Keratin-Granulation könne man gut vorbeugen, indem man der Haut Feuchtigkeit zurückgibt. Kein Wunder also, dass einige Hersteller der acetonfreien Nagellackentferner in unserem Test mit Inhaltsstoffen wie Glycerin, Aloe vera und Ölen werben.

"Eine richtige Rückfettung würde ich aber eher nach dem Entfernen empfehlen", sagt Maiwald. Eine Handcreme, beispielsweise mit hydratisierenden Stoffen wie Harnstoff oder Glycerin, sei eine gute Wahl.

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Rossmann, dm & Co.: Acetonfreie Nagellackentferner im Test

Lösemittel greifen also immer gewissermaßen die Haut und Nägel an. Umso wichtiger finden wir es, dass Nagellackentferner sonst keine kritischen Inhaltsstoffe enthalten. Aber wie ist es um Schadstoffe in den Produkten bestellt?

Um das herauszufinden, haben wir 23 als acetonfrei ausgelobte Nagellackentferner eingekauft und einer umfangreichen Schadstoffanalyse unterziehen lassen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Viele Produkte sind empfehlenswert. Unser Test zeigt außerdem, dass ein "sehr gutes" Produkt nicht teuer sein muss. Denn einige Nagellackentferner, die mit Bestnote abschneiden, gibt es pro 100 Milliliter schon für unter einem Euro

Auf der anderen Seite haben wir aber auch einige Stoffe entdeckt, die aus unserer Sicht besser aus den Rezepturen gestrichen werden sollten.  

Stoffe stehen im Verdacht, hormonell wirksam zu sein

Für Notenabzüge sorgen folgende Inhaltsstoffe, die wir vereinzelt gefunden haben: 

  • Ethylhexylmethoxycinnamat und Benzophenon-1: Die beiden chemischen UV-Filter haben sich in Tierversuchen als hormonell wirksam erwiesen. Gern hätten wir gewusst, warum Hersteller UV-Filter in einem Nagellackentferner einsetzen – wir erhielten aber keine Antwort auf die Frage. 
  • Galaxolid: Der künstliche Moschusduft steht im Verdacht, das Hormonsystem zu beeinträchtigen, ist giftig für Wasserorganismen und sehr schwer abbaubar. Galaxolid kann sich in der Inhaltsstoffliste noch hinter dem Begriff "Parfum" verstecken. In der von uns gemessenen Konzentration muss er ab August 2026 als allergener Duftstoff aufgelistet werden.
  • Diethylphthalat (DEP): In Kosmetik wird die Substanz etwa als Trägerstoff für Duftstoffe eingesetzt oder um den enthaltenen Alkohol ungenießbar zu machen. Allerdings wird DEP gerade von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) überprüft, weil es im Verdacht steht, den menschlichen Hormonhaushalt zu beeinflussen.
  • Butylhydroxytoluol (BHT): Auch das Antioxidans wird verdächtigt, wie ein Umwelthormon zu wirken. Tierversuche geben zudem Hinweise darauf, dass BHT die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigt.

Aceton in "acetonfreien" Nagellackentfernern entdeckt

Hätten wir im Test von acetonfreien Nagellackentfernern zusätzlich auch Produkte mit Aceton getestet, dann hätten wir die Nagellackentferner mit Aceton – wie zu Beginn beschrieben – nicht grundsätzlich schlechter bewertet.

Was wir aber bemängeln, ist, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher nicht das bekommen, was auf dem Produkt steht: Wenn ein Nagellackentferner als "acetonfrei" beworben wird, dann sollte das Lösemittel aus unserer Sicht auch nicht in relevanten Mengen enthalten sein.

Das war allerdings bei zwei Nagellackentfernern im Test der Fall – dort hat ein von uns beauftragtes Labor Aceton nachgewiesen. Und zwar in Gehalten, die wir nicht mehr mit der Auslobung actonfrei vereinbar finden. Das werten wir ab.

Nagellackentferner sind nicht umweltfreundlich verpackt

Kommen wir zur Verpackung. Fast alle Nagellackentferner im Test stecken in Plastikflaschen. Wir sind der Meinung: Um Verpackungsmüll zu sparen, sollten Hersteller für ihre Plastikverpackung möglichst viel recycelten Kunststoff aus dem Wertstoffkreislauf (PCR) verwenden.

Umso enttäuschender ist es, dass uns nur ein einziger Hersteller nachweisen konnte, dass er über 30 Prozent Rezyklat aus Verbraucherabfällen einsetzt. Mehr als die Hälfte der Anbieter gibt dagegen an, gar kein PCR zu verwenden. Da geht deutlich mehr.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 23 als acetonfrei ausgelobte flüssige Nagellackentferner in Drogerien, Supermärkten, Discountern und online eingekauft, darunter drei zertifizierte Naturkosmetikprodukte. Das günstigste Produkt kostete umgerechnet auf 100 Milliliter 0,55 Euro, das teuerste bei gleicher Menge 8,14 Euro.

Im Labor ließen wir alle Produkte auf kritische Phthalate und Restlösemittel untersuchen – und dabei auch, ob tatsächlich kein Aceton enthalten war. War Parfüm deklariert, erfolgten Analysen auf 26 allergene Duftstoffe, Nitround polyzyklische Moschusverbindungen sowie Cashmeran. Stand BHT in der Inhaltsstoffliste, bestimmte ein Labor dessen Gehalt.

Die Verpackungen wurden auf chlorierte Verbindungen untersucht. Per Deklaration erfassten wir kritische chemische UV-Filter. Im Fall von Umweltauslobungen auf der Verpackung überprüften wir, ob ausreichende erläuternde Informationen dazu zu finden waren. Bestanden die Verpackungen aus Kunststoff, fragten wir die Hersteller, ob sie Rezyklat aus dem Wertstoffkreislauf einsetzen, und forderten chargenbezogene Belege. Außerdem wollten wir von ihnen wissen, ob ihre Produkte vegan sind.

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt, zugrunde gelegt werden die gemessenen Gehalte. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) ein gemessener Gehalt an polyzyklischen Moschusverbindungen von mehr als 10 mg/kg (hier: Galaxolid/HHCB, in Tabelle: "künstlicher Moschusduft"); b) bedenkliche UV-Filter (hier: Benzophenon-1, Ethylhexylmethoxycinnamat).

Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein gemessener Gehalt an Diethylphthalat von mehr als 100 mg/kg; b) ein gemessener Gehalt an BHT für auf der Haut/im Haar verbleibende oder auszuspülende/abzuspülende Mittel von bis zu 0,8 %.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: ein gemessener Gehalt an Aceton von mehr als 100 mg/kg in einem als acetonfrei ausgelobten Produkt. Zur Abwertung um eine Note führt: ein Anteil von Rezyklaten (Post-Consumer-Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamtgewicht der Kunststoffverpackung, keine Angabe hierzu und/oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

Aus rechtlichen Gründen weisen wir darauf hin, dass wir die (von den Herstellern versprochenen) Wirkungen der Produkte nicht überprüft haben.

Testmethoden

Deklarationspflichtige Duftstoffe: Nach Zugabe von Wasser und organischem Lösungsmittel werden die Allergene durch Flüssig-Flüssig-Extraktion aus den Proben extrahiert. Ein Aliquot des organischen Extrakts wird mit GC-MS analysiert. Analyse auf Amyl cinnamal, Amylcinnamylalkohol, Benzylalkohol, Benzylsalicylat, Cinnamyl alkohol, Cinnamal, Citral, Cumarin, Eugenol, Geraniol, Hydroxycitronellal, Hydroxyisohexyl 3-Cyclohexene Carboxaldehyde, Isoeugenol, Anise Alcohol, Benzylbenzoat, Benzylcinnamat, Citronellol, Farnesol, Hexyl Cinnamal, Butylphenyl Methylpropional, Limonen, Linalool, Methyl 2-Octynoate, Alpha-Isomethyl Ionon.
Polyzyklische Moschus- und Nitromoschus-Verbindungen/Cashmeran: Extraktion mit TBME, GC-MS.
Restlösemittel: Lösen in Dimethylacetamid (DMA), HS, GC-FID. Analyse auf Aceton, Hexan, Tetrahydrofuran, Cyclohexan, Benzol, n-Heptan, Toluol, Ethylbenzol, Summe m+p-Xylol, o-Xylol.
Phthalate: Extraktion mit Ethylacetat, GC-MS. Analyse auf DBP, DEHP, BBP, DMEP, DnPP, DiPP, DPP, DiBP, DCHP, DEP, DMP, DnOP, DHXP.
BHT: GC/MS.
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Januar – Februar 2025.

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