Babytee-Test: Estragol als Problem – Es braucht dringend einen Grenzwert

Magazin April 2025: Müsli | Autor: Lisa Hitschler/Marieke Mariani/Lena Wenzel | Kategorie: Kinder und Familie | 31.03.2025

Babytee: Wie schlagen sich die Produkte im Test?
Foto: ÖKO-TEST

Der gesundheitsschädliche Stoff Estragol kann ein Problem in fenchelhaltigen Kräutertees für Babys sein. Unser Test von neun Produkten zeigt aus unserer Sicht, dass Grenzwerte dringend nötig sind. Zudem kritisieren wir entdeckte Pflanzengifte und Pestizidrückstände. Immerhin: Zwei Babytees sind "sehr gut". 

  • Im Test: Neun Bio-Kräutertees für Babys. Nach den Anwendungshinweisen oder Produktauslobungen sind alle für Säuglinge und Kleinkinder geeignet. Bei der Auswahl bevorzugten wir fenchelhaltige Tees.
  • Fenchel enthält natürlicherweise Estragol. Das Problem? Der Stoff gilt als potenziell krebserregend und vermutlich erbgutverändernd.
  • Teils sind wir in den Babytees im Test auf Estragolgehalte gestoßen, die wir als "stark erhöht" bewerten.
  • Der Gehalt von Estragol schwankt in Naturprodukten wie Fenchel so stark, dass Eltern kaum steuern können, wie viel ihre Kinder beispielsweise mit einer Tasse Tee aufnehmen. Deshalb ist ein gesetzlicher Grenzwert für Estragol in Babytees dringend nötig.
  • Neben den Estragolgehalten kritisieren wir vor allem gefundene Pflanzengifte und Pestizidrückstände. 
  • Zwei von neun Babytees im Test schneiden mit Bestnote ab. Sie erhalten keinerlei Minuspunkte für ihre Inhaltsstoffe. 

Fenchelhaltige Tees galten lange als sanftes pflanzliches Hausmittel gegen Blähungen, Bauchschmerzen und Husten – und das schon für Babys und Kleinkinder. Doch Fenchel enthält ebenso wie andere Kräuter und Gewürze, etwa Estragon oder Anis, natürlicherweise den potenziell krebserregenden und vermutlich erbgutverändernden Stoff Estragol.

Und für diesen gibt es noch keine gesetzlichen Grenzwerte. Wir ließen die neun Testkandidaten auf Estragol untersuchen und wurden fündig – teils bewerten wir die gefundenen Gehalte als "stark erhöht". Und das ist nicht das einzige Problem der Tees im Test.

Doch bevor wir auf andere unerwünschte Inhaltsstoffe zu sprechen kommen, erklären wir, warum Estragol ein Problem in Babytees ist. 

Babytee-Test: Estragol kann ein Problem sein 

Die Erkenntnis, dass bestimmte Kräuter und Gewürze Estragol enthalten, ist nicht neu. Doch 2023 hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ihre Empfehlungen aktualisiert. Kinder bis elf Jahre gehören demnach neben Schwangeren und Stillenden zu einer sensiblen Verbrauchergruppe, für die das Risiko durch Estragol besonders hoch ist. Deshalb hat die EMA für sie neue Orientierungswerte für die maximale tägliche Estragolaufnahme durch pflanzliche Arzneimittel erarbeitet.

Darüber hinaus gibt es Stimmen, die sich im Lebensmittelbereich sogar für noch strengere Werte aussprechen. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) forderte 2022, dass besonders in Produkten für Kinder wie Baby- oder Kindertees die Estragolgehalte nach Möglichkeit unter die Nachweisgrenze gesenkt werden sollten.

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EFSA prüft: Wie sicher sind fenchelhaltige Lebensmittel? 

Zurzeit prüft die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Sicherheit fenchelhaltiger Lebensmittel, darunter Aufgüsse, Kräuter und Gewürze. Da laut der Behörde mit einer finalen Stellungnahme erst im September zu rechnen ist, ziehen wir für die Bewertung der Babytees in unserem Test den Orientierungswert der EMA für Arzneimittel heran.

Dieser Orientierungswert errechnet sich auf Grundlage des Körpergewichts und liegt daher für Säuglinge entsprechend niedrig. Knapp zwei Jahre nach der EMA-Veröffentlichung wollten wir wissen, was sich bei den Kräutertees für Babys getan hat.

Anfangs brauchen Babys neben Muttermilch oder Ersatznahrung keine zusätzliche Flüssigkeit. Ab dem Beikostalter können Eltern Wasser und Tee anbieten – aber bitte nicht zum Dauernuckeln.
Anfangs brauchen Babys neben Muttermilch oder Ersatznahrung keine zusätzliche Flüssigkeit. Ab dem Beikostalter können Eltern Wasser und Tee anbieten – aber bitte nicht zum Dauernuckeln. (Foto: Djordje Novakov/Shutterstock)

Estragolgehalte über Orientierungswert

Dass trotz der EMA-Empfehlung nach wie vor so viele fenchelhaltige Kräutertees für Babys verkauft werden, hat uns irritiert. Und unsere Testergebnisse bestätigen, dass Forderungen nach Grenzwerten für den Lebensmittelbereich sinnvoll sind. Teils überschreiten die gemessenen Estragolgehalte den Orientierungswert der EMA für Arzneimittel, wenn ein acht Kilogramm schweres Baby 100 Milliliter Tee am Tag trinkt.

Da Estragolgehalte in Naturprodukten wie Fenchel etwa aufgrund von Sorte oder Herkunft stark schwanken, können Eltern kaum steuern, wie viel ihre Kinder beispielsweise mit einer Tasse Tee aufnehmen. Für andere Lebensmittel wie Milch- und Fischerzeugnisse gibt es bereits Grenzwerte für Estragol, die in der EU-Aromenverordnung (EC) 1334/2008 festgeschrieben sind.

Solche Maximalgehalte, die Hersteller einhalten müssen, sollte es unserer Meinung nach auch für Babytees geben. Dafür ist eine bessere Datenlage zu den Estragolgehalten von Lebensmitteln und den entsprechenden Verzehrmengen nötig. Daran arbeitet die EFSA.

Pflanzengifte in Babytee im Test entdeckt 

Ein häufiges Teeproblem, das auch in diesem Test eine Rolle spielt, sind Pyrrolizidinalkaloide (PA). Die natürlichen Pflanzengifte, die bei der Ernte über Beikräuter wie Jakobskreuzkraut oder Bilsenkraut in die Teemischung gelangen, können auch in den Aufguss übergehen.

Werden sie über längere Zeit aufgenommen, können die Abbauprodukte der PA Leber und Erbgut schädigen. Sie gelten zudem als möglicherweise krebserregend. Die Gehalte, die in den betroffenen Produkten gemessen wurden, schöpfen den gesetzlichen Grenzwert zu mehr als 50 Prozent aus.  

Pestizide und Werbung mit Selbstverständlichkeiten

Neben Estragol und PA bemängeln wir auch Pestizidrückstände im Babytee-Test. Obwohl die meisten Pestizide im Öko-Anbau verboten sind, können sie als Verunreinigungen auch in Bio-Lebensmittel gelangen. Dreimal hat das Labor mindestens eine Spur davon nachgewiesen.

Wir verteilen Minuspunkte für Mehrfachrückstände von Pestiziden, weil unklar ist, wie sich mehrere Wirkstoffe in Kombination auf den Organismus auswirken – und konkret für Gehalte des Spritzmittels Chlorpyrifos, die wir als "erhöht" bewerten. Chlorpyrifos steht im Verdacht, das Erbgut und die neurologische Entwicklung negativ zu beeinflussen und gilt als giftig für Bienen.

Weitere Mängel sehen wir in den Deklarationen mancher Babytees. Da der Zusatz süßender Zutaten wie Zucker, Honig oder Sirup in Babytees inzwischen verboten ist, sind Auslobungen wie "ungesüßt", "zuckerfrei" oder "ohne Zuckerzusatz", auch mit Ergänzungen wie "laut Gesetz", aus unserer Sicht Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Das kritisieren wir. 

Das Fazit der Kräutertees für Babys im Test 

All die Kritik hat zur Folge, dass nur zwei der überprüften Kräutertees für Babys mit Bestnote abschneiden. Welche das sind, erfahren Sie im ePaper: 

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Für unseren Test haben wir neun Kräutertees für Babys eingekauft. Nach den Anwendungshinweisen oder Produktauslobungen sind alle für Säuglinge und Kleinkinder geeignet. Bei der Auswahl bevorzugten wir fenchelhaltige Tees, um zu überprüfen, inwieweit die EMA-Empfehlung zur Reduktion der Estragolaufnahme von den Herstellern berücksichtigt wurde. War von einer Marke kein Tee mit Fenchel vorhanden, griffen wir zu einem anderen Kräutertee. Falls das Sortiment des Anbieters Produkte für Babys und für Kinder enthielt, wählten wir das Produkt für die jüngere Altersgruppe. Da wir in den Geschäften und Onlineshops keine konventionellen Babytees vorfanden, testeten wir ausschließlich Bio-Babytees, alle in Einzel-Portionsbeuteln.

In der trockenen Teemischung analysierte ein spezialisiertes Labor Pyrrolizidinalkaloide und Pestizide inkl. Glyphosat. Es erfolgten auch Prüfungen auf Perchlorat, Chlorat sowie Tropanalkaloide. Den Teeaufguss untersuchte ein Labor auf Estragol; Analysen auf Methyleugenol, Blei, sowie Cadmium fanden auch statt. Für die Zubereitung des Tees hielt sich das Labor an die Herstellervorgaben. War eine Zeitspanne angegeben, wählte das Labor die längstmögliche Ziehdauer, anschließend wurde der Teebeutel entfernt. Zudem verwendete das Labor die geringste angegebene Wassermenge; fehlte die Angabe, haben wir den Inhalt einer 200 Milliliter fassenden Standardtasse angenommen.

War der Tee als "glutenfrei" ausgelobt, ließen wir den Glutengehalt im Labor bestimmen. Per Deklaration erfassten wir Umweltauslobungen ohne ausreichende Erläuterungen oder Fundstelle, wichtige Hinweise zur Anwendung und Zubereitung wie der Verzicht auf zusätzliche Süßungsmittel, Altersempfehlungen sowie Werbung mit Selbstverständlichkeiten.  

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt, zugrunde gelegt werden die gemessenen Gehalte. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode. Bei Richt- und Orientierungswerten sowie Verarbeitungsfaktoren handelt es sich um rechtlich nicht bindende Werte, die eingehalten werden sollten, während rechtlich bindende Grenzwerte eingehalten werden müssen. Den Orientierungswert der EMA berechneten Experten für sensible Gruppen entsprechend der ICH-Leitlinie M7 für eine maximale Estragol-Aufnahme pro Tag. Zugrunde gelegt wurde ein Säugling mit 8 kg Körpergewicht und eine tägliche Portion von 100 Millilitern Teeaufguss.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: ein gemessener Gehalt an Estragol im Aufguss, der den Orientierungswert der European Medicines Agency (EMA, 2023) für Estragol in pflanzlichen Arzneimitteln für Kinder von 1 μg/kg Körpergewicht pro Tag zu mehr als 100 Prozent ausschöpft (in Tabelle: "stark erhöht"). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein gemessener Gehalt an Pyrrolizidinalkaloiden (Spektrum gemäß EU-Verordnung 2023/915), der den gesetzlichen Grenzwert von 75 μg/kg in Tee, aromatisiertem Tee und Kräutertee für Säuglinge und Kleinkinder zu mehr als 50 bis 100 Prozent ausschöpft (in Tabelle: "Pyrrolizidinalkaloide erhöht"); b) ein gemessener Gehalt an Chlorpyrifos, der den EU-Rückstandshöchstgehalt für die Samengewürze Fenchel und Anis von 0,01 mg/kg zu mehr als 50 bis 100 Prozent ausschöpft (in Tabelle: "Chlorpyrifos erhöht"). Zur Abwertung um eine Note führt: ein Mehrfachrückstand an zwei bis sechs Pestiziden und/oder Wirkverstärkern.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) ein gemessener Gehalt an Gluten von mehr als 20 mg/kg in einem als "glutenfrei" ausgelobten Produkt. Gemäß Durchführungsverordnung (EU) 828/2014 darf der Hinweis "glutenfrei" nur verwendet werden, wenn ein Lebensmittel beim Verkauf an den Endverbraucher einen Glutengehalt von höchstens 20 mg/kg aufweist; b) ein fehlender Hinweis gemäß Verordnung über Lebensmittel für bestimmte Verbrauchergruppen (LMBVV), dass bei der Zubereitung und vor der Verabreichung des Tees auf die Zugabe von Zucker und von anderen süßenden Zutaten verzichtet werden soll; c) eine Altersempfehlung vor dem vollendeten vierten Lebensmonat oder keine eindeutige Altersempfehlung, obwohl Angaben auf der Verpackung suggerieren, dass der Tee für Säuglinge oder Kleinkinder bestimmt ist. Gemäß LMBVV dürfen Tees für Säuglinge und Kleinkinder nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Kennzeichnung enthalten, ab welchem Alter der Tee verabreicht werden darf. Dabei darf das anzugebende Alter laut Verordnung nicht unter vier vollendeten Lebensmonaten liegen; d) Werbung mit Selbstverständlichkeiten ohne Hinweis auf gesetzliche Regelungen, wobei gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften oder selbstverständliche Umstände als etwas Besonderes hervorgehoben werden, obwohl vergleichbare Produkte diese ebenso aufweisen.

Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) Umweltauslobung ohne ausreichende Information oder konkrete Fundstelle auf dem Produkt; b) Werbung mit Selbstverständlichkeiten mit Hinweis auf gesetzliche Regelungen, wobei gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften oder selbstverständliche Umstände als etwas Besonderes hervorgehoben werden, obwohl vergleichbare Produkte diese ebenso aufweisen.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.  

Testmethoden 

Pyrrolizidinalkaloide: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus sechs Packungen).
Tropanalkaloide (Atropin, Scopolamin): LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus sechs Packungen).
Gluten: ELISA.
Glyphosat/Aminomethylphosphonsäure (AMPA)/Glufosinat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus sechs Packungen).
Pestizid-Screening: GC-MS/MS und LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus sechs Packungen).
Perchlorat, Chlorat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus sechs Packungen).
Estragol, Methyleugenol: nach ASU L 00.00-106 modifiziert. Untersuchung der Aromastoffe durch LRI-Kapillar-Gaschromatographie/Full-Scan MS nach Destillation, Extraktion und Anreicherung. Die Gehalte beziehen sich auf den nach Zubereitungsanleitung hergestellten Aufguss. Wurde ein Zubereitungszeitbereich angegeben, wurde die maximale Zeit gewählt. Wurde ein Wassermengenbereich angegeben, wurde die minimale Menge Wasser gewählt. 3 Teebeutel je aus unterschiedlichen Packungen in die dreifache Menge kochendes Wasser gegeben, Ziehzeit nach Herstellerangaben. Aufgussbeutel nach Ziehzeit entfernt.
Blei, Cadmium: Elementbestimmungen per Graphitrohr-AAS. Die Gehalte beziehen sich auf den nach Zubereitungsanleitung hergestellten Aufguss. Wurde ein Zubereitungszeitbereich angegeben, wurde die maximale Zeit gewählt. Wurde ein Wassermengenbereich angegeben, wurde die minimale Menge Wasser gewählt. 3 Teebeutel je aus unterschiedlichen Packungen in die dreifache Menge kochendes Wasser gegeben, Ziehzeit nach Herstellerangaben. Aufgussbeutel nach Ziehzeit entfernt.

Einkauf der Testprodukte: Dezember 2024 

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