Treuster Leser: 481 Ausgaben ÖKO-TEST – und er besitzt sie alle

Magazin April 2025: Müsli | Autor: Heike Baier | Kategorie: Freizeit und Technik | 30.03.2025

Arno Schelle hat alle ÖKO-TEST-Magazine gesammelt.
Foto: ÖKO-TEST

481 Ausgaben von ÖKO-TEST sind seit der Gründung von ÖKO-TEST vor 40 Jahren erschienen. Arno Schelle besitzt sie alle – und liest noch heute jedes Heft. Was hat ihn so lange bei der Stange gehalten? 

Arno Schelle wohnt in einem alten Bauernhaus in einem kleinen niedersächsischen Örtchen: Ein denkmalgeschütztes Fachwerkgebäude aus dem 19. Jahrhundert, am grün lackierten Scheunentor hängt ein Anti-AKW-Plakat. Er öffnet die Haustür, noch bevor man geklingelt hat und bittet lachend herein.

Ein freundlicher Mittfünfziger in Jeans und Fleecejacke. Schon am Telefon war er gleich offen gewesen für die Idee, bei unserem Jubiläumsheft mitzumachen. "Bin ich dabei", hatte er locker und ohne Zögern gesagt. Nun führt er in seine Bauernküche und kocht Tee.

Arno Schelle hat jedes ÖKO-TEST-Magazin aufgehoben

Arno Schelle soll hier stellvertretend für unsere vielen treuen Leserinnen und Leser stehen. Er soll uns erzählen, wie er schon so früh zum Abonnenten wurde, und warum er es bis heute geblieben ist. Dabei ist der 57-Jährige streng genommen gar kein durchschnittlicher ÖKO-TEST-Leser: Dann wäre er nämlich weiblich und rund zehn Jahre jünger. Aber er ist womöglich der einzige, der ÖKO-TEST nicht nur jeden Monat liest, sondern jedes einzelne Heft auch archiviert.

Alles begann 1987. Schelle hatte gerade Abi in der Kreisstadt Northeim gemacht, da kaufte er sich im dortigen Bioladen "Sonnenblume" sein erstes ÖKO-TEST-Heft und wurde bald darauf zum Abonnenten. Die Magazine der ersten beiden Jahrgänge flogen ihm später bei einer Archiv-Auflösung zu. Nur ein einziges Heft fehlte ihm jahrelang: Die Oktober-Ausgabe von 1985. Das schrieb er uns in seinem Glückwunschbrief zu unserem 35. Geburtstag – und so lernten wir ihn kennen.

Schelle liest leidenschaftlich gern – und zwar nicht nur ÖKO-TEST. Abonniert hat er auch den Spiegel, die taz und diverse andere Publikationen. Bücher und Zeitschriften stapeln sich in den vielen Räumen seines Hauses. Gerade habe er sich von zwei Jahrzehnten des Stiftung Warentest-Heftes getrennt, erzählt er augenzwinkernd.

Schelle hat Platz genug für sein Archiv, denn der Vater eines erwachsenen Sohnes wohnt heute allein in dem ehemaligen Bauernhof, auf dem er einst mit seinen drei Geschwistern aufwuchs, und wo er als Kind noch die Kühe gemolken hat. Als Erster in seiner Familie hatte er studieren dürfen und wurde Lehrer für Geschichte, Wirtschaft und Religion.

Der Kampf gegen Atomkraft ist sein Lebensthema

Doch sein Lese-Interesse gilt nicht nur allen Umweltbelangen. Ein besonderer Fokus liegt seit jeher auch auf dem Thema Atomkraft, zu dem er sich seit seiner Jugend politisch engagiert. Angeregt durch einen friedensbewegten Dorfpastor ist er schon als 15-Jähriger bei seiner ersten Demo gegen den Nato-Doppelbeschluss und die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen mitmarschiert.

Später war er bei den Anti-AKW-Demos in Brokdorf, Grohnde und Berlin dabei, machte als Mitglied der Grünen Anti-Atom-Arbeit und engagierte sich im Hamburger Verein .ausgestrahlt.

Dass Umweltministerin Steffi Lemke 2023 das geplante Atomabfall-Zwischenlager im nordrhein-westfälischen Würgassen stoppte, machte Schelle "echt stolz". Denn jahrelang hatte er mitgekämpft – nicht zuletzt indem er regionale und überregionale Redaktionen mit Leserbriefen zum Thema eindeckte. Getrieben von der Überzeugung, dass jeder Einzelne etwas bewirken könne, begreift er das Leserbrief-Schreiben als eine Art heilige Bürgerpflicht.

Zu Schelles Interessen gehört aber auch die Geschichte seiner Heimat, mit der er sich stark verbunden fühlt. "Es hat mich nie weggezogen hier und war mir nie zu eng", sagt er über seinen 900 Einwohner kleinen Heimatort. In seiner Freizeit schreibt er Bücher über Heimatgeschichte, die er im Selbstverlag herausbringt. Zum Beispiel über das ehemalige Konzentrationslager im nahe gelegenen Moringen, in dem während der NS-Zeit Frauen unerwünschter Gesinnung und später Jugendliche aus ganz Europa interniert waren.

(Foto: ÖKO-TEST )

Wegen Acrylamid verzichtete er ein halbes Jahr auf Chips

Im Wahlkampf klebte er für die Grünen Plakate in seinem Dorf, und wenn nötig diskutiert er mit anderen Menschen im Ort. Dafür braucht er Fachwissen und gute Argumente – und dabei habe ihm die ÖKO-TEST-Lektüre immer geholfen, sagt Schelle. "Ich habe das Heft jahrelang von vorn bis hinten gelesen", erzählt er.

Er erinnert sich, darin erstmals von der zweifelhaften Sinnhaftigkeit der Energiesparlampen erfahren zu haben; auch daran, dass er mal ein halbes Jahr auf Chips verzichtete, als die Diskussion um Acrylamid aufkam, oder eine schlecht getestete Zahnpasta wegwarf.

Am liebsten mag er die Geschichten, die Hoffnung machen und Fortschritte aufzeigen: Seine Lieblingsrubrik ist deshalb ÖKO-TEST wirkt mit den Produktnachbesserungen der Hersteller. Er wird sich über den Fingerfarben-Test freuen, und auch über das Porträt unseres ersten Art-Direktors Christof Gassner – denn Schelle ist ein Riesen-Fan von dessen frühen Cover-Designs.

Die fehlende Ausgabe hat Arno Schelle übrigens damals bekommen. Wir veröffentlichten seinen Leserbrief, und daraufhin meldete sich ein Chemiker aus dem nahen Göttingen, der ausgerechnet dieses Heft besaß. Die beiden tranken einen Kaffee zusammen – und zu Hause konnte Schelle die Lücke in seiner Sammlung endlich schließen.

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