- Im Test: Neun Bio-Kräutertees für Babys. Nach den Anwendungshinweisen oder Produktauslobungen sind alle für Säuglinge und Kleinkinder geeignet. Bei der Auswahl bevorzugten wir fenchelhaltige Tees.
- Fenchel enthält natürlicherweise Estragol. Das Problem? Der Stoff gilt als potenziell krebserregend und vermutlich erbgutverändernd.
- Teils sind wir in den Babytees im Test auf Estragolgehalte gestoßen, die wir als "stark erhöht" bewerten.
- Der Gehalt von Estragol schwankt in Naturprodukten wie Fenchel so stark, dass Eltern kaum steuern können, wie viel ihre Kinder beispielsweise mit einer Tasse Tee aufnehmen. Deshalb ist ein gesetzlicher Grenzwert für Estragol in Babytees dringend nötig.
- Neben den Estragolgehalten kritisieren wir vor allem gefundene Pflanzengifte und Pestizidrückstände.
- Zwei von neun Babytees im Test schneiden mit Bestnote ab. Sie erhalten keinerlei Minuspunkte für ihre Inhaltsstoffe.
Fenchelhaltige Tees galten lange als sanftes pflanzliches Hausmittel gegen Blähungen, Bauchschmerzen und Husten – und das schon für Babys und Kleinkinder. Doch Fenchel enthält ebenso wie andere Kräuter und Gewürze, etwa Estragon oder Anis, natürlicherweise den potenziell krebserregenden und vermutlich erbgutverändernden Stoff Estragol.
Und für diesen gibt es noch keine gesetzlichen Grenzwerte. Wir ließen die neun Testkandidaten auf Estragol untersuchen und wurden fündig – teils bewerten wir die gefundenen Gehalte als "stark erhöht". Und das ist nicht das einzige Problem der Tees im Test.
Doch bevor wir auf andere unerwünschte Inhaltsstoffe zu sprechen kommen, erklären wir, warum Estragol ein Problem in Babytees ist.
Babytee-Test: Estragol kann ein Problem in Kräutertees sein
Die Erkenntnis, dass bestimmte Kräuter und Gewürze Estragol enthalten, ist nicht neu. Doch 2023 hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ihre Empfehlungen aktualisiert. Kinder bis elf Jahre gehören demnach neben Schwangeren und Stillenden zu einer sensiblen Verbrauchergruppe, für die das Risiko durch Estragol besonders hoch ist. Deshalb hat die EMA für sie neue Orientierungswerte für die maximale tägliche Estragolaufnahme durch pflanzliche Arzneimittel erarbeitet.

Darüber hinaus gibt es Stimmen, die sich im Lebensmittelbereich sogar für noch strengere Werte aussprechen. Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) forderte 2022, dass besonders in Produkten für Kinder wie Baby- oder Kindertees die Estragolgehalte nach Möglichkeit unter die Nachweisgrenze gesenkt werden sollten.
EFSA prüft: Wie sicher sind fenchelhaltige Lebensmittel?
Zurzeit prüft die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Sicherheit fenchelhaltiger Lebensmittel, darunter Aufgüsse, Kräuter und Gewürze. Da laut der Behörde mit einer finalen Stellungnahme erst im September zu rechnen ist, ziehen wir für die Bewertung der Babytees in unserem Test den Orientierungswert der EMA für Arzneimittel heran.
Dieser Orientierungswert errechnet sich auf Grundlage des Körpergewichts und liegt daher für Säuglinge entsprechend niedrig. Knapp zwei Jahre nach der EMA-Veröffentlichung wollten wir wissen, was sich bei den Kräutertees für Babys getan hat.
Estragolgehalte über Orientierungswert der EMA für Arzneimittel
Dass trotz der EMA-Empfehlung nach wie vor so viele fenchelhaltige Kräutertees für Babys verkauft werden, hat uns irritiert. Und unsere Testergebnisse bestätigen, dass Forderungen nach Grenzwerten für den Lebensmittelbereich sinnvoll sind. Teils überschreiten die gemessenen Estragolgehalte den Orientierungswert der EMA für Arzneimittel, wenn ein acht Kilogramm schweres Baby 100 Milliliter Tee am Tag trinkt.
Da Estragolgehalte in Naturprodukten wie Fenchel etwa aufgrund von Sorte oder Herkunft stark schwanken, können Eltern kaum steuern, wie viel ihre Kinder beispielsweise mit einer Tasse Tee aufnehmen. Für andere Lebensmittel wie Milch- und Fischerzeugnisse gibt es bereits Grenzwerte für Estragol, die in der EU-Aromenverordnung (EC) 1334/2008 festgeschrieben sind.
Solche Maximalgehalte, die Hersteller einhalten müssen, sollte es unserer Meinung nach auch für Babytees geben. Dafür ist eine bessere Datenlage zu den Estragolgehalten von Lebensmitteln und den entsprechenden Verzehrmengen nötig. Daran arbeitet die EFSA.
Pflanzengifte in Babytee im Test gefunden
Ein häufiges Teeproblem, das auch in diesem Test eine Rolle spielt, sind Pyrrolizidinalkaloide (PA). Die natürlichen Pflanzengifte, die bei der Ernte über Beikräuter wie Jakobskreuzkraut oder Bilsenkraut in die Teemischung gelangen, können auch in den Aufguss übergehen.
Werden sie über längere Zeit aufgenommen, können die Abbauprodukte der PA Leber und Erbgut schädigen. Sie gelten zudem als möglicherweise krebserregend. Die Gehalte, die in den betroffenen Produkten gemessen wurden, schöpfen den gesetzlichen Grenzwert zu mehr als 50 Prozent aus.
Pestizidrückstände und Werbung mit Selbstverständlichkeiten
Neben Estragol und PA bemängeln wir auch Pestizidrückstände im Babytee-Test. Obwohl die meisten Pestizide im Öko-Anbau verboten sind, können sie als Verunreinigungen auch in Bio-Lebensmittel gelangen. Dreimal hat das Labor mindestens eine Spur davon nachgewiesen.
Wir verteilen Minuspunkte für Mehrfachrückstände von Pestiziden, weil unklar ist, wie sich mehrere Wirkstoffe in Kombination auf den Organismus auswirken – und konkret für Gehalte des Spritzmittels Chlorpyrifos, die wir als "erhöht" bewerten. Chlorpyrifos steht im Verdacht, das Erbgut und die neurologische Entwicklung negativ zu beeinflussen und gilt als giftig für Bienen.
Weitere Mängel sehen wir in den Deklarationen mancher Babytees. Da der Zusatz süßender Zutaten wie Zucker, Honig oder Sirup in Babytees inzwischen verboten ist, sind Auslobungen wie "ungesüßt", "zuckerfrei" oder "ohne Zuckerzusatz", auch mit Ergänzungen wie "laut Gesetz", aus unserer Sicht Werbung mit Selbstverständlichkeiten. Das kritisieren wir.
Das Fazit der Babytees im Test
All die Kritik hat zur Folge, dass nur zwei der überprüften Kräutertees für Babys mit Bestnote abschneiden. Welche das sind, erfahren Sie im ePaper:
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