Für eine Überraschung ist Lidl immer gut. Das kann die XXL-Packung Spaghetti für 39 Cent sein, die Milka-Tafel für 49 Cent - oder auch ein handfester Skandal. Mal ist von der Bespitzelung von Mitarbeitern die Rede. Dann von den Arbeitsbedingungen bei einem Brötchenlieferanten. Auch als die Muttergesellschaft des Discounters bei der Bio-Supermarktkette Basic einstieg, geriet Lidl in die Schlagzeilen. Der Deal ist zwar längst geplatzt. Trotzdem scheint das Unternehmen aus Neckarsulm immer wieder gerne für Aufsehen in der Branche zu sorgen.
Beispiel Werbung: Kein anderer Discounter hat es bislang für nötig gehalten, im Fernsehen auf sich aufmerksam zu machen - schon gar nicht mit einer Kampagne, bei der es um Gefühle geht, und nicht nur um den Preis. Und die Weisheit, dass ein Discounter zwar Waren verkauft, nicht aber selbst herstellt, stimmt bei Lidl auch nicht immer. Im Gegenteil: Der Discounter produziert zunehmend selbst, besitzt mit der Mitteldeutschen Erfrischungsgetränke (MEG) bereits einen der Topmineralwasser- und Limonadenabfüller sowie eine eigene Schokoladenfabrik. Außerdem gibt es eine Firma, die zum Beispiel Pizza exklusiv an Lidl liefert.
Die vielleicht größte Überraschung lieferte Lidl aber im Jahr 2006: Ausgerechnet der Discounter, der vielleicht am aggressivsten mit dem Rotstift wirbt, hat plötzlich Fairtradeprodukte im Regal: Kaffee, Tee, Schokolade. Ein zugegeben eher kleines Sortiment. Aber immerhin ist Lidl der einzige Discounter mit einer eigenen Fairmarke. Und weil Lidl eben Masse verkauft, gehört der Discounter inzwischen zu den wichtigsten Fairhändlern Deutschlands.
Billig und fair - geht das? Diese Frage haben wir zum Schwerpunkt dieses Teils unserer großen Discounterserie gemacht, in der wir Produkte untersuchen, die als nachhaltig, bio oder sonstwie "besser" daherkommen. Transfair, die Organisation, die das Fairtradelogo vergibt, sieht zumindest keine Probleme, wenn Fairprodukte als preiswerte Massenware über die Discounterkasse gehen (siehe Interview).
Ob die Fairprodukte bei Lidl wirklich Umsatzbringer sind, ist eine andere Frage. Wie viel Umsatz Lidl mit Fairprodukten macht, wollte uns der Discounter auf Anfrage nicht sagen. Aus dem doch eher schmalen Regalplatz, den Lidl fairen Produkten im Vergleich zu konventioneller Ware gibt, kann man jedoch folgern, dass Fairprodukte eher ein Randaspekt im Kaffee- und Schokoladenregal sind. Wenn auch ein begrüßenswerter.
Ein Zuschlag für die Bauern
Wenn von fairem Umgang die Rede ist, geht es aber längst nicht mehr nur um die Produktionsbedingungen für Kaffee, Reis oder Bananen. Spätestens seit den Protesten der Milchbauern im Jahr 2008 weiß man, dass auch die Landwirte vor der eigenen Haustür anständige Preise für ihre Produkte wollen. Und immer mehr Verbraucher interessiert, wo beispielsweise die Milch herkommt: Von dem kleinen Hof in der Nähe oder von einer großen Agrarfabrik am anderen Ende ...