49 Bio-Produkte von Lidl im Test

Fairbilligt

ÖKO-TEST Juni 2011 | | Kategorie: Essen und Trinken | 27.05.2011

49 Bio-Produkte von Lidl im Test

Lohnt sich Lidl wirklich? Für den letzten Teil unserer großen Discounterserie haben wir wieder nachhaltige Produkte geprüft. Auf den ersten Blick sind wir recht zufrieden. Bei genauerem Hinschauen zeigt sich aber, dass manches "bessere" Produkt so viel nachhaltiger gar nicht ist.

Für eine Überraschung ist Lidl immer gut. Das kann die XXL-Packung Spaghetti für 39 Cent sein, die Milka-Tafel für 49 Cent - oder auch ein handfester Skandal. Mal ist von der Bespitzelung von Mitarbeitern die Rede. Dann von den Arbeitsbedingungen bei einem Brötchenlieferanten. Auch als die Muttergesellschaft des Discounters bei der Bio-Supermarktkette Basic einstieg, geriet Lidl in die Schlagzeilen. Der Deal ist zwar längst geplatzt. Trotzdem scheint das Unternehmen aus Neckarsulm immer wieder gerne für Aufsehen in der Branche zu sorgen.

Beispiel Werbung: Kein anderer Discounter hat es bislang für nötig gehalten, im Fernsehen auf sich aufmerksam zu machen - schon gar nicht mit einer Kampagne, bei der es um Gefühle geht, und nicht nur um den Preis. Und die Weisheit, dass ein Discounter zwar Waren verkauft, nicht aber selbst herstellt, stimmt bei Lidl auch nicht immer. Im Gegenteil: Der Discounter produziert zunehmend selbst, besitzt mit der Mitteldeutschen Erfrischungsgetränke (MEG) bereits einen der Topmineralwasser- und Limonadenabfüller sowie eine eigene Schokoladenfabrik. Außerdem gibt es eine Firma, die zum Beispiel Pizza exklusiv an Lidl liefert.

Die vielleicht größte Überraschung lieferte Lidl aber im Jahr 2006: Ausgerechnet der Discounter, der vielleicht am aggressivsten mit dem Rotstift wirbt, hat plötzlich Fairtradeprodukte im Regal: Kaffee, Tee, Schokolade. Ein zugegeben eher kleines Sortiment. Aber immerhin ist Lidl der einzige Discounter mit einer eigenen Fairmarke. Und weil Lidl eben Masse verkauft, gehört der Discounter inzwischen zu den wichtigsten Fairhändlern Deutschlands.

Billig und fair - geht das? Diese Frage haben wir zum Schwerpunkt dieses Teils unserer großen Discounterserie gemacht, in der wir Produkte untersuchen, die als nachhaltig, bio oder sonstwie "besser" daherkommen. Transfair, die Organisation, die das Fairtradelogo vergibt, sieht zumindest keine Probleme, wenn Fairprodukte als preiswerte Massenware über die Discounterkasse gehen (siehe Interview).

Ob die Fairprodukte bei Lidl wirklich Umsatzbringer sind, ist eine andere Frage. Wie viel Umsatz Lidl mit Fairprodukten macht, wollte uns der Discounter auf Anfrage nicht sagen. Aus dem doch eher schmalen Regalplatz, den Lidl fairen Produkten im Vergleich zu konventioneller Ware gibt, kann man jedoch folgern, dass Fairprodukte eher ein Randaspekt im Kaffee- und Schokoladenregal sind. Wenn auch ein begrüßenswerter.

Ein Zuschlag für die Bauern

Wenn von fairem Umgang die Rede ist, geht es aber längst nicht mehr nur um die Produktionsbedingungen für Kaffee, Reis oder Bananen. Spätestens seit den Protesten der Milchbauern im Jahr 2008 weiß man, dass auch die Landwirte vor der eigenen Haustür anständige Preise für ihre Produkte wollen. Und immer mehr Verbraucher interessiert, wo beispielsweise die Milch herkommt: Von dem kleinen Hof in der Nähe oder von einer großen Agrarfabrik am anderen Ende ...

Testverfahren

So haben wir getestet

Der Einkauf

Nachdem wir in den vergangenen Ausgaben nachhaltige Produkte von Aldi, Netto Marken-Discount, Norma und Penny unter die Lupe genommen haben, folgt nun das Angebot von Lidl. Wieder landeten ganz unterschiedliche Lebensmittel im Einkaufswagen: von Eiern, Milch, Käse und Brot bis hin zu Kaffee, Saft, Fisch und Schokolade. Alle Produkte sollten auch dieses Mal mit einem "nachhaltigen Mehrwert" ausgestattet sein. Dabei fanden unsere Einkäufer neben Bio-Waren und MSC-zertifiziertem Fisch auch mehrere fair gehandelte Artikel unter der Marke Fairglobe - eingekauft wurden Orangensaft, Kaffee, Bitterschokolade und schwarzer Tee. Ins Auge fiel auch eine größere Auswahl an als regional beworbenen Produkten mit Namen Ein gutes Stück Heimat - davon kauften wir Möhren, Milch, Kartoffelpüree, Apfel-Kirsch-Saft und Nudeln.

Die Inhaltsstoffe

Die unterschiedlichen Produkte erforderten unterschiedliche Untersuchungsprogramme - wobei selbstverständlich für alle Discounter der gleiche Maßstab angelegt wurde. Das heißt, die einzelnen Produktgruppen wurden discounterübergreifend nach den gleichen Kriterien getestet. Als neue Produktgruppe in den Test kam dieses Mal ein Bio-Weizenmehl. Hier ließen wir im Labor unter anderem überprüfen, ob die Mehltype korrekt angegeben ist. Dazu wird der Mineralstoffgehalt gemessen und mit einer DIN-Norm verglichen. Abweichungen können die Backeigenschaften des Mehls verschlechtern. Schlimmer jedoch, wenn das Mehl mit Schimmelpilzgiften belastet wäre. Um dies auszuschließen, wurde das für Weizen typische Schimmelpilzgift Deoxynivalenol (DON) untersucht. Zusätzliche Analysen mussten auch die Bio-Reiswaffeln über sich ergehen lassen. Hier ließen wir neben Schimmelpilzgiften, Pestiziden und Acrylamid nach giftigem Arsen fahnden, weil sich dieses im Reis anreichern kann. Bei der Fairglobe Bitterschokolade standen hingegen Qualitätsparameter im Vordergrund, etwa ob so viel Kakao verarbeitet wurde, wie auf der Packung angegeben. Wir checkten zusätzlich das Schwermetall Cadmium, das in manchen Kakaosorten in größeren Mengen vorkommen kann.

Weitere Untersuchungen

Damit nicht genug. Bei Saft, Milch, Käse, Nudeln und Fisch wollten wir auch wissen, ob der Geschmack, der Geruch und die Konsistenz stimmten. Dabei gibt es für jedes Produkt spezifische Vorgaben, die wir von sensorisch geschulten Experten überprüfen ließen. Subjektive Vorlieben haben hier übrigens nichts zu suchen. Die Prüfer testen vielmehr, ob die Produkte über festgelegte sensorische Eigenschaften verfügen oder eben nicht. Bei den Eiern kam die Überprüfung der Güteklasse hinzu, wobei unter anderem die Frische, die Sauberkeit der Schalen, das Eigewicht und die Lesbarkeit des Eierstempels im Fokus standen. Auch hier sind genaue Vorgaben zu erfüllen.

Die Bewertung

Ausschlaggebend für das Gesamturteil war meist das Testergebnis Inhaltsstoffe. Denn dieses ging mit 60 bis 100 Prozent stärker in die Bewertung ein, als etwa die Sensorik, also die Beurteilung des Geschmacks oder der Konsistenz. Eine Ausnahme stellten die Eier dar - hier beruhte die Gesamtbewertung zu gleichen Teilen auf den Testergebnissen der Inhaltsstoffe und der Güteklasse. Unter das Testergebnis Weitere Mängel fielen vor allem Deklarationsmängel, die in der Summe das Gesamtergebnis durchaus verschlechtern konnten.