Über Zucker wird viel diskutiert. Er gilt als ungesunder Dickmacher, weckt aber auch Glücksgefühle und sorgt für einen schnellen Energiekick. Gerade Kinder können süßen Verlockungen nur schwer widerstehen. Doch sollte man nicht besser komplett auf Zucker verzichten? Wir haben die häufigsten Behauptungen unter die Lupe genommen.
Mythos 1: Der Körper braucht Zucker
Das stimmt so nicht: "Wir müssen keinen Zucker als Lebensmittel zu uns nehmen", sagt Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Was der Körper – genau genommen das Gehirn – aber benötigt, sind 130 Gramm Glucose pro Tag.
Der Einfachzucker gehört zu den Kohlenhydraten. Zucker ist "die schlechteste Möglichkeit", sich mit Glucose zu versorgen, sagt Restemeyer. Denn unser Stoffwechsel kann den Traubenzucker auch aus Mehrfachzuckern wie Stärke aufspalten. Die nehmen wir beispielsweise über Brot und Nudeln auf.
Getränke und Lebensmittel, die mit Zucker gesüßt sind, enthalten oft kaum Nährstoffe, immer jedoch unnötige Kalorien. Zucker erhöht außerdem das Kariesrisiko.
Mythos 2: Fruchtzucker ist gesünder als Haushaltszucker
Ein Trugschluss, sagt DGE-Expertin Silke Restemeyer. Ob Süße aus Früchten, Agavendicksaft oder Kokosblütenhonig: "Diese Alternativen sind wie Haushaltszucker zu bewerten." Ernährungswissenschaftlerinnen raten für eine gesunde Ernährung, weniger als zehn Prozent der Energie täglich über Zucker aufzunehmen.
Bei Fruchtzucker unterscheiden sie allerdings zwischen freiem Zucker und der Fructose, die natürlicherweise im intakten Zellverband in Obst vorkommt: Säfte und Smoothies rechnet man zu den zehn Prozent, Obst jedoch nicht. Denn Obst sättige weit mehr als die flüssigen Varianten.
Eine "Gefahr", wegen des Zuckers zu viel Obst pro Tag zu essen, sieht Restemeyer mit Blick auf die Essgewohnheiten der Deutschen nicht. "Die meisten von uns kommen gar nicht auf die empfohlene Menge von zwei Portionen am Tag."
Mythos 3: Zucker macht so süchtig wie Kokain
Das wird zwar immer wieder gemeldet – aber das stimmt so nicht, sagt Ute Alexy, Ökotrophologin am Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Bonn. Der süße Geschmack löst zwar aus, dass das Glückshormon Dopamin im Gehirn ausgeschüttet wird. Und das passiert auch, wenn man Drogen nimmt – aber eben genauso, wenn man Musik hört oder Freunde trifft.
Was uns Freude macht oder uns befriedigt, sorgt dafür, dass als eine Art Belohnung lusterzeugende Stoffe freigesetzt werden. Das bedeutet aber auch: Wenn Dopamin ausgeschüttet wird, kriegen wir das Signal, etwas zu wiederholen – um dafür noch einmal belohnt zu werden.
"Man bekommt zwar einen solchen Belohnungskick, wenn man Süßes ist. Aber das ist nicht mit einer Sucht wie bei Drogen, Nikotin oder Alkohol vergleichbar", betont die Wissenschaftlerin.
Mythos 4: Am besten ist es, gar keinen Zucker zu essen
"Wenn es um Zucker geht, ist schnell alles schwarz und weiß", kritisiert Ute Alexy. "Man tut sehr gut daran, wenn man versucht, Zucker in der Ernährung zu reduzieren – aber man muss nicht komplett darauf verzichten." Das führe auch zu unnötigen Konflikten in Familien – etwa wenn Eltern ihren Kindern Süßes komplett verbieten. "Kinder haben eine besonders hohe Süßpräferenz", erklärt Alexy.
Das ist evolutionsbedingt: Süße Lebensmittel sind in der Natur nicht giftig und liefern Energie, die der Nachwuchs zum Wachsen braucht. Bloß kommen Kinder und Jugendliche heute eben überall an Süßes ran. Die angeborene Präferenz nimmt bis ins Erwachsenenalter ab, erklärt die Expertin. Sie betont: "Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation ist nicht null Prozent Zucker, sondern maximal zehn Prozent der Energiezufuhr."
Mythos 5: Süßstoff erleichtert das Abnehmen
Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer rät Menschen, die abnehmen wollen, sich weniger süß zu ernähren. Wer jedoch große Probleme habe, süße Erfrischungsgetränke zu reduzieren, dem könne der Umstieg auf Produkte mit Süßstoffen die ersten Schritte zur Gewichtsreduktion erleichtern.
"Auf Dauer ist das aber nicht zu empfehlen", sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Im vergangenen Jahr hat das American College of Cardiology eine Studie veröffentlicht. Süßstoffe sind der Untersuchung zufolge genauso riskant für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie klassischer Haushaltszucker.
Mythos 6: Traubenzucker steigert die Konzentrationsfähigkeit
Wenn unser Körper Traubenzucker aufnimmt, steigt der Blutzuckerspiegel an. Kurzzeitig steigt dadurch die Leistungsfähigkeit, weil Glucose im Gehirn ankommt. "Doch der Blutzuckerspiegel fällt danach relativ schnell wieder ab", warnt Silke Restemeyer – "und mit ihm die Leistungsfähigkeit". Greift man erneut zum Traubenzucker, kommt es zum Auf und Ab.
Viel besser ist es, den Blutzuckerspiegel konstant zu halten – mit Lebensmitteln wie Vollkornbrot, Hülsenfrüchten, Gemüse, Obst oder Kartoffeln. Vor einer Klassenarbeit oder Klausur empfiehlt die Ernährungswissenschaftlerin Schülerinnen und Schülern ein ausgewogenes Frühstück für die Konzentration – anstelle von Traubenzucker.
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