Anfang der 1930er-Jahre gab es auf Deutschlands Feldern nur wenige Trecker. Meist waren die Äcker so klein, dass sich der Einsatz schlicht nicht lohnte. Die Politik freilich hatte das Potenzial schon früher erkannt, das in den bollernden, oft noch unförmigen Ungetümen steckte: Landwirte, die nicht mehr gemächlich hinter Pflug und Pferd einhertrotteten, konnten viel effizienter arbeiten - was insbesondere in einer Zeit, da immer mehr ehemalige Landbewohner in die Industriestädte zogen, notwendig erschien. Also unterstützte der Staat die Anschaffung von Traktoren per Kfz-Steuergesetz.
Gut 80 Jahre später gehören Traktoren auf jedem Bauernhof zur Grundausstattung. Eines finanziellen Anreizes, damit die Landwirte auf Maschinen statt auf Muskelkraft setzen, bedarf es eigentlich nicht mehr. Kfz-Steuer indes muss für Trecker noch immer nicht gezahlt werden: Zugmaschinen in der Landwirtschaft sind, so besagt es § 3 des Kfz-Steuergesetzes, davon ausgenommen. Die Maßnahme diene "bis heute der Förderung der Motorisierung und Rationalisierung" auf dem Lande, schreiben Bernhard Burdick und Uta Lange vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie in einer Studie über Subventionen in der Landwirtschaft.
Weil es aber inzwischen eher zu viel als zu wenig Maschinen auf dem Land gibt, könne das Zugeständnis an die Bauern "in seiner Zielsetzung als überholt angesehen werden". Für eine Abschaffung spreche nicht zuletzt, dass die Maßnahme "ökologisch kontraproduktiv" sei, fügen die Autoren an: Die Motoren der Trecker verpesteten die Luft, ihre Reifen verdichteten den Boden. Würden Kfz-Steuern erhoben und der Agrardiesel weniger gestützt, würde mancher Landwirt über eine angemessene Ausstattung nachdenken oder einem Maschinenring beitreten, bei dem sich mehrere Landwirte die Trecker teilen.
Die Kfz-Steuerbefreiung für Traktoren ist nur eine von vielen finanziellen Hilfen, die der Staat gewährt - eine eher bescheidene dazu: Zuletzt verzichteten die Länder dadurch auf Einnahmen von 55 Millionen Euro. Der Betrag wirkt vergleichsweise läppisch gegenüber den 500 Millionen Euro, die dem Staatssäckel durch die generösen Regeln für die Besteuerung von Dienstwagen entgehen, oder den 7,2 Milliarden, die nicht in die Kasse kommen, weil Kerosin von der Energiesteuer befreit ist, oder dem Spitzenreiter, der kostenfreien Zuteilung von CO2-Emissionsberechtigungen, mit rund 7,8 Milliarden Euro.
Doch der Staat verzichtet mit solchen Maßnahmen nicht nur auf bares Geld, sondern unterstützt zugleich die Zerstörung der Umwelt. Billige Flugtickets bewirken, dass zum Wochenendausflug eher mit dem Flieger nach London als mit dem ICE nach Berlin gereist wird. Das Dienstwagenprivileg ermöglicht es Angestellten, ihre Kinder im dicken Geländewagen zur nahe gelegenen Schule zu fahren. Und die erlassene Kfz-Steuer für Trecker fördert weiter die Motorisierung auf dem Land - wenn auch wohl nur ein wenig. Wie aber lautet eine grundlegende bäuerliche Lebensweisheit? Kleinvieh macht auch Mist.
Diese Redewendung drängt sich auch bei der Lektüre von Studien auf, die versuchen, einen Gesamtüberblick über alle umweltschädlichen Subventionen in der Bundesrepublik zu bieten - und mit beeindruckenden Zahlen aufwarten. Im Jahr 2008 waren in Deutschland Subventionen von satten 48 Milliarden Euro als umweltschädlich einzustufen, belegt Andreas Burger, Fachgebietsleiter im Umweltbundesamt (UBA) und Mitautor der im Juni 2010 aktualisierten Publikation Umweltschädliche Subventionen in Deutschland. Zu den dicksten Brocken zählt mit 6,22 Milliarden Euro immer noch die Eigenheimzulage, die zwar 2006 abgeschafft wurde, aber erst sieben Jahre danach ausläuft. Sie fördert den Trend zum Hausbau in ländlichen Gebieten und damit den Landschaftsverbrauch, sagen Kritiker und verweisen auf das offizielle politische Ziel, den Flächenverbrauch in Deutschland bis 2020 auf 30 Hektar am Tag zu begrenzen.
Was sind eigentlich Subventionen?
Bezogen sind die Statistiken nur auf die Bundesebene. Die Analysen sind detektivische Arbeit - auch deshalb, weil es keine einheitliche Auffassung gibt, was genau unter Subventionen verstanden wird und weil sich nicht in jedem Fall auf den ersten Blick deren Wirkung auf die Umwelt erfassen lässt.
Für die Studien aus dem Dessauer UBA sei jedenfalls "ein weiter Subventionsbegriff" angewendet worden, erklärt Andreas Burger. Der gehe sogar über denjenigen hinaus, der beim regelmäßig erscheinenden Subventionsbericht der Bundesregierung zugrunde gelegt wird. Das UBA erfasst Finanzhilfen und Steuervergünstigungen, aber auch staatliche Bürgschaften und die "Bereitstellung von Gütern, Leistungen und Rechten" zu vergünstigten Preisen. Es ist aber mitunter schwierig, einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen Subvention und Umweltschaden herzustellen.
Generell sind solche ökonomischen Anreize als umweltschädlich zu verstehen, die nicht nachhaltiges Verhalten direkt oder indirekt fördern - sei es, dass sie dem Flugzeug Vorteile gegenüber der Bahn verschaffen, das Bauen auf der grünen Wiese fördern oder das Verfeuern von Heizöl günstiger erscheinen lassen als das Heizen mit Erdgas.
Umweltschädliche Anreize halten sich hartnäckig
Darüber, welche staatlichen Zugeständnisse und Beihilfen als besonders pervers gelten, herrscht weitgehende Einigkeit bei den Kritikern. In einer Hitliste der am dringlichsten zu beseitigenden Subventionen stehen neben der Kerosinsteuerbefreiung und dem Dienstwagenprivileg verschiedene Sonderregelungen für energieintensive Industrien, die gerade bei der Steuerreform wieder verschont wurden. Daneben gibt es weitere heiße Kandidaten auf einer nötigen Streichliste: Pendlerpauschale und günstige Steuersätze für Diesel wie für Agrardiesel, dazu Subventionen für Braunkohle. Braunkohleförderer müssen weder die übliche Förderabgabe für Bodenschätze in Höhe von zehn Prozent des Marktpreises noch Entgelt für die Entnahme von Grundwasser zahlen.
Das Beispiel Braunkohle zeigt freilich, warum sich umweltschädliche Subventionen hartnäckig halten - und oft als solche gar nicht anerkannt werden. Vielfach kann die Förderabgabe deshalb nicht erhoben werden, weil die Unternehmen Altrechte nutzen. Die Rechte stammen aus DDR-Zeiten und sind von den heutigen Eigentümern erworben worden, als diese die ostdeutschen Grubenbetriebe von der Treuhand kauften.
Alte Gewohnheiten, der harte internationale Wettbewerb, wahlweise auch die soziale Gerechtigkeit werden immer wieder angeführt, wenn es umweltschädlichen Subventionen an den Kragen gehen soll. Beispiel: die Pendlerpauschale. Die Vergünstigung, die nach Ansicht von Kritikern den Trend zu langen Arbeitswegen und damit die Zersiedlung der Landschaft unterstützt, wollte die Bundesregierung nur noch ab dem 21. Kilometer gewähren. Auch wenn das nicht aus ökologischen, sondern fiskalischen Motiven geschah, wäre das ein sinnvoller erster Schritt gewesen, hieß es beim Verkehrsclub Deutschland (VCD), der die Abschaffung fordert. Pustekuchen: Das Bundesverfassungsgericht widersprach der Regierung; die Pendlerpauschale wird auf absehbare Zeit wieder gewährt. Dabei sind bessere Lösungen denkbar, zum Beispiel Zuschläge für Menschen mit niedrigem Einkommen und weitem Arbeitsweg. Die bisherigen Regelungen sind nicht nur unökologisch, sie werden auch überdurchschnittlich von Menschen mit höherem Einkommen genutzt.
Ähnlich läuft es faktisch bei allen Vergünstigungen. Subventionen machen abhängig, weshalb sich ihre Nutznießer lautstark gegen drohende Beschneidungen wehren. Dagegen verteilt sich der Nutzen einer Abschaffung auf viele Betroffene, bleibt aber oft diffus: Eine geringere Verpestung der Luft schlägt sich zunächst bei niemandem im Geldbeutel nieder.
Positives Beispiel: Landwirtschaft
Der Abbau von Subventionen ist und bleibt daher schwierig. Von der Liste der kontraproduktiven Förderungen verschwinden nur die Eigenheimzulage, die ebenfalls massiv zur Zersiedlung beitrug, bis 2013 aber nun schrittweise ausläuft, sowie die Subventionen für die Steinkohle. Diese sollen 2018 enden - nach Meinung des UBA viel zu spät, aber immerhin. In anderen Fällen sei es gelungen, Subventionen so zu gestalten, dass sie den Schutz der Umwelt fördern - etwa in der Landwirtschaft. Die Direktzahlungen der EU unterstützen mit der Neugestaltung der Agrarpolitik seit 2005 nicht mehr ausschließlich eine intensive Produktion, sondern auch ökologisch sinnvollere Wirtschaftsformen. Ein Schritt in die richtige Richtung.
Umweltschädliche Subventionen in Deutschland
Bauen
Eigenheimzulage (wurde 2006 abgeschafft und läuft bis 2013 aus)6.223 Mio.
Bausparförderung 467 Mio.
Soziale Wohnraumförderung 518 Mio.
Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" nicht quantifizierbar
Landwirtschaft
Steuervergütung für Agrardiesel 135 Mio.
Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge von der Kfz-Steuer 55 Mio.
Subventionen der Branntweinproduktion 80 Mio.
Agrarförderung der EU nicht quantifizierbar
Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" nicht quantifizierbar
Energie
Energiesteuerermäßigung für produzierendes Gewerbe und Landwirtschaft 2.415 Mio.
Spitzenausgleich bei Öko-Steuer für produzierendes Gewerbe 1.962 Mio.
Steuerentlastung für energieintensive Verfahren 886 Mio.
Steinkohlesubventionen 2.454 Mio.
Begünstigungen für Braunkohle 195 Mio.
Energiesteuervergünstigung für Kohle 154 Mio.
Herstellerprivileg für Produzenten von Energieerzeugnissen 270 Mio.
Energiesteuerbefreiung für nicht energetische Verwendung fossiler Brennstoffe 1.600 Mio.
Kostenfreie Zuteilung von CO2-Emissionshandelszertifikaten 7.783 Mio.
Subventionen für Atomenergie nicht quantifizierbar
Transport und Verkehr
Energiesteuervergünstigung für Diesel 6.633 Mio.
Pendlerpauschale 4.350 Mio.
Energiesteuerbefreiung für Kerosin 7.232 Mio.
Energiesteuerbefreiung der Binnenschifffahrt 118 Mio.
Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge 4.237 Mio.
Pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen 500 Mio.
Nach Angaben des Umweltbundesamts summierten sich die Gelder, mit denen der Staat umweltschädliche Industrien und Maßnahmen unterstützt, auf satte 48 Milliarden Euro; das sind die 2010 zuletzt erhobenen Daten für 2008 - gut 14 Prozent mehr als 2006.