Wie gesund sind Kindertattoos? Fast alle enthalten bedenkliche Stoffe

Magazin Februar 2025: Vollkornbrot | Autor: Christine Throl/Marieke Mariani/Lena Wenzel | Kategorie: Kinder und Familie | 30.01.2025

Wie gesund sind Kindertattoos? 15 Tattoobögen im Test.
Foto: GOLFX/Shutterstock

Cool, bunt, ungesund: Fast alle Kindertattoos schneiden in unserem Test mit "ungenügend" ab. Wir kritisieren vor allem bedenkliche Inhaltsstoffe. Das von uns beauftragte Labor ist sogar auf krebserregende und krebsverdächtige Substanzen gestoßen. 

  • Im Test: 15 Marken temporärer, abwaschbarer Kindertattoos. Wir haben sie in Spielzeugläden, Schreibwaren-, Kostüm- und Partybedarfsgeschäften sowie in Drogerien und im Internet eingekauft. 
  • Nur 2 von 15 Kindertattoos im Test sind empfehlenswert.
  • Die meisten Tattoobögen fallen durch unseren Test. Die Hauptgründe: Bedenkliche Inhaltsstoffe, darunter krebserregende und krebsverdächtige Substanzen. 
  • Unser Fazit: Klebetattoos sollten Kinderhaut nicht dauerhaft zieren, sondern wenn überhaupt besser eine Ausnahme bleiben.

Aktualisiert am 30.1.2025 | Trägt ein Kind ein buntes Klebetattoo auf dem Arm, wollen plötzlich alle eins. Kaum eine Familie kann sich dem Trend im Laufe der Kindergarten- und Grundschulzeit entziehen. Dabei kommt ein Bildchen selten allein. Einhörner, Dinos, Schmetterlinge und Bagger möchten – am liebsten täglich wechselnd – stolz zur Schau getragen werden.

Nach einiger Zeit verabschiedet sich das Motiv dann nach und nach von selbst oder wird entfernt. Und das ist mitunter gar nicht so leicht. Bei solch intensivem und andauernden Hautkontakt wollen Eltern zu Recht wissen, was da eigentlich auf der Haut ihres Nachwuchses klebt. Doch selbst wer sich informieren möchte, hat dazu nicht immer die Möglichkeit. Längst nicht auf allen Produkten gibt es Inhaltsstoffangaben.  

Die meisten Kindertattoos fallen im Test durch 

Wir haben das zum Anlass genommen, uns 15 Kindertattoo-Marken genauer anzusehen. Fanden wir keine Inhaltsstoffliste auf der Produktverpackung, fragten wir sie beim Hersteller ab. Darüber hinaus schickten wir die Tattoobögen in verschiedene Labore, die sie auf eine Vielzahl von Problemstoffen untersuchten. Das Ergebnis ist wenig erfreulich und könnte gegensätzlicher kaum sein. 

Der überwiegende Teil der Kindertattoos fällt mit "ungenügend" durch. Zwei Anbieter nahmen die Produkte auf ihren Plattformen aus dem Verkauf. Mit Bestnote schneiden nur zwei Tattoobögen ab. 

So bewertet ÖKO-TEST Klebetattoos 

Ist ein Kindertattoo ein Kosmetikprodukt oder ein Spielzeug? Die Hersteller verfolgen bei der Einordnung ihrer Produkte unterschiedliche Ansätze, viele legen jedoch beide Maßstäbe an.

2016 ordneten Sachverständige der Länder und des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in einer Stellungnahme "Erzeugnisse auf einer Trägerfolie, bei denen ausschließlich Farbstoffe und Farbstoffe in Stoffgemischen auf die Haut übertragen werden" als kosmetische Mittel ein. Alle anderen Produkte unterlägen einer Einzelfallprüfung.

Produkte mit einem "spielerischen Zweitnutzen" müssten sowohl kosmetikrechtliche Anforderungen als auch die der Spielzeugrichtlinie erfüllen und seien mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen.

Da es sich um ein Produkt für Kinder handelt, wo problematische Stoffe generell vermieden werden sollten, haben wir uns dazu entschieden, für die Bewertung aller Produkte sowohl die Maßstäbe für Kosmetikprodukte als auch für Spielzeug anzulegen.

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Krebserregende Stoffe in Kindertattoos gefunden 

Das von uns beauftragte Labor hat in den Kindertattoos im Test – teils vereinzelt – sehr problematische Inhaltsstoffe nachgewiesen, dazu gehören Benzol, Naphthalin und Antimon. Weitere Stoffe wie Vinylacetat und Talkum haben wir auf den Inhaltsstofflisten gefunden.  

Schutzfolie abziehen, Trägerpapier mit Motiv nach unten auf die gewünschte Körperstelle legen und befeuchten – nach wenigen Sekunden löst sich das Bild und haftet auf der Haut.
Schutzfolie abziehen, Trägerpapier mit Motiv nach unten auf die gewünschte Körperstelle legen und befeuchten – nach wenigen Sekunden löst sich das Bild und haftet auf der Haut. (Foto: GOLFX/Shutterstock)
  • Benzol ist als krebserregend eingestuft. In Kosmetikprodukten ist die Substanz generell verboten, der gemessene Gehalt überschreitet zudem den Grenzwert der europäischen Chemikalienverordnung (REACH) für Spielzeug.

  • Naphthalin ist als vermutlich krebserregend gelistet. Es handelt sich um eine Verbindung aus der Gruppe der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK).

  • Vinylacetat steht im Verdacht, Krebs zu verursachen. 

  • Antimon: Das toxische Spurenelement kann Haut und Schleimhäute reizen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat für Schwermetalle in kosmetischen Mitteln festgelegt, welche Gehalte bei bester Herstellungspraxis technisch vermeidbar sind. Für Antimon überschreitet das betroffene Produkt diese.

  • Talkum: Nach einer Neubewertung hat die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) es im vergangenen Jahr als "wahrscheinlich krebserregend für Menschen" eingestuft. Auch der Ausschuss für Risikobeurteilung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) hat kürzlich vorgeschlagen, Talkum als CMR-Stoff der Kategorie 1B ("wahrscheinlich krebserregend beim Menschen") einzustufen, was ein Verbot dieses Stoffs in Kosmetika nach sich ziehen würde.

    Die europäischen Behörden werden voraussichtlich Ende 2025 über die Neueinordnung von Talkum als krebserregenden Gefahrstoff abstimmen. Wir werten Talkum deshalb aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes ab.

Weitere problematische Substanzen in Kindertattoos

Doch damit nicht genug. Das Labor ist zudem auf weitere problematische Substanzen gestoßen, die wir auch in unseren Kosmetiktests immer wieder kritisieren. Dazu gehört das Antioxidationsmittel BHT (Butylhydroxytoluol), das im Verdacht steht, wie ein Umwelthormon zu wirken. In Tierversuchen haben sich unter anderem Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion gezeigt.

Darüber hinaus bemängeln wir das Polymer Polytetrafluorethylen (PTFE), auch bekannt als Teflon, und das Gelbpigment CI 11710 aus der Gruppe der Azofarbstoffe. Beide Verbindungen gehören zu den halogenorganischen Verbindungen, von denen viele als allergieauslösend gelten und sich fast alle in der Umwelt anreichern.

Auch PEG-Verbindungen werten wir ab. Denn einige Vertreter dieser Stoffgruppe können die Haut durchlässiger für Fremdstoffe machen. So ist nicht auszuschließen, dass sie bei längerem Hautkontakt auch den Eintrag von Schadstoffen begünstigen.  

Fehlende Informationen und kein recyceltes Plastik 

Mängel sehen wir auch in den Deklarationen mancher Kindertattoos. Nicht immer gibt es Inhaltsstoffangaben, auch das CE-Zeichen fehlt teilweise. Es ist für in der EU gehandeltes Spielzeug vorgeschrieben, um die Einhaltung europäischer Standards zu kennzeichnen.

Darüber hinaus gab es Punktabzüge, wenn keine Packungsinformationen auf Deutsch zu finden sind, obwohl das getestete Produkt auf dem deutschen Markt angeboten wird, und wenn keine Herstelleradresse abgedruckt ist.

Außerdem ärgerlich: Recyceltes Plastik suchten wir im Kunststoffanteil der Verpackungen und in den Schutzfolien der Tattoobögen vergeblich.  Wir halten es aber für wichtig, dass Hersteller Recyclingmaterial aus dem Wertstoffkreislauf, sogenanntes Post-Consumer-Rezyklat (PCR), einsetzen. Denn so lässt sich Plastikmüll reduzieren.  

So lässt sich ein Kindertattoo entfernen

Die meisten Kindertattoos lassen sich gut mit Öl entfernen – seinen Zweck erfüllt dabei auch einfaches Speiseöl.

Dieser Test ist online erstmals am 24.1.2024 erschienen. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das ÖKO-TEST Magazin 2/25 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de: 

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben in Spielzeugläden, Schreibwaren-, Kostüm- und Partybedarfsgeschäften sowie in Drogerien und im Internet 15 Marken temporärer, abwaschbarer Kindertattoos eingekauft. Für die Packungen, die eine unterschiedliche Anzahl an Motiven enthalten, bezahlten wir zwischen 1,10 und 10,19 Euro.

Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes legen wir zwei Vorgaben – für Kosmetikprodukte und für Spielzeug – zugrunde. In spezialisierten Laboren ließen wir alle Tattoos auf eine Reihe problematischer Substanzen analysieren: Schwermetalle und andere Elemente, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie leicht flüchtige Lösemittel wie Benzol, Styrol, Toluol und Xylol. Zudem untersuchte ein Labor alle Produkte entsprechend der Spielzeugrichtlinie auf Grundlage der Vorschriften der Spielzeugnorm EN 71 auf migrierbare Elemente.

Auch Untersuchungen auf krebserregende und -verdächtige aromatische Amine inklusive Anilin und primäre aromatische Amine als Spaltprodukte aus Azofarben, sowie die Analyse auf Phthalatweichmacher wurden durchgeführt. Die Inhaltsstoffe BHT, Talkum, Vinylacetat, PEG/PEG-Derivate sowie bestimmte ausgelobte halogenorganische Verbindungen erfassten und bewerteten wir per Deklaration.

Nach Kosmetikverordnung sind Unternehmen verpflichtet, die Inhaltsstoffe offenzulegen und auf den Produkten abzudrucken. Die Anbieter von vier Produkten, deren Inhaltsstoffe nicht auf der Verpackung oder dem Produkt abgedruckt waren, forderten wir auf, uns diese mitzuteilen.

Zudem überprüften wir, ob das für in der EU gehandeltes Spielzeug verpflichtende CE-Zeichen sowie die Herstelleradresse auf dem Produkt oder der Verpackung abgedruckt sind. Zusätzlich prüften wir, ob wichtige Hinweise auf deutscher Sprache zu finden sind.

Die Verpackungen analysierte ein Labor auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen. Wir baten die Anbieter zudem, uns mitzuteilen, ob in der Verpackung enthaltene Kunststoffelemente sowie die Schutzfolien der Tattoobögen recyceltes Plastik aus dem Wertstoffkreislauf enthalten.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode. Bei Richt- und Orientierungswerten handelt es sich um rechtlich nicht bindende Werte, die eingehalten werden sollten, während rechtlich bindende Grenzwerte eingehalten werden müssen.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils fünf Noten: a) keine Liste an Inhaltsstoffen auf dem Produkt und/oder der Verpackung angegeben und auch auf Anfrage nicht mitgeteilt; b) ein gemessener Gehalt an Benzol von mehr als 5 mg/kg (über dem Grenzwert für Spielzeug nach REACH-Verordnung). Zur Abwertung um jeweils vier Noten führen: a) eine oder mehrere als krebserregend und/oder krebsverdächtig eingestufte PAK-Verbindungen in gemessenen Gehalten von mehr als 200 μg/kg. Dabei orientieren wir uns an Einstufungen von PAK-Verbindungen der CLP-Verordnung 1272/2008 und der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) zur Kanzerogenität (in Tabelle: "Naphthalin"); b) ein Inhaltsstoff, der laut CLP-Verordnung 1272/2008 als CMR-Stoff der Kategorien 1A, 1B oder 2 eingestuft ist (hier: Vinylacetat). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein gemessener Gehalt an Antimon, der den vom BVL festgelegten Richtwert für Antimon in kosmetischen Mitteln (0,5 mg/kg) überschreitet; b) Talkum; c) halogenorganische Verbindungen (hier: PTFE, CI 11710). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) PEG/PEG-Derivate; b) Butylhydroxytoluol (BHT).

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um vier Noten: keine Herstelleradresse auf dem Produkt oder der Verpackung angegeben. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) kein CE-Zeichen auf dem Produkt; b) keine Liste an Inhaltsstoffen auf dem Produkt und/oder der Verpackung angegeben, aber auf Anfrage mitgeteilt. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Anteil von Rezyklaten (Post-Consumer- Rezyklat, PCR) von weniger als 30 Prozent in Relation zum Gesamtgewicht der Kunststoffverpackung, keine Angabe hierzu und/oder kein ausreichender Nachweis auf unsere Anfrage; b) keine Packungsinformationen auf Deutsch, obwohl es sich bei dem von uns gekauften Produkt um ein Produkt handelt, das auf dem deutschen Markt angeboten wird.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "ausreichend" oder "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.  

Testmethoden 

Allgemeine Probenvorbereitung: Ablösen der Tattoos von der Transferfolie mit dest. Wasser, Trocknung des Probenmaterials im Exsikkator über 24h.
Elemente: Totalaufschluß in der Mikrowelle; Elementbestimmung mittels ICP-MS; Probenvorbereitung: Ablösen der Tattoos von der Transferfolie mit so wenig dest. Wasser wie möglich, indem das Wasser auf die Rückseite der Transferfolie getropft wird. Trocknung des Probenmaterials im Exsikkator über 24h..
Migrierbare Elemente, migrierbares Cr-VI, Organozinnverbindungen: Probenahme, Extraktion: DIN EN 71-3:2021-06. Messung: ICP-OES: DIN EN ISO 11885:2009-09. Hg: DIN EN ISO 17852:2008-04 (AFS).
Primäre aromatische Amine: DIN EN 71-10: 2006-03/-11:2006-01.
Amine aus Azofarben: DIN EN ISO 14362-1:2017-05 bzw. DIN EN ISO 17234-1:2020-12.
Leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe (BTEX): DIN EN 17131-2 (Entwurf). Analyse auf Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xylol, Styrol, Cumol, Trimetylbenzol.
Phthalate: CPSIA-CH-C1001-09-4, mod. Verhältnis Einwaage zu Extraktionsvolumen. Analyse auf Phthalate gemäß Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) Anhang XVII Nr. 51 & 52 und ECHA-SVHC Kandidaten Liste vom 17. Juli 2023.
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): AfPS GS 2019:01 PAK (2019-05).
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Juni - Juli 2024 

Dieser Test ist online erstmals am 24.1.2024 erschienen. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das ÖKO-TEST Magazin 2/25 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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