Bons voller Bisphenole: Warum blaue Kassenzettel besser sind

Magazin Februar 2025: Vollkornbrot | Autor: Heike Baier | Kategorie: Gesundheit und Medikamente | 20.02.2025

Blaue Kassenzettel sind besser für Umwelt und Gesundheit.
Foto: Hadrian/Shutterstock

Die berüchtigte Industriechemikalie Bisphenol A ist in Kassenzetteln seit 2020 verboten. Viel gebracht hat das nicht, denn nun steckt stattdessen Bisphenol S in den Bons. Warum ist das überhaupt wichtig und wie erkennt man bisphenolfreie Kassenzettel?

"Kassenzettel?", lautet die Routinefrage beim Bezahlen an der Supermarktkasse. Seit 2020 müssen Kassiererinnen und Kassierer einen Beleg anbieten. Das produziert noch mehr Kassenzettel als zuvor schon – und die kleinen Papiere enthalten oft eine beträchtliche Menge an Chemikalien.

Was ist das Problem an den Kassenzetteln?

Kassenzettel gehören – genau wie Fahrkarten, Parktickets, Eintrittskarten oder Paketaufkleber – zum sogenannten "Thermopapier". Das ist ein Spezialpapier, bei dem ein Farbentwickler in einer chemischen Reaktion dafür sorgt, dass sich die schwarze Schrift entwickelt.

Lange Zeit war Bisphenol A (BPA) der meistgenutzte Farbentwickler in Thermopapier. Seit 2020 ist BPA in Kassenbons verboten, denn die Risiken der Chemikalie sind seit Langem bekannt: Gelangt sie in den Organismus, gilt sie als reproduktionstoxisch, hat eine hormonelle Wirkung und soll neuesten Studien zufolge bereits in kleinsten Mengen das Immunsystem beeinflussen.

Bisphenole aus Kassenzetteln gelangen in den Körper

Wenn ein Thermopapier mit Bisphenolen hergestellt wurde, bleiben auf dem Papier immense Gehalte zurück. Diese Bisphenole können dann entweder direkt aus Kassenzetteln in die Nahrung oder den Organismus gelangen, beispielsweise wenn der Zettel nach dem Markteinkauf auf dem Salatkopf im Korb landet. Oder wenn Kinder einen Fahrschein zum Spielen in die Hand bekommen und danach ihre Finger in den Mund stecken. BPA gilt schon in extrem kleinen Mengen als schädlich, und die kommen auf diese Weise schnell zusammen.

Eine wichtige Aufnahmequelle kann aber auch Recyclingpapier sein: Werden Kassenzettel oder Fahrscheine nämlich fälschlicherweise im Altpapier entsorgt, reichern sich Bisphenole im Altpapierkreislauf an und kommen so über Verpackungsmaterialien zurück in Lebensmittel.

BPA-Gehalt in Recyclingpapier hoch

Das klingt wie eine Bagatelle, hat sich jedoch als wahrer Bumerang erwiesen: Obwohl BPA in Thermopapier bereits seit vier Jahren verboten ist, liegt der durchschnittliche Gehalt der Chemikalie in Recyclingpapier mittlerer Qualität noch immer bei etwa 1 Milligramm pro Kilo Papier, sagt uns Thomas Simat, Professor für Lebensmittelchemie an der TU Dresden.

Bei Verpackungen von trockenen Lebensmitteln wie Reis oder Nudeln stellt das kein großes Problem dar. Kommt die Verpackung jedoch mit feuchtem oder fettigem Essen in Kontakt, kann es zu einem Übergang der Chemikalie in beträchtlichen Mengen kommen.

Statt BPA steckt nun BPS in Kassenzetteln

Das BPA-Verbot in Thermopapier hat aber nicht dazu geführt, dass dieses nun frei von Bisphenolen sind. Zwar ist seit dem Verbot der BPA-Gehalt im Altpapierstrom schon erheblich gesunken. Stattdessen setzt die Industrie nun aber einfach Bisphenol S (BPS) als Ersatzstoff ein.

Und das obwohl die Verbindung laut bisheriger Studien ähnliche Risiken für Mensch und Umwelt zu haben scheint wie BPA: Sie ist inzwischen ebenfalls als reproduktionstoxisch eingestuft und gehört wie BPA laut der Europäischen Chemikalienverordnung REACH zu den "besonders besorgniserregenden Substanzen" (SVHC).

Im Jahr 2024 dürfte etwa in jedem zweiten Kassenzettel Bisphenol S zum Einsatz gekommen sein, wie eine Studie von zwei Lebensmittelchemikerinnen der TU Dresden nahe legt. Sie sammelten seit 2015 jährlich in Sachsen Kassenzettel, Eintrittskarten, Klebeetiketten und anderes Thermopapier ein und ließen es auf die verwendeten Farbentwickler analysieren: BPS nahm demnach im Jahr 2024 mit 48 Prozent die dominante Position als Farbentwickler ein und hat BPA in dieser Rolle einfach abgelöst.

Heißt also: Statt BPA sammelt sich nun das weiterhin erlaubte BPS in unserem Altpapierstrom an – und kann über Lebensmittelverpackungen zurück in unseren Körper gelangen. Auch das zeigt unser Test von Pizzakartons.

Wie man unbedenkliche Kassenzettel erkennt

Dabei gibt es bereits Kassenzettel ohne Bisphenole. Erstens solche, die mit phenolfreien Farbentwicklern erzeugt sind. Auch wenn sie laut Umweltbundesamt (UBA) "nicht völlig unbedenklich für die Umwelt" sind, seien sie Kassenzetteln mit Bisphenolen in jedem Fall vorzuziehen. Ihr größter Nachteil ist nur: Sie sind für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht von den Kassenzetteln mit Bisphenol S zu unterscheiden, da für Hersteller keine Pflicht zu Kennzeichnung besteht.

Deshalb raten wir zur zweiten Alternative: Thermopapier, das komplett ohne Farbentwickler funktioniert. Diese Bons sind an ihrer blau-grauen Färbung zu erkennen, denn hier ist ein schwarz pigmentiertes Papier mit einem Polymer beschichtet, unter Wärmeeinwirkung entwickelt sich dann die Schrift.

Blaue Kassenzettel sind am besten für die Umwelt

Das Umweltbundesamt bewertet dieses System "besonders positiv": Sowohl das dort eingesetzte Schwarzpigment als auch das Beschichtungspolymer seien Stoffe, mit denen man in der Papierindustrie bereits Erfahrungen sammeln konnte und die "voraussichtlich keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt" hätten.

Ein kleiner Haken sei derzeit noch, dass diese Papiere – in größeren Mengen ins grafische Papierrecycling gelangt – das Recyclingpapier dunkel färben, sagt Almut Reichart vom Umweltbundesamt. In kleineren Mengen dürften die blau-grauen Bons vom letzten Einkauf jedoch zu Hause ins Altpapier. "Dort können sie ohne Risiken für Gesundheit und Umwelt zu neuen Verpackungen recycelt werden."

Tipp: So entsorgt man Kassenzettel richtig

Entsorgen Sie auf weißes Papier gedruckte Kassenzettel im Restmüll. So helfen Sie mit, dass sich bedenkliche Bisphenole nicht im Altpapierkreislauf anreichern. Dasselbe gilt für Eintrittskarten, Parktickets, Fahrkarten, Paketaufkleber und anderes Thermopapier.

Zur Entsorgung des blau-grau gefärbtem Papiers schreibt das Umweltbundesamt: "... lässt sich das Schwarzpigment noch nicht gut im Papierrecycling entfernen und färbt das Recyclingpapier dunkel, wenn größere Mengen im Altpapier entsorgt werden. Die Entsorgung kleiner Mengen im Altpapier schadet dem Recycling dagegen nicht. Dagegen sollten größere Mengen, die zum Beispiel im Abfall an der Kasse von Supermärkten entstehen, mit dem Verpackungsaltpapier entsorgt werden."

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