- Im Test: 16 Mal roter Lipgloss. Nur drei sind mit "sehr gut" empfehlenswert.
- Aufgrund bedenklicher Inhaltsstoffe raten wir von der Hälfte der Lipglosse im Test ab. Sie fallen mit "ungenügend" durch.
- In vielen der roten Lipglosse steckt das Farbpigment Titandioxid. Der Stoff ist in Verruf geraten – eine erbgutschädigende Wirkung wird derzeit nicht ausgeschlossen.
Titandioxid: Das ist jenes natürliche Weißpigment, das bis vor ein paar Jahren noch als völlig unbedenklich galt. Doch seither tauchen immer mehr Zweifel an seiner weißen Weste auf. Zuletzt beschloss die EU-Kommission, Titandioxid ab 2022 als Zusatzstoff in Lebensmitteln zu verbieten.
Lipgloss im Test: Essence, Catrice & Co. im Vergleich
Nun ist Lipgloss zwar kein Lebensmittel – doch ein Großteil davon wird von den Lippen geleckt und verschluckt. In einer Beispielrechnung hat das EU-Gremium für Verbrauchersicherheit SCCS errechnet, dass Verbraucherinnen sich täglich bis zu 57 Milligramm Schminke von den Lippen ablecken. Da kann dann schon einiges zusammenkommen. Deshalb bewerten auch wir Titandioxid hier strenger – anders als in sonstigen Kosmetika.
Fast alle 16 Lipglosse in diesem Test enthalten den Stoff, der als Farbpigment für Deckkraft und satte Töne sorgt. Auch die Naturkosmetik setzt Titandioxid ein.
Welche Gefahr geht von Titandioxid aus?
Doch wie konnte Titandioxid derart in Verruf geraten, und was weiß man über seine Gefahrenpotenzial genau? Lange Zeit galt das Pulver nur dann als gefährlich, wenn es als ganz feiner Staub eingeatmet wird: Inzwischen ist es für die Inhalation offiziell als "vermutlich karzinogen" eingestuft und in Sprays oder Pulvern reguliert. Karzinogen bedeutet krebserzeugend.
Frankreich war dann 2020 das erste Land, das Titandioxid auch in Lebensmitteln verbot: Französische Forscher hatten bereits 2017 an Ratten Veränderungen der Darmschleimhaut und Effekte auf das Immunsystem beobachtet, nachdem sie den Tieren Titandioxid, zur Hälfte in Nano-Größe, eingeflößt hatten. Allerdings blieb fraglich, ob sich diese sehr kleine Studie ohne Weiteres auf den Menschen übertragen ließ.
Der Inhaltsstoff könnte erbgutverändernd sein
Das geplante EU-weite Verbot von E 171 – so der Name von Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff – beruht nun jedoch auf einer breiteren Datengrundlage. Die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat rund 200 Studien gesichtet, bevor sie E 171 als "nicht mehr sicher" beurteilte.
Im Raum steht der Verdacht auf Genotoxizität: Eine erbgutschädigende Wirkung von Titandioxid kann laut EFSA bei oraler Aufnahme nicht mehr ausgeschlossen werden.
Titandioxid in roten Lipglossen im Test
Trotzdem dürfte von Lipgloss mit Titandioxid keine akute Gesundheitsgefahr ausgehen. In diese Richtung argumentieren zumindest die zuständigen Behörden, die wir um eine Einschätzung gebeten haben.
Das EFSA-Gutachten sei nicht eindeutig darin, ob eine orale Einnahme von Titandioxid genotoxisch wirke, schreibt uns Kristina Pötter, Leiterin des Arbeitsbereichs Kosmetik im Landesuntersuchungsamt Koblenz. Aus ihrer Sicht spricht "nach derzeitigem Stand nichts gegen den Einsatz von Titandioxid in Lippenkosmetik."
Besser auf Lipgloss ohne Titandioxid setzen
Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) meint, dass unklar sei, inwieweit Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff (E 171) identisch sei mit Titandioxid in Kosmetika (CI 77891). Letzteres existiert in zahlreichen verschiedenen, sehr häufig beschichteten Varianten. Daher lasse sich die Bewertung der EFSA nicht ohne Weiteres auf kosmetische Mittel übertragen.
Bei allen Fragezeichen hinter der Neu-Einstufung von Titandioxid – wir denken: Der vorbeugende Verbraucherschutz sollte in diesem Fall vorgehen.
Andere Problemstoffe in Lipglossen im Test
Ach ja: Außer Titandioxid fanden sich noch weitere Problemstoffe in den Lippenglänzern. Zum Beispiel zwei Azofarbstoffe: Tartrazin (CI 19140), das zu Hautirritationen führen kann, und Gelborange S (CI 15985), welches im Verdacht steht, Asthma, Neurodermitis oder ADHS zu triggern.
Viele Produkte enthalten außerdem Paraffine. Diese erdölbasierten Fette können sich in Organen anreichern. Manchmal sind sie auch durch potenziell krebserregende aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe – sogenannte MOAH – verunreinigt. In unserem Test fand das Labor allerdings nur in einem Lipgloss MOAH.
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