Es ist ein Bild des Jammers. Dicht an dicht stehen die Gänse, der lange Hals und die fleischige Brust sind nackt. Die wärmenden Federn und Daunen sind verschwunden, auf dem wund wirkenden Fleisch ist das nachwachsende Federkleid bislang kaum zu erkennen. Es sind Menschen, die den Vögeln das antun -- und zwar regelmäßig. Schließlich wollen nicht nur die wärmenden Daunendecken, sondern auch all die modernen Daunenjacken und -westen gefüllt werden, die in Massen auf den Kleiderständern der Modegeschäfte hängen.
Dass Gänse mehrmals in ihrem ohnehin nur kurzen Dasein lebendig gerupft werden, ist in der Textilbranche eine bekannte Tatsache. Seit vielen Jahren prangern Tierschutzorganisationen wie die Soko Tierschutz oder Vier Pfoten diese in Deutschland zwar verbotene, aber vor allem in Ungarn, Polen und China weitverbreitete Praxis an, liefern immer wieder aktuelle Beweisfotos und -filme. "Harvesting" nennt sich die Rupferei beschönigend. Für die Tiere ist es eine schmerzhafte und qualvolle Prozedur, die sie mit neun Wochen das erste Mal und dann alle sechs bis sieben Wochen über sich ergehen lassen müssen. Arbeiterkolonnen ziehen von Gänsefarm zu Gänsefarm, klemmen sich die Vögel zwischen die Beine und rupfen ihnen im Akkord an Brust und Hals, wo die meisten Daunen sitzen, das Federkleid aus. Bei diesem brutalen Vorgehen bleiben Verletzungen aller Art natürlich nicht aus. "Fleischwunden werden ohne Betäubung genäht, gebrochene Glieder notdürftig geschient", weiß Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz, der immer wieder nach Polen und Ungarn reist, um vor Ort die Missstände zu dokumentieren.
Schwache Tiere überleben die Quälerei nicht, was die Gänsemäster als eine Art "natürliche" Selektion ansehen. Außerdem sind die Daunen ein willkommener Zuverdienst. Denn die Fleischpreise fallen seit einigen Jahren. Pro Rupf und Tier reißen die Arbeiter etwa 250 Gramm Feder-Daunen-Gemisch aus, für ein Kilo gibt es zwischen 25 und 28 Euro, weiß Mülln. Erst im Herbst 2014 war der Tierschützer wieder in Polen unterwegs und hat sich als Zwischenhändler ausgegeben, der im Auftrag von Daunenfirmen auf der Suche nach Material sei. Zehn Tonnen Ware habe man ihm zugesichert und dabei unverblümt zugegeben, dass fast alle Mäster ihre Gänse lebend rupfen.
Stellungnahmen der deutschen Daunenindustrie, dass die verwendeten Daunen zu 98 Prozent aus Totrupf stammen, sind trotzdem irgendwie richtig: "Das stimmt, weil dort die Enten mit eingerechnet werden", sagt Mülln. "Der größte Teil der Daunen stammt von Enten. Die sind von schlechterer Qualität als die Gänsedaunen und kosten weniger. Deshalb lohnt es sich für die Mäster nicht, diese Tiere lebend zu rupfen." Schließlich fressen gerupfte Vögel mehr, um warm zu bleiben - das muss in die Kalkulation mit einbezogen werden. Trotzdem hat Mülln auch schon gerupfte Enten gesehen und fotografiert.
Bisher verließ sich die Daunenindustrie auf Verträge, ohne selbst Kontrollen durc...