Obstbreie im Test: Bisphenol A in Babygläschen gefunden

Magazin September 2024: Kaffee | Autor: Jil Eichhorn/Lena Wenzel/Sarah Weik | Kategorie: Kinder und Familie | 09.09.2024

Babygläschen im Test: Wie schlagen sich die Obstbreie?
Foto: ÖKO-TEST

Ein guter Obstbrei enthält nichts außer Obst. In unserem Test ist das aber nicht immer der Fall. In einigen Babygläschen hat das von uns beauftragte Labor Bisphenol A (BPA) nachgewiesen. Es gibt allerdings auch Produkte, die empfehlenswert sind. 

  • Ein reiner Obstbrei ist keine vollwertige Mahlzeit. Auf einigen Gläschen wird der Obstbrei zwar auch pur als Zwischenmahlzeit angepriesen – Eltern sollten ihn ihren Babys aber nur gemischt mit Getreide geben. 
  • Wir haben 15 Obstbreie für Babys getestet. Die Produkte sind zum Großteil für ab dem fünften beziehungsweise nach dem vierten Monat ausgelobt.
  • Mit Bestnote schneiden nur zwei Babygläschen im Test ab. 
  • Auffällig: Das von uns beaufttagte Labor hat in mehreren Babygläschen die Massenchemikalie Bisphenol A nachgewiesen. 
  • "Ohne Zuckerzusatz" – damit werben fast alle Hersteller für ihren Obstbrei. Doch Fruchtzucker ist kein "besserer Zucker", deshalb gilt: Die Menge macht’s.

Endlich Beikost! Die ersten Löffel Brei sind für viele Eltern eine fast feierliche Angelegenheit. Und nicht selten eine kleine Ernüchterung. Weil Pastinake und Kürbis oft überall landen, nur nicht im Mund des Babys. Schön, wenn es dann Zeit ist für den ersten Obst-Getreide-Brei. Der wird oft viel lieber gelöffelt als der olle Gemüsebrei.

Seit unserem letzten Test 2019 hat sich auch einiges getan – wir haben bei unserem Einkauf nur noch Bio-Produkte im Regal gefunden, eine schöne Entwicklung. Diesmal können wir zwei Produkte mit Bestnote empfehlen, sechs weitere sind immerhin "gut".

Babygläschen im Test: Bisphenol A ist ein Problem 

Der Hauptgrund für Abwertungen in diesem Test: der aus unserer Sicht "stark erhöhte" Bisphenol-A-Gehalt in einigen Babygläschen. Die Chemikalie ist ein Ausgangsstoff für den Kunststoff Polycarbonat und kommt auch bei der Herstellung von Epoxid-Kunstharzen zum Einsatz.

Bisphenol A (BPA) steckt in vielen Verpackungen und in der Beschichtung von einigen Konservendosen. Von dort kann es in die darin gelagerten Lebensmittel übergehen und so in unserem Körper landen. Dass BPA hormonell wirkt ist schon lange bekannt; 2016 hat die EU es als fortpflanzungsgefährdend eingestuft.

Eltern sollten ihren Babys Obstbrei nur gemischt mit Getreide geben.
Eltern sollten ihren Babys Obstbrei nur gemischt mit Getreide geben. (Foto: Aigul Minnibaeva/Shutterstock)

Mögliche negative gesundheitliche Auswirkungen

2023 hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zahlreiche neue Studien ausgewertet und kam zu dem Schluss, dass Bisphenol A bereits in sehr viel kleineren Mengen als bisher gedacht negativ auf die Gesundheit des Menschen wirken könnte. Sie legte die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) 20.000-mal niedriger als zuvor: auf 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält diesen Wert jedoch für zu streng und empfiehlt einen TDI von 200 Nanogramm. Doch sicher ist sicher, gerade wenn es um Produkte für Babys geht – deshalb orientieren wir uns am strengeren TDI der EFSA.  

Obstbrei im Test: Ergebnisse als ePaper kaufen

Tolerierbare Tagesdosis wird teils ausgeschöpft

Die "üblichen Verdächtigen" – Konservendosen – hatten wir nicht in unserem Test, deshalb waren wir doch überrascht, als das von uns beauftragte Labor BPA-Befunde vermeldete. Wenn ein acht Kilogramm schweres Kind 100 Gramm der betroffenen Obstbreie isst, schöpft es die tolerable Tagesdosis um das Zwei- bis Fünffache aus. Einmal sogar um das 181-fache.

Auf Nachfrage hat uns keiner der Hersteller eine Erklärung für diese Werte geliefert. Alle versicherten, dass BPA bei ihren Verpackungen nicht zum Einsatz kommt, auch nicht beim Deckel.

"BPA kommt in der Industrie in vielen Materialien breit zum Einsatz, so dass es durchaus sein kann, dass die Quelle nicht im Produkt selbst liegt", sagt Jürgen Arning, Experte für Chemikalien beim Umweltbundesamt. "Es baut sich in den Lebensmitteln nicht ohne Weiteres ab – und kann etwa auch auf dem Transport, durch die dort verwendete Verpackung, in die Rohstoffe gelangen."

(Foto: ÖKO-TEST)

Pestizide und Keime kein Thema im Test 

Erfreulich fielen dagegen die weiteren Ergebnisse aus den von uns beauftragten Laboren aus: keine Pestizide, kein Patulin, keine Schwermetalle, keine erhöhte Keimbelastung.

Bei unserem letzten Test enthielten die Deckeldichtungen aller 20 Obstbreie noch PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen. Alternativen gibt es schon lange – die mittlerweile auch immer mehr Hersteller nutzen. So vermeldete unser Labor nur noch bei vier Gläschen einen positiven Befund.

Häufig nur Obst auf der Zutatenliste der Babygläschen

Ebenfalls schön: In den meisten Babygläschen in unserem Test ist tatsächlich nur Obst drin. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Als wir Obstbreie 2019 unter die Lupe nahmen, füllte reines Obst in manchen Produkten noch nicht einmal die Hälfte des Gläschens, stattdessen kamen Säfte, Konzentrate und Verdickungsmittel zum Einsatz.

Diesmal steht bei zwölf von 15 Gläschen nur Obst auf der Zutatenliste, so soll es sein. Überflüssig ist aus unserer Sicht der Zusatz von Vitamin C, den wir im Test festgestellt haben. Denn eine abwechslungsreiche Beikost liefert ausreichend davon.

Fructose in Obstbreien ist kein "besserer Zucker" 

Nicht unterschätzen sollten Eltern den Zuckergehalt in den Babygläschen. Auch wenn die meisten Hersteller prominent auf ihrem Etikett betonen, dass ihr Brei "ohne Zusatz von Zucker" entsteht. Erst im Kleingedruckten folgt der Hinweis, dass die Zutaten von Natur aus Zucker enthalten – und das nicht zu knapp. Der süßeste Obstbrei im Test kommt auf 13 Gramm Zucker pro 100 Gramm, in einem Gläschen stecken also mehr als acht Würfelzucker.

Fructose ist auch kein "besserer Zucker", nur weil er aus Früchten stammt. Ein Zuviel kann ebenfalls für Übergewicht und Stoffwechselstörungen sorgen, Karies verursachen und mehr noch als andere Zuckerarten zu einer Fettleber führen.

Da die Auslobung "ohne Zuckerzusatz" dahingehend verstanden werden könnte, dass das Produkt zuckerärmer ist als vergleichbare Produkte, werten wir hier unter den Weiteren Mängeln ab. Ein frischer Apfel enthält natürlich auch Zucker. Daher bemängeln wir den Zuckergehalt auch erst, wenn ein Babygläschen mehr als doppelt so viel Zucker enthält, wie ein als Zwischenmahlzeit empfohlener Apfel in der gleichen Menge.  

Lese-Tipp: Zucker in Lebensmitteln für Kinder: Die miesen Tricks der Industrie

Obstbrei ist pur keine geeignete Zwischenmahlzeit 

Ein weiterer Kritikpunkt: Eine pürierte Fruchtzubereitung lässt laut der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin "einen deutlich stärkeren Anstieg des Blutzucker- und Insulinspiegels erwarten als beim Verzehr frischer Früchte". Deshalb ist ein Obstbrei, anders als es viele Hersteller auf ihren Etiketten formulieren, pur keine geeignete Zwischenmahlzeit.

"Fertige pürierte Früchte sollten eine ganze Mahlzeit in aller Regel nicht ersetzen, sondern nur als Teil einer Mahlzeit, etwa in einem Obst-Getreide-Brei, oder als Ergänzung zu einer Mahlzeit angeboten werden", sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Deswegen werten wir es als Deklarationsmangel ab, wenn Hersteller empfehlen, Babys den Obstbrei pur zu geben.  

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Für unseren Test haben wir 15 Obstbrei-Gläschen für Babys eingekauft, die bis auf zwei Produkte (Freche Freunde Baby Apfel, Erdbeere & Blaubeere: ab dem sechsten Monat, Holle Waldbeeren in Apfel: ab dem achten Monat) für ab dem fünften beziehungsweise nach dem vierten Monat ausgelobt sind. Alle Produkte stammen aus biologischem Anbau.

Die Hauptzutat in den Breien sollte der Apfel sein, vorzugsweise aber nicht die einzige Zutat. Hatte ein Anbieter kein entsprechendes Produkt im Sortiment, wichen wir auf reinen Apfelbrei aus. Bezahlt haben wir für 190 Gramm zwischen 75 Cent und 3,06 Euro.

In unserem Auftrag untersuchten spezialisierte Labore alle Produkte auf Pestizidrückstände, Chlorat, Perchlorat und Glyphosat sowie auf die Schwermetalle Cadmium und Blei. Zudem haben wir den Bisphenol-A-(BPA)-Gehalt bestimmen lassen.

Um das Mindesthaltbarkeitsdatum zu simulieren, untersuchte ein Labor die Gesamtkeimzahl im Rahmen einer mikrobiologischen Analyse nach einer vierzehntägigen Bebrütung bei 30 °C. Die Breie wurden außerdem auf das für Babys besonders kritische Schimmelpilzgift Patulin untersucht, das in der beliebten Breizutat Apfel entstehen kann.

Alle Deckel der Gläschen ließen wir außerdem auf umweltschädliche PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen untersuchen. Schließlich sichteten wir die Deklarationen der Produkte und bemängelten den unnötigen Zusatz von Vitamin C und fragwürdige Auslobungen wie "ohne Zuckerzusatz" oder die Empfehlung, Babys den Brei pur zu geben.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) ist ein Schätzwert, wie viel von einem Stoff lebenslang pro Tag ohne gesundheitliche Folgen aufgenommen werden kann. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das, "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: ein gemessener Bisphenol- A-Gehalt, der den TDI der EFSA von 0,2 ng/kg Körpergewicht überschreitet (in der Tabelle: "BPA stark erhöht"). Zugrunde gelegt haben wir ein Körpergewicht von 8 Kilogramm und eine tägliche Portion von 100 g Gramm. Zur Abwertung um eine Note führt: der Zusatz von Vitamin C.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) PVC/PVDC/ chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) Auslobung, die so verstanden werden könnte, dass das Produkt zuckerarm oder "gesund" süß sei (hier: "ohne Zuckerzusatz", "ohne Zusatz von Zucker", "ungesüßt"); c) eine Verzehrsempfehlung, die so verstanden werden könnte, dass das Produkt zum alleinigen Verzehr geeignet sei, obwohl dies keiner bekannten Beikostempfehlung entspricht.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.  

Testmethoden 

Pestizid-Screening: GC-MS/MS; LC-MS/MS nach § 64 LFGB L 00.00-113:2015-03, mod. (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Glyphosat/Aminomethylphosphonsäure (AMPA)/Glufosinat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Chlorat, Perchlorat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Blei, Cadmium: Aufschluss nach DIN EN 13805:2014. Messung mit ICP-MS nach DIN EN 15763:2010 (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Patulin: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Bebrütung: Temperatur. 30°C, Dauer: 14 Tage.
Gesamtkeimzahl, anaerob: DIN EN ISO 4833-2: 2022-05 mod. Modifikation: anaerobe Bebrütung zur Zählung von anaeroben Keimen.
Gesamtkeimzahl, aerob: DIN EN ISO 4833-2: 2022-05.
Bisphenol A: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Mai 2024 

Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.