Wer Christof Gassner ohne Auto besuchen will, braucht ein Paar Stiefel und etwas Zeit. Vom Frankfurter Hauptbahnhof geht es nach Darmstadt, von da aus weiter mit der Straßenbahn. Die letzten Meter fährt ein Bus – wir steigen aus, gefühlt, im Nirgendwo. Wiesen, Wälder und ein Schotterweg, der zu einer alten Mühle führt.
Sobald man das liebevoll restaurierte Gebäude betritt, wird aber schnell klar, dass hier nicht Eiche rustikal, sondern Design eine ganz große Rolle spielt. Mit dem Fahrstuhl geht es in die außergewöhnliche Dachwohnung – Christof Gassner öffnet die Tür.
Der gebürtige Schweizer freut sich sichtlich über den Besuch von ÖKO-TEST, fast 40 Jahre nach der Gründung des Magazins, die der heute 83-Jährige damals maßgeblich mit vorangetrieben hat. Er hat Kaffee gekocht, auf dem Tisch liegen die alten Zeitschriften, die er gestaltet hat.
Eigenes Grafik-Design-Atelier in Frankfurt
An den Wänden beeindruckende Plakate und Briefmarken, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde – und jede Menge Bücher in einem langen Regal. Wilde und noch wildere Zeiten Christof Gassner erinnert sich gern an die "wilde Zeit", an die 1980er-Jahre. An den Moment, als Jürgen Räuschel († 2005) mit der Idee auf ihn zukam, ÖKO-TEST zu gründen.
Gassner war damals selbstständig mit erfolgreichem Grafik-Design-Atelier in Frankfurt am Main. "Finanziell war ich sicherlich nicht auf so ein Projekt angewiesen", erinnert er sich. "Aber es hat mich unheimlich gereizt", sagt Gassner und lächelt, vielleicht ein bisschen wehmütig.

"Gestaltung war mit ein Schlüssel für den Erfolg"
Räuschel und er kannten sich aus einer "noch wilderen Zeit", erzählt der Grafiker – sie waren in den 1960er-Jahren Kollegen bei DM Test, dem ersten deutschen Warentestmagazin. Gassner hatte als freier Mitarbeiter einige der Jahrbücher für das Magazin gestaltet, das zunächst überraschende Auflagen-Höhenflüge erlebte und dann nach Gründung der Stiftung Warentest relativ schnell aufgeben musste.
Räuschel war dort Redakteur. Dann, fast 20 Jahre später, rief plötzlich der alte Kollege mit einer neuen Idee an – und Gassner war ziemlich schnell Feuer und Flamme. Als das Geld für den Start gesammelt war, ging es an das Design. "Die Gestaltung war mit ein Schlüssel für den Erfolg", ist Gassner sich sicher. Und tatsächlich, sie stach heraus.
Cover-Design von ÖKO-TEST ohne Computer
Die Publikumszeitschrift – es war von Anfang an klar, dass ÖKO-TEST nicht nur für die damalige Nische, für den harten Kern der Umweltbewegung, sondern für ein breites Publikum funktionieren sollte – wurde, natürlich, auf Umweltpapier gedruckt.
Zu dem Blauer-Engel-Umweltpapier, auf dem das Magazin heute gedruckt wird, stand das aber in keinem Vergleich. "Das war richtig grau", erinnert sich der emeritierte Professor für Grafik-Design und Typografie, "und damit gestalterisch natürlich eine Herausforderung".
Reduktion hieß das Stichwort: "Ich wollte von Anfang an mit ganz wenigen Elementen ganz viel machen", erklärt Gassner seine Idee. Dazu gehörte, dass es nur zwei Schriften gab. Und neben Schwarz nur die drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau. Und das alles 1985 natürlich ohne Computer – montiert wurde mit Schere und Klebstoff. Dass zu diesem reduzierten Design nur Schwarz-Weiß-Fotografie passte, war schnell klar.
Unverwechselbare Bildsprache der ersten Magazine
"Und mit Gabriele Lorenzer (Anm. der Redaktion: eine der Gründerinnen und erste Fotografin von ÖKO-TEST, † 2017) hatten wir damals eine großartige Fotografin", erinnert sich Gassner, der schon vor ÖKO-TEST viel mit ihr zusammengearbeitet hatte.
Lorenzer entwickelte die unverwechselbare Bildsprache der ersten Magazine – doppelseitige Aufmacherfotos vor den Tests, die Leichtigkeit in die oft schweren Testthemen von Blei in Fingerfarbe bis Salmonellen in Brathähnchen brachte.

Ahornblatt als Markenzeichen von ÖKO-TEST
Unverwechselbar war und ist bis heute auch das Blatt zwischen den Wortteilen Öko und Test. Seit Jahrzehnten ist es das Ahornblatt, das auch heute noch auf dem Cover abgebildet ist. Das war aber nicht immer so, die Idee dahinter war eine ganz andere.
Auf den ersten Covern war es mal ein Buchen-, mal ein Lindenblatt, mal das Blatt eines Apfel-, mal das eines Birnbaums. Auch ein Cannabisblatt war mal dabei und eben das Ahornblatt.
Auf jeder Seite, unten als ganz kleine, liebevolle Fußnote quasi, fand sich auch jeweils ein Blatt, immer ein anderes. "Das war ein bewusstes Element", erinnert sich Gassner, der bis heute nicht ganz glücklich mit dem immer gleichbleibenden Ahornblatt im heutigen Logo von ÖKO-TEST ist.
"Militant war ich immer nur, was die Grafik betrifft"
"Das war symbolisch. So wie das Blatt sich wandelt, so wandelt sich ja auch die Natur", erklärt er. Außerdem habe dieser Wechsel auch für die Artenvielfalt der Natur gestanden.
Das Design der ersten Jahre war radikal, passend zu der damaligen Bewegung. "Jürgen Räuschel hat mal zu mir gesagt: Ökologisch bist du ein Realo, Christof, aber grafisch ein Fundi", erzählt Gassner lachend. Das passe genau, glaubt er, auch heute noch. "Militant war ich immer nur, was die Grafik betrifft."

Herzensprojekt nach fünf Jahren vorbei
Doch diese Radikalität, die kam damals nicht in der ganzen Redaktion gut an. "Da gab es immer Konflikte", erzählt Gassner. "Die Redaktion wollte sich damals an den Großen orientieren, am Stern, am Spiegel."
Das war nichts für ihn, zu verwechselbar – und da er ohnehin schon nebenbei eine Professur in Darmstadt innehatte, ging Gassner nach fünf Jahren. Und mit ihm das unverwechselbare Design. "Ich hatte den Anspruch, eine der schönsten Zeitschriften der Welt zu machen", sagt Gassner zurückblickend.
Dass dieses Herzensprojekt nach fünf Jahren für ihn vorbei war, findet er auch heute noch schade. Ob er seinen Anspruch von damals erfüllt hat? Beim Blick in die alten Magazine finden wir: Auf jeden Fall.
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