Ratgeber: Eigentumswohnung sanieren

Wenn alle an einem Strick ziehen

ÖKO-TEST August 2010 | | Kategorie: Bauen und Wohnen | 30.07.2010

Ratgeber: Eigentumswohnung sanieren

Eine Anlage mit Dutzenden Eigentumswohnungen zu sanieren, ist nicht nur technisch aufwendig. Es erfordert auch zähe Verhandlungen unter den Eigentümern und rechtlich einwandfreie Beschlüsse. Dass dann auch anspruchsvolle Lösungen mit Solarthermie und hohen Dämmstandards gelingen können, zeigen unsere Beispiele.

Von wegen Gemeinschaft. Selten sammeln sich unter einem Dach so unterschiedliche Interessen wie bei den Eigentümern und Bewohnern eines Hauses mit Eigentumswohnungen. Da gibt es die Selbstnutzer, die ihr Haus in Topzustand halten wollen, aber auch die, die schon beim Kauf ihre finanziellen Mittel ausgereizt haben. Oder die Anleger, die nur vermieten und möglichst wenig investieren möchten. Sie alle bei anstehenden Modernisierungen unter einen Hut zu bekommen ist keine leichte Aufgabe. Da brauchte es Menschen, die andere überzeugen können, wie finanziell sinnvoll und werterhöhend es sein kann, das gemeinsame Haus auf einen besseren baulichen Standard zu bringen, anstatt nur unabweisbare Reparaturen ausführen zu lassen. Rainer Lenkeit ist so einer.

Weit schweift sein Blick über die Landschaft rund um Bergisch Gladbach, östlich von Köln. Jenseits der Autobahn 4 liegt der Königsforst, ein großes Waldgebiet. Rechter Hand erkennt man bei gutem Wetter die Türme des Kölner Doms, das milde Klima des Rheintals ist zu spüren. Mehr als die Aussicht interessiert den 54-jährigen Wohnungseigentümer aber die Technik direkt neben ihm. In 23 Meter Höhe reihen sich 40 Solarkollektoren auf dem Dach eines Mehrfamilienhauses. Mehr als 80 Quadratmeter messen die Sonnenfänger. Sie sind das neueste Projekt der Eigentümergemeinschaft, der 98 Wohnungen in den fünf siebenstöckigen Häusern am südlichen Stadtrand gehören.

Kosten sparen, Wert erhalten

Lenkeit ist Vorsitzender der Beiräte der WEG Reginharstraße 1-9. Fünf Beiräte organisieren die Modernisierung der 1973 gebauten Häuser, bereiten Entscheidungen für die Auftragsvergabe der Hausverwaltung vor und sind Bindeglied zwischen Eigentümern, Mietern, Hausverwaltung und den beauftragten Handwerksfirmen. "Ziel unserer Arbeit ist es vor allem, den Eigentümern mittel- und langfristig Geld einzusparen, indem wir die Nebenkosten reduzieren", sagt Lenkeit, der als Manager eines Kölner Energieversorgers auch beruflich viel mit der Preisentwicklung und Verträgen für Energie zu tun hat.

Nachdem die Gemeinschaft vor einigen Jahren eine eigene Kabelfernsehversorgung installiert hatte und seither pro Jahr 9.500 Euro Gebühren spart, richtete sich die Aufmerksamkeit der Beiräte auf den Energieverbrauch. Die beiden Gaskessel für die Heizung, jeder 20-mal so stark wie ein Einfamilienhausmodell, wurden erneuert. "Eine ganze Zeit haben wir uns mit einer Photovoltaikanlage zur Stromerzeugung beschäftigt, die sich aber in unserem Fall nicht gerechnet hätte. Als dann klar wurde, dass die Warmwasserkessel nach 35 Jahren am Ende ihrer Lebensdauer angekommen waren, haben wir uns ausführlicher mit Solarwärme befasst", erinnert sich Lenkeit an den Gang der Entscheidungen. Etliche Sitzungen später, in denen technische Probleme erörtert und die von der Hausverwaltung eingeholten Angebote geprüft wurden, fiel dann intern die Entscheidung, eine Solarwärmeanlage zu bauen.

Doch einfach loslegen, das geht bei einem in Eigentumswohnungen aufgeteilten Haus nicht. Während sich die Besitzer von Einfamilienhäusern frei entscheiden können, muss hier zuerst die Gemeinschaft informiert und ein rechtlich einwandfreier Beschluss gefällt werden. Das erinnert nicht selten an Koalitionsverhandlungen in der Politik und unterliegt den detaillierten Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Dieses wurde zwar vor einigen Jahren geändert, um schnellere Entscheidungen treffen zu können. Die Paragrafen und Ausführungsdetails füllen aber immer noch ganze Bücher und wollen penibel beachtet sein, damit hinterher niemand die gefällten Beschlüsse vor Gericht anfechten kann. "Im Vorfeld gab es einige Hürden zu überwinden, da die Eigentümer, von denen mehr als zwei Drittel ihre Wohnungen selbst nutzen, von der Thematik und der Technik überzeugt werden wollten. Da gab es schon so manche Diskussion, und vieles musste erläutert und mit Berechnungen belegt werden", erklärt Rainer Lenkeit, der seit etwa fünf Jahren in der Selbstorganisation der Eigentümer mitarbeitet.

Tücke im Detail

Auch technisch galt es, Fragen zu klären, an die bei einem Einfamilienhaus niemand denkt. In 23 Meter Höhe bläst der Wind deutlich heftiger als in Bodennähe. Deshalb wurden vor der Flachdachmontage der Kollektoren die Wind- und Soglasten sowie das zusätzliche Gewicht durch Schnee und Eis von einem Statiker berechnet. Um auf Nummer sicher zu gehen, sind deshalb die Stahlträger der Konstruktion direkt auf der Betondecke verschraubt, statt die Anlage nur mit kiesgefüllten Plastikwannen zu beschweren. "Das war im Nachhinein deutlich teurer als gedacht", berichtet Lenkeit. Gelöst werden musste auch die Einbindung der Anlage in den bestehenden Blitzschutz. "Hier haben die Fachfirmen in ihren Angeboten verschiedene Konzepte vorgestellt. Welches sollten wir als Laien nehmen?", erinnert sich Lenkeit an aufwendige Vergleiche. Auch die Frage, wie die Rohre, in denen die 400 Liter Solarflüssigkeit zirkulieren, von den Kollektoren hinunter in den Keller zu den Solarspeichern geführt werden, machte den Beiräten Kopfzerbrechen, auch wenn sie von Bernhard Fischer, Architekt bei der Hausverwaltung Hammele und Partner, fachlich beraten wurden.

Die Lösung war ein stillgelegter Müllabwurfschacht, durch den die Rohre, gestützt durch stockwerksweise montierte Tragkonstruktionen, nun senkrecht durchs Haus reichen. Um die alten Warmwasserkessel austauschen zu können, musste sogar die Wand des Kellers geöffnet werden. Die drei mächtigen Warmwasserspeicher mit jeweils 1.500 Liter Inhalt und die drei 1.000-Liter-Speicher für das Heizungswasser hätten nicht durch die Türen gepasst. Seit Juli 2009 steht nun die durch die Kollektoren gesammelte Wärme für die Warmwasserbereitung zur Verfügung und unterstützt die Heizung in der Übergangszeit. "Für eine endgültige Abrechnung ist es noch zu früh. Der Winter 2009/10 war ausgesprochen hart und lang mit viel Schnee. Wir rechnen aber insgesamt mit 25 bis 30 Prozent Energiekosteneinsparung durch die Solarthermieanlage", sagt Lenkeit. "Bei vorher zirka 1,1 Millionen Kilowattstunden Gasverbrauch macht sich das schon bemerkbar, auch wenn wir einen Sondervertrag für den Gasbezug haben."

Überzeugende Argumente

Damit hätte die Eigentümergemeinschaft eine weitere Etappe erreicht, um die bald 40 Jahre alte Wohnanlage fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Das Risiko und die Folgekosten tragen alle gemeinsam. Doch wie erreicht man bei so vielen Entscheidern, die zudem ganz unterschiedliche Interessen und Lebenslagen haben, einen Beschluss, der über den normalen Erhalt des Status quo in die Zukunft weist? "Wir hatten sicherlich den Vorteil, durch vorausschauendes Handeln in der Vergangenheit das Vertrauen der allermeisten Eigentümer und Investoren zu besitzen", erklärt Betriebswirt Lenkeit. "Dazu kam der rechnerische Vorteil und die technische Notwendigkeit, die Warmwasserboiler sowieso erneuern zu müssen. Der Umweltgedanke war über die vielen vorbereitenden Diskussionen ebenfalls ins Interesse der Parteien gerückt. Wir wollten uns immer schon mit innovativen Investitionen von den Häusern um uns herum abheben." Heute pilgern andere Beiräte des Beirätenetzwerkes Großwohnanlagen im Rheinland und die verschiedensten Verantwortlichen aus der Umgebung mit Interesse aufs Dach und in den Keller, um Informationen und Details für ihre eigenen Wohnanlagen mitzunehmen.

Einfacher wurde die Entscheidung nicht zuletzt durch die Tatsache, dass die Instandhaltungsrücklage, die jeder Eigentümer mit dem monatlichen Hausgeld zahlt, in der WEG Reginharstraße so bemessen ist, dass auch größere Projekte ohne eine Sonderumlage gestemmt werden können. Denn eine Sonderumlage, die alle Eigentümer nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel zusätzlich zahlen müssten, macht gerade bei größeren Gemeinschaften mit unterschiedlichen Interessen und finanziellen Möglichkeiten eine Entscheidungsfindung schwieriger.

Dabei steigt der Druck auf Besitzer von Eigentumswohnungen zusehends. Denn bei der Erneuerung maroder Bauteile wie Fenster oder Dächer greifen die Bestimmungen der Energieeinsparverordnung (EnEV). Diese fordert auch bei der Sanierung einzelner Bauteile mittlerweile recht anspruchsvolle Dämmstandards, die erfüllt werden müssen. Deshalb sind bei der Solarthermieanlage in Bergisch Gladbach die Stützen des Untergestells auch deutlich länger als nötig. "Wenn in einigen Jahren die Dachisolierung und -abdeckung erneuert werden muss, können wir so eine zusätzliche Dämmung verlegen lassen, ohne die Kollektoren abbauen zu müssen", erklärt Architekt Fischer den Aufbau.

Irgendwann steht dann auch die Dämmung der Fassade an, was wegen der vorgehängten Waschbetonplatten im typischen Stil der 1970er-Jahre kein einfaches Unterfangen sein dürfte.

Vorausschauende Planung

280 Kilometer weiter Richtung Nordosten hat man diese Aufgabe schon gemeistert. Hier in der Lessingstraße in Hannover-Wettbergen haben die Eigentümer von insgesamt 108 Wohnungen in zwölf Häusern bereits seit dem Jahr 2000 über eine grundlegende Sanierung ihrer 1970 gebauten Häuser beraten. Auslöser waren Beschwerden wegen Schimmel und feuchten Wänden. "Einzelne Mieter haben damals Mietkürzungen angedroht, auch manche Eigentümer waren unzufrieden", sagt Peter Reinefeld, Vorsitzender des Verwaltungsbeirats der Wohnungseigentümergemeinschaft. Gemeinsam mit der Verwaltung und einem sanierungserfahrenen Architekten wurde nach Lösungen gesucht. Nach etlichen Diskussionsrunden im Beirat und in der Eigentümerversammlung wurde beschlossen, mehr als nur die Mängel zu beseitigen. "Gerade ältere Eigentümer haben oft den Einwand, dass sich für sie die Investition nicht mehr lohnt", berichtet Reinefeld. Solchen Widerständen begegnet der erfahrene Beiratsvorsitzende mit dem Argument der Bestandserhaltung. "Die Häuser langfristig intakt zu halten und behutsam, ohne finanzielle Überforderung, den Standard nach und nach zu verbessern, lautet die Aufgabe. Eine Hauruckmentalität hilft nicht weiter."

Beachtliche Einsparung

Eine 15 Zentimeter starke Außenwanddämmung, die auch über die Rahmen der bereits vorher erneuerten Fenster reicht, verhindert seitdem die Schimmelbildung. Da die Energieeinsparverordnung den Austausch der sechs Ölheizkessel notwendig machte, wurden diese gegen moderne Niedertemperaturkessel samt Steuerung und neuen Edelstahlschornsteinen ausgetauscht. Hierfür hat die Eigentümerversammlung einen eigenen Beschluss gefällt, der angesichts der staatlichen Vorgaben unumstritten war. Obwohl noch einige Sparmaßnahmen wie die Dämmung der obersten Geschossdecken oder der Kellerdecken ausstehen, ist die Einsparung schon beachtlich. Im Schnitt der vergangenen Jahre sank der Ölverbrauch um 41 Prozent. 1,1 Millionen Euro hat die Sanierung gekostet. Statt die Summe auf einmal mit einer Sonderumlage zu stemmen, haben die Eigentümer entschieden, die zu erwartenden Kosten über mehrere Jahre durch eine Erhöhung der Instandhaltungsrücklage aufzubringen. "Das Geld muss da sein, bevor mit den Arbeiten begonnen wird", betont Peter Reinefeld. Sechs Jahre lang sollte jeder Eigentümer rund zehn Euro pro Quadratmeter und Jahr mehr bezahlen. "Wegen günstiger Angebote und einem schnellen Bauablauf konnten wir die Erhöhung bereits deutlich früher wieder auf die ursprünglichen 21,64 Euro je Quadratmeter und Jahr senken", freut sich Reinefeld, der wie alle Bewohner von den deutlich gesunkenen Heizkosten profitiert. Durchschnittlich 10.000 Euro pro Wohnung und rund 160 Euro pro Quadratmeter hat die Sanierung gekostet. Seit dem Start des Projekts ist der Ölpreis von zirka 45 Cent je Liter um mehr als 40 Prozent auf nun fast 70 Cent gestiegen. "Wo das noch hinführt, wissen wir nicht. Es zeigt aber, dass unsere Entscheidung so falsch nicht gewesen sein kann", sagt Peter Reinefeld.

Beschlussfassung: So einstimmig wie möglich

Beschlüsse zu finden ist in Wohnungseigentümergemeinschaften ein festgelegter demokratischer Prozess. So will es das Wohnungseigentumsgesetz. Denn große Teile des Hauses gehören allen gemeinsam. Wer bei den Abstimmungen welche Stimmrechte hat, richtet sich nach dem Gesetz, meist aber nach in der Teilungserklärung festgelegten Vorgaben.

Üblich ist das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen, es gibt aber auch andere Abstimmungsregeln, etwa nach der Zahl der Wohnungen oder der Zahl der Eigentümer. Für die Einberufung einer Eigentümerversammlung, die Beschlussvorbereitung und -fähigkeit und vieles Weitere formuliert das Wohneigentumsgesetz detaillierte Vorschriften, deren peinlich genaue Beachtung vor ungültigen Beschlüssen und dem Risiko eines Gerichtsverfahrens schützt. Zusätzlich gelten für verschiedene bauliche Maßnahmen unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse, mit denen die Eigentümergemeinschaft Modernisierungen und Bauarbeiten am gemeinsamen Besitz beschließen kann.

Auch wer gegen eine Modernisierung ist und überstimmt wird, muss seinen Teil bezahlen, außer es ist eine andere Kostenverteilung beschlossen worden. Kann oder will ein Eigentümer nicht zahlen, kann er von der Gemeinschaft dazu gezwungen werden, notfalls bis zur Zwangsversteigerung. "Man sollte aber Überzeugungsarbeit leisten, statt Gräben zu ziehen", sagt Gabriele Heinrich, Geschäftsführerin des Vereins Wohnen im Eigentum e.V. Das dauere zwar oft länger und komme immer auf den Einzelfall an. Aber: "Wir empfehlen, bei baulichen Veränderungen die Zustimmung aller betroffenen Eigentümer einzuholen, um alle im Boot zu haben und das Gemeinschaftsgefühl für das Haus zu stärken. Das ist preiswerter und dauerhafter als schnelle Entscheidungen, die dann vor Gericht landen." Rechtzeitige und transparente Informationen für alle Eigentümer erhöhen die Akzeptanz. "Deshalb ist es ungünstig, wenn bauwillige Eigentümer die anderen Miteigentümer zur Zustimmung drängen, das schadet dem Klima im Haus."

Finanzierung

Eine durch monatliche Zahlungen gut gefüllte Instandhaltungsrücklage ist die angenehmste Variante, eine Modernisierung von Eigentumswohnungen zu finanzieren. Der zweite Weg ist eine Sonderumlage. Diese Extrazahlung kann per Beschluss auch in Raten gezahlt oder über Jahre angespart werden. Wer als Eigentümer dafür einen Kredit braucht oder einen über die Hausbank vermittelten Förderkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nutzen möchte, stößt bei vielen Banken auf Widerstand, da die Kreditsumme klein und der Aufwand hoch ist. Hier hilft nur, die Bank zu wechseln. Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes 2007 ist die Wohnungseigentümergemeinschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit und kann als solche eigenständig Kredite aufnehmen. Die Mitglieder haften nur für ihren Anteil am Kredit. In der Praxis stößt die Kreditaufnahme aber auf Hindernisse. So sind KfW-Kredite für Eigentümergemeinschaften schwierig zur bekommen.

Förderung

Prinzipiell stehen auch Besitzern von Eigentumswohnungen Geld vom Staat oder Förderkredite zu. Tatsächlich scheitern Zuschüsse aber oft an Detailklauseln. Deshalb sollten die Eigentümer bereits im Vorfeld den Verwalter auffordern, Fördermöglichkeiten zu recherchieren. Empfehlenswert ist der Rat eines Energieberaters. Liste unter www.bafa.de

Buchtipp

Ein gut verständlicher Ratgeber ist Der Modernisierungsknigge für Wohnungseigentümer, herausgegeben vom Verein Wohnen im Eigentum e.V. Die Autoren beschreiben alle Schritte von Instandsetzungen, Modernisierungen und baulichen Veränderungen und zeigen mit zahlreichen Mustertexten Wege durch die juristischen Klippen des Wohneigentumsgesetzes. Preis: 19,90 Euro (inkl. Versand). [email protected] oder Tel. 0228/6297998.