Umkämpfter Markt: Wettbewerb im Veggieregal
Vegetarische Wurst aus der Fleischfabrik? Was sich anhört wie ein Witz, ist Realität. Unternehmen der Fleischwarenindustrie produzieren und vertreiben längst auch fleischfreie Alternativen. Nicht weil sie plötzlich umdenken, sondern weil die Branche unter Druck steht. Das Nachsehen haben oft die Pionierbetriebe.
So eine Wurst ist "ernährungsphysiologisch nicht so der Brüller". Das jedenfalls hat Rügenwalder-Mühle-Geschäftsführer Christian Rauffus im vergangenen Jahr im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt. Das Familienunternehmen war 2014 als erstes der Großen der deutschen Fleischwarenindustrie mit vegetarischen Fleischersatzprodukten auf den Markt gegangen. Heute machen sie bei Rügenwalder 20 Prozent des Umsatzes aus, 2020 sollen es schon 40 Prozent sein. Weiter wird Rauffus so zitiert: "Abgesehen davon, dass eine Wurst unzweifelhaft eine leckere Sache ist, gibt es ja nicht viel Positives, was daran auszuloben ist." Das Zitat gebe nicht die vollständige Aussage wieder, teilte Godo Röben später mit, seinerseits Geschäftsführer der Bereiche Marketing sowie Forschung und Entwicklung bei Rügenwalder. Rauffus habe in dem Gespräch auch zwei andere Sätze gesagt. "Fleisch ist das hochwertigste Lebensmittel, das wir erzeugen." Und: "Sie werden von mir nichts Negatives über Fleisch hören." Widersprüchliche Aussagen eines Branchenvorreiters. Teilt hier einer, dessen Einstellung sich verändert hat, gegen die eigene Branche aus? Oder ist doch alles nur eine Reaktion auf das sich wandelnde Konsumverhalten der Deutschen?
Fleischalternativen gehören dem Kölner Institut für Handelsforschung zufolge zu den umsatzstärksten Warengruppen unter den veganen und vegetarischen Lebensmitteln mit einem deutlichen Plus in den vergangenen Jahren. Eine Entwicklung, die neue Anbieter auf den Markt brachte. Viele der Ersatzprodukte in Supermarktregalen - fleischlose Wurst, Frikadellen oder Schnitzel - kommen inzwischen aus Unternehmen der Fleischwarenindustrie. Etwa aus dem familiengeführten Betrieb Ponnath mit seiner Marke Veggie Gourmet oder von der Nestlé-Tochter Herta. Auch Meica macht inzwischen Würstchen ohne Fleisch. Der Konzern Wiesenhof startete nach Unternehmensangaben 2013 mit der Entwicklung von veganen Produkten.
Auch wegen des steigenden Angebots erlebten die Fleischersatzprodukte einen "immensen Boom", vermeldete die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im vergangenen Jahr. Verantwortlich dafür seien vor allem Flexitarier: Das sind diejenigen, die ihren Fleischkonsum bewusst reduzieren, ohne ganz darauf zu verzichten. Ein gutes Drittel der Haushalte in Deutschland zählt nach Meinung der GfK hierzu. Sie kaufen deutlich weniger Fleisch und Wurst als regelmäßige Fleischesser, dafür aber mehr Veggie-Ersatzprodukte.
Dass das Engagement der Fleischwarenindustrie im Nischenmarkt der veganen und vegetarischen Produkte nicht jedem Verbrau...