ÖKO-TEST-Magazin 1/2009
Private Rentenversicherer versprechen oft hohe Überschüsse. Davon kommt bisweilen aber nur wenig beim Kunden an. Besonders ärgerlich ist das bei Policen mit Einmalbeitrag, bei denen die Zusatzrente bereits unmittelbar oder kurz nach Einzahlung eines größeren Einmalbetrages fließen soll. Wegen des kurzen Zeitraums zwischen Vertragsabschluss und Rentenbeginn setzen Verbraucher ein höheres Vertrauen in die Modellrechnungen. Ihre Annahme: Wenn nur wenig Zeit zwischen Vertragsabschluss und Rentenbeginn liegt, sollten die Versicherer nicht nur die garantierten, sondern auch die prognostizierten Leistungen verlässlich kalkulieren können. Doch weit gefehlt, wie ÖKO-TEST im Januar am Beispiel eines 55-jährigen Rentners aufzeigte. Der hatte 200.000 Euro als Einmalbeitrag in eine Rentenpolice investiert. Statt der versprochenen 1.448 Euro Monatsrente wollte ihm der Versicherer jedoch nur die Garantierente von rund 971 Euro plus 116 Euro Überschuss, also rund 1.087 Euro zahlen. Begründung: Zwischen Vertragsabschluss und Rentenbeginn wurden die Sterbetafeln geändert. Weil der Kunde womöglich länger leben könnte als der Versicherer bei Vertragsabschluss annahm, wurde die Überschussrente daher drastisch gekürzt. Das Geld wollte der Versicherer für die etwaige längere Zahldauer der Garantierente verwenden. "Das lassen die Vertragsbedingungen aber eigentlich nicht zu", kritisierte ÖKO-TEST seinerzeit. Denn im Kleingedruckten der Police stand ausdrücklich, dass die Überschüsse ausschließlich zur sofortigen Erhöhung der Rente zu verwenden sind.
Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. Juli 2009 (Az. IV ZR 102/06) bestätigt ÖKO-TEST: Wenn vereinbart wird, dass aus den Überschussanteilen eine zusätzliche Rente gebildet wird, darf der Versicherer die erzielten Überschüsse nicht verwenden, um Lücken in der Deckungsrückstellung für die garantierte Rente zu füllen, stellten die Karlsruher Richter ausdrücklich klar. Mehr noch: Auch wenn die Aufsicht feststellt, dass der Versicherer zu wenig Mittel für die garantierte Rente einkalkuliert hat und - zum Beispiel wegen Veränderung der Sterbetafeln - nun weitere Mittel dafür auf die hohe Kante legen muss (im Fachjargon "Nachreservierung "genannt), darf der Versicherer dem Kunden nicht einfach die Überschüsse kürzen. Vielmehr muss er das Geld für die Nachreservierung gegebenenfalls sogar von seinen Aktionären fordern, so der BGH.
Das Urteil könnte Sprengstoff für die Branche sein. Denn Klauseln, denen zufolge erwirtschaftete Überschüsse nur rentenerhöhend verwendet werden dürfen, finden sich in vielen Tarifen. Versicherungsmathematiker Axel Kleinlein mutmaßt daher, dass auch Kunden von Riester-Tarifen seit 2005 entsprechende Überschüsse vorgehalten worden sind. Denn die seinerzeitige Umstellung der Sterbetafel wurde ebenfalls überwiegend durch Rückgriff auf Überschüsse finanziert. Nach dem neuen BGH-Urteil könnten Zigtausende Besitzer von Rentenpolicen Schadenersatzansprüche haben.