In der Zeit, in der ein Baby im Bauch heranwächst, beschäftigen sich werdende Eltern zwangsläufig mit dem Tag der Geburt. Sie stellen sich typische Fragen: Wie und wo soll das Kind zur Welt kommen? Welche Risiken gibt es dabei für Mutter und Kind? Oder: Was kann man gegen die gefürchteten Schmerzen während der Wehen tun? Professorin Maritta Kühnert, Leitende Oberärztin der Geburtshilfe und Perinatalmedizin an der Uniklinik Marburg, ist seit mehr als 30 Jahren im Geschäft. Dabei erlebt sie Frauen, die die Geburt ganz unterschiedlich angehen. Was ihr auffällt: "Werdende Mütter lesen oft viel zu viel - und das völlig ungefiltert."
Es sind ja vor allem Horrorgeschichten, die im Internet kursieren oder die immer wieder erzählt werden. "Schwangere sind hochsensibel, sie sind nah am Wasser gebaut, erleben alles viel intensiver; natürlich überfordert sie das." Die Ärztin rät Frauen, lieber persönlich über ihre Ängste zu sprechen: mit Freundinnen, mit Hebammen, mit Ärzten.
"Ein Kaiserschnitt ist kein Allheilmittel"
Kaiserschnitt oder natürliche Geburt? Julia Hennicke, freiberufliche Hebamme aus Berlin, findet es wichtig, Schwangeren die Risiken eines Eingriffs aufzuzeigen und sie dazu zu ermutigen, auf ihre eigenen Kräfte zu vertrauen. Und auch Ärztin Maritta Kühnert betont: "Ein Kaiserschnitt ist kein Allheilmittel, um die Schmerzen einer natürlichen Geburt zu umgehen." Je näher der Geburtstermin rückt, desto größer wird oftmals die Angst. "Frauen nehmen Schmerz aber ganz unterschiedlich wahr", erklärt die Expertin. Was für die einen schon ganz schlimm sei, empfänden andere noch als sehr harmlos.
Dass Frauen sehr verschieden mit der bevorstehenden Geburt umgehen, hat sicherlich auch mit dem Alter und dem sozialen Hintergrund zu tun. "Sehr junge Schwangere sind oft unbekümmerter, während Frauen im zunehmenden Alter und mit statistisch steigenden Gefahren sehr viele Informationen suchen", sagt Hebamme Karolin Rustler. Sie bringen zwar viel Vorwissen mit und fragen interessiert nach. "Die Kehrseite aber sind viele Gedanken und möglicherweise Sorgen, die sie belasten."
Fragen und Antworten rund um die Geburt
Gerade vor der Entbindung des ersten Kindes gehen werdenden Müttern viele Gedanken durch den Kopf: Einerseits können sie das Ereignis kaum erwarten, andererseits macht sich eine gewisse Unruhe breit, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wann ist die richtige Zeit, die Hebamme zu rufen?
Wenn Sie eine Hausgeburt planen, werden Sie sowieso in engem Kontakt mit der Hebamme stehen. Rufen Sie sie an, wenn Sie das Gefühl haben, die Wehen beginnen. Beschreiben Sie ihr, was Sie fühlen - sie wird Ihnen aufgrund ihrer Erfahrung sagen können, wann ihre Anwesenheit nötig ist. Genauso verfahren Sie mit einer Beleghebamme, die Sie bei der Geburt in der Klinik begleitet. Für Entbindungen in der Klinik gilt: Kommen die Wehen alle zehn Minuten, sollten Sie sich spätestens auf den Weg machen.
Lässt sich ein Dammschnitt vermeiden?
Bei der Geburt lastet großer Druck auf dem Damm zwischen Scheide und Anus. Lange war es üblich, während der Geburt vorbeugend einen kleinen Schnitt zu machen, damit der Damm nicht reißt. Das Gewebe wird median (Richtung After) und lateral (seitlich) unter lokaler Betäubung durchtrennt. Gründe für einen Schnitt sind ein sehr großer Babykopf oder eine völlig erschöpfte Mutter. Der Schnitt verursacht später allerdings oft Schmerzen beim Sitzen, beim Sex und beim Wasserlassen.
Mit Übungen kann man einer Dammverletzung vorbeugen; ob sich der Schnitt am Ende vermeiden lässt, hängt aber vom Verlauf der Geburt ab. Das Gewebe dehnt sich, wenn man oft mit gegrätschten Beinen in die Hocke geht. Manche Hebammen raten ab der 38. Woche zu Heublumensitzbädern. Sie sollen den Damm weich und geschmeidig machen. Wer sein Gewebe entsprechend vorbereiten möchte, kann die Sitzbäder einmal in der Woche nehmen, ab dem Geburtstermin auch täglich. Getrocknete Heublumen gibt es in der Apotheke.
Auch eine Dammmassage soll das Gewebe weicher und flexibler machen, damit es den Druck durch das Köpfchen besser aushält. Der Damm kann ab der 34. Woche täglich ein- bis zweimal massiert werden. Spezielles Massageöl gibt es in der Apotheke, im Bio-Laden und in Drogeriemärkten.
Über die Schmerzen während der Geburt
Welche Methoden und Schmerzmittel helfen während der Geburt?
Spasmolytika sind Medikamente, die die Muskulatur entspannen; sie haben in der Regel keine Nebenwirkungen. Opiate beruhigen und entspannen, allerdings machen sie die Frauen oft benommen. Sie können außerdem den Atemantrieb der Gebärenden reduzieren und auch den Atemrhythmus des Kindes negativ beeinflussen. In seltenen Fällen muss dem Baby ein Gegenmittel gespritzt werden. Für eine Periduralanalgesie oder Peridural- bzw. Epiduralanästhesie (kurz: PDA) führt der Narkosearzt einen dünnen Schlauch in die Nähe der Rückenmarkshaut ein. Durch diesen Katheter wird ein lokales Betäubungsmittel gespritzt, die Schmerzen lassen nach. Es kann zu Taubheitsgefühlen und einer Schwäche der Beine kommen. Im Normalfall bleibt die Beweglichkeit der Schwangeren aber erhalten.
Die Nachteile der PDA: Bei einer zu starken Entspannung der Gebärmutter lässt die Wehentätigkeit nach. Ist die Dosierung der Schmerzmittel zu stark, verliert die Gebärende das Gefühl für die Wehen, sie kann nicht mehr mitpressen. Häufige Nebenwirkung der PDA ist ein Juckreiz. Während der PDA kann der Blutdruck sinken, deshalb wird über einen Tropf Flüssigkeit zugeführt. Selten treten in den ersten Tagen nach der Geburt starke Kopfschmerzen auf. Komplikationen wie Nervenverletzungen, eine Nerven- oder Querschnittslähmung sind dagegen extrem selten.
Sollte ein Kaiserschnitt notwendig werden, kann der Arzt über den Katheter ein Anästhetikum spritzen, das die untere Körperhälfte gefühllos macht. Vorteil: Die Mutter bleibt bei der Geburt wach. Nachteil: Kopfschmerzen und eventuell sinkender Blutdruck sowie die gleichen Risiken wie bei einer PDA durch die Rückenmarkshaut. Das Kind bekommt von den Betäubungsmitteln wenig ab.
Die Pudendusblockade wird nicht in allen Kliniken angeboten. Dabei werden Damm und Beckenboden mit einer Injektion in die Scheide lokal betäubt, die Schmerzen werden gelindert. Gegen Wehenschmerzen hilft die Methode nicht, sie ist nur in der Austreibungsphase, beim Dammschnitt oder einer Geburt mit Saugglocke oder Zange sinnvoll. Komplikationen können auftreten, wenn durch die Injektion des Betäubungsmittels ein Blutgefäß verletzt wird.
Welche alternativen Mittel und Methoden lindern die Schmerzen?
Akupunktur erleichtert in China seit Jahrtausenden unter anderem die Geburt. Ab der 35. Schwangerschaftswoche werden beim Arzt oder von der Hebamme bestimmte Akupunkturpunkte genadelt. Die Nadeln wirken auf die Schwangere psychisch ausgleichend. Die Wehendauer und die Eröffnungsphase der Geburt verkürzen sich. Damit sinkt auch der Bedarf an klassischen Schmerzmitteln. Manche Frauen empfinden das Nadeln unter der Geburt als unangenehm, da sie durch den Wehenschmerz sehr empfindlich werden.
In der Schwangerschaft und während der Geburt werden homöopathische Mittel wie Arnica, Aconitum, Belladonna, Caulophyllum, Chamomilla, Coffea, Sepia oder Pulsatilla eingenommen. Diese Globuli können den Wehenschmerz nicht wegzaubern. Sie sollen die werdende Mutter so stärken, dass sie sich kräftig und motiviert fühlt und den Wehenschmerz als nicht so gravierend empfindet. Enttäuschung kann einsetzen, wenn große Erwartungen in Globuli gesetzt werden, sie aber keine Erleichterung verschaffen. Das kann auch passieren, wenn die falschen Mittel gegeben werden. Eine homöopathisch ausgebildete Hebamme oder Ärztin, die die Schwangere gut kennt, ist darum hilfreich.
Mithilfe der Hypnose soll der Kreislauf aus Angst, Anspannung und Schmerz überwunden und das Schmerzempfinden reduziert werden. Mit bestimmten Bildern und Fantasien versetzt sich die Frau in einen Zustand, der es ihr ermöglicht, die Geburt positiv und leichter zu erleben. Die Methode können Frauen während des letzten Schwangerschaftsdrittels in fünf bis sechs Sitzungen erlernen. Wenn es während der Geburt dann nicht so klappt, sind die Frauen oft enttäuscht. Einer Studie zufolge hatten jedoch Schwangere, die die Selbsthypnose nutzten, weniger Angst vor der Geburt, fühlten sich besser vorbereitet, hatten weniger Schmerzen und benötigten weniger Schmerzmittel als normal Gebärende.
Geburt: Einsatz von Zange oder Saugglocke
Welche medizinischen Eingriffe gibt es während der Geburt?
Wenn die Geburt nicht mehr richtig vorwärtsgeht, helfen Hebamme und Arzt, damit das Kind nicht zu lange im Geburtskanal steckt. Eine Zange ist im Notfall schnell einsetzbar, allerdings muss meist ein Dammschnitt gemacht werden. Das Gerät verlangt viel Erfahrung des Geburtshelfers. Die Zange besteht aus zwei Löffeln, die seitlich am Kopf des Kindes angelegt werden. Mit dieser Zange wird der Kopf des Babys synchron mit den Wehen herausgeleitet. Die Druckstellen am Kopf des Kindes verschwinden schnell.
Die Saugglocke besteht aus einer Halbkugel, die am Kopf des Kindes ansetzt. Die Halbkugel ist durch einen Schlauch mit einem Gerät verbunden, das ein Vakuum erzeugt. Bei jeder Wehe zieht der Geburtshelfer nun mit. Die Glocke hinterlässt am Kopf des Babys eine leichte Schwellung, die bald wieder weggeht. Diese Methode ist sanfter und langsamer als die Zangenmethode, auch ist nicht immer ein Dammschnitt notwendig.
Die Sicherheit beider Methoden ist vergleichbar, Verletzungen und schwere Komplikationen sind selten. Im Jahr 2015 wurden laut Statistischem Bundesamt 0,4 Prozent aller Frauen in Krankenhäusern mit der Geburtszange und 5,9 Prozent per Saugglocke (Vakuumextraktion) entbunden.
Wie verläuft eine Wassergeburt?
Wenn die Schwangerschaft problemlos verlaufen ist und keine Komplikationen für die Entbindung zu erwarten sind, spricht nichts dagegen, ein Kind im Wasser zu gebären. Bei Gestose, Thrombosegefahr, Beckenendlage, auffälliger Kardiotokografie (CTG), verfärbtem Fruchtwasser, einer Mehrlingsgeburt oder hohem Blutverlust werden Ärzte und Hebammen eine Wannengeburt nicht zulassen.
Für alle problemlosen Fälle hat sie mehrere Vorteile: In der Regel dauert eine Wassergeburt nur etwa zwei Stunden, die Frauen können gut entspannen, weil der Körper vom Wasser getragen wird; die Wehen sind deshalb nicht so schmerzhaft, aber effektiv. Es werden weniger Schmerzmittel gegeben, und der Damm wird seltener verletzt, das Gewebe dehnt sich besser. Für das Baby ist der Weg leichter - es gleitet zunächst in ein vertrautes, nasses Element.
In den meisten Kliniken gibt es Geburtswannen mit rund 700 Litern und einer Klappe als Notausstieg. Die Frau liegt hier bis zur Höhe des Nabels in 34 bis 36 Grad warmem Wasser. Hebamme, Arzt und Partner begleiten die Frau vom Wannenrand aus. Die kindlichen Herztöne werden über wasserdichte Schallköpfe kontrolliert und per Funk auf den Wehenschreiber übertragen. Gegen Ende der Geburt lässt die Wehentätigkeit manchmal nach; in diesem Fall muss die Frau aufstehen und einige Minuten in der Wanne stehen.
Komplikationen bei der Geburt
Welche Komplikationen können auftreten?
Bei der Insertio velamentosa setzt die Nabelschnur nicht an der richtigen Stelle der Plazenta an. Beim Blasensprung oder unter Wehen können wichtige Versorgungsgefäße des Kindes zerreißen.
Ein Geburtsstillstand kann in jeder Phase der Geburt eintreten. Die Ursache kann eine Wehenschwäche sein, die auch durch wehenfördernde Mittel nicht beseitigt werden kann, zum Beispiel bei Erschöpfung der Mutter. Aber auch ein Missverhältnis zwischen Kindsgröße und mütterlicher Beckengröße oder eine Beckenend- oder Querlage des Babys kann zu einem Geburtsstillstand führen.
Bei einem Nabelschnurvorfall befinden sich nach dem Blasensprung Teile der Nabelschnur vor dem Kind. Dadurch verschlechtert sich die Durchblutung des Babys.
Die Uterusatonie ist die häufigste Ursache einer heftigen Blutung in der Nachgeburtsphase. Die Gebärmutter zieht sich nach der Geburt nicht ausreichend zusammen.
Das Kind ist auf der Welt, die Nabelschnur durchtrennt - was passiert dann?
Die eigentliche Geburt ist erst abgeschlossen, wenn auch die Nachgeburt draußen ist. Dabei zieht sich die Gebärmutter kräftig zusammen, verkleinert dadurch ihre innere Oberfläche, sodass sich die Plazenta ablösen kann. Um diesen Prozess anzuregen, bekommen Frauen häufig das wehenfördernde Hormon Oxytocin. Der Körper stößt die Plazenta dann nach etwa 10 bis 30 Minuten mit etwas Blut ab.
Arzt oder Hebamme überprüfen den Mutterkuchen anschließend sorgfältig auf Vollständigkeit. Bleiben Reste in der Gebärmutter zurück, kann es zu Wucherungen, Infektionen oder stärkeren Blutungen kommen. Verbliebene Reste schabt der Gynäkologe aus, dafür ist eine kurze Narkose notwendig. Die Nachgeburt verläuft in aller Regel komplikationslos.
Von den Nachgeburtstwehen, die für das Abstoßen der Plazenta sorgen, unterscheiden sich die Nachwehen. Sie treten einige Stunden nach der Geburt auf, können mehrere Tage andauern und sorgen für die Rückbildung der Gebärmutter. Sie werden zwar in der Regel mit jeder Entbindung intensiver, sind aber wesentlich weniger schmerzhaft als Geburtswehen.
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