Multivitaminprodukte für Kinder im Test: Oft zu hoch dosiert

Jahrbuch Kinder und Familie für 2025 | Autor: Christine Throl/Julia Dibiasi/Lena Wenzel | Kategorie: Kinder und Familie | 05.12.2024

Nahrungsergänzungsmittel für Kinder im Test: Wir haben Multivitaminprodukte für Kinder getestet.
Foto: ÖKO-TEST

Die einen schwören auf Nahrungsergänzungsmittel, die anderen verteufeln sie. Fest steht: Bereits für den Nachwuchs bietet der Markt eine große Auswahl an Präparaten. Wir haben 20 Multivitaminprodukte für Kinder getestet. Wie steht es um ihre Inhaltsstoffe?

  • Wir haben 20 Multivitaminpräparate geprüft, die "Kinder", "Junior", "Kids" oder "Family" im Namen tragen oder als "für Kinder geeignet" ausgelobt sind. 
  • Viele der untersuchten Nahrungsergänzungsmittel für Kinder sind aus unserer Sicht zu hoch dosiert.
  • Mit "mangelhaft" oder "ungenügend" fallen 15 von 20 Produkten durch. 

Aktualisiert am 5.12.2024 | Vitamin ist nicht gleich Vitamin. Rein chemisch gesehen sind Vitamine in Nahrungsergänzungsmitteln und natürlichen Lebensmitteln zwar gleich aufgebaut. Aber: Vitamine in Vitaminpräparaten sind nur selten natürlichen Ursprungs. Meist handelt es sich um künstlich hergestellte oder mithilfe gentechnisch veränderter Bakterien gewonnene Stoffe.

Anhand der Zutatenliste lässt sich erkennen, ob in einem Nahrungsergänzungsmittel Vitamine synthetischen oder natürlichen Ursprungs enthalten sind. Während Erstere meist schlicht "Vitamin C" heißen, steht bei Letzteren ihr Ursprung in der Inhaltsstoffliste, zum Beispiel Fruchtpulver.

Nahrungsergänzungsmittel für Kinder im Test 

Vitamine und Mineralstoffe aus der Nahrung haben im Vergleich dazu viele Vorteile. Denn häufig ist es das Zusammenspiel von Vitaminen, Mineralstoffen und anderen in Lebensmitteln vorkommenden Verbindungen, wie sekundären Pflanzenstoffen oder gesunden Fettsäuren, die die gesundheitsfördernde Wirkung ausmachen.

Dennoch gibt es auf dem Markt viele Nahrungsergänzungsmittel – selbst für Kinder. Solche haben wir in diesem Test unter die Lupe genommen. Genau gesagt, haben wir 20 Multivitaminpräparate überprüft. Sie alle tragen "Kinder", "Junior", "Kids" oder "Family" im Namen oder sind als "für Kinder geeignet" ausgelobt.

Viele Multivitaminprodukte muten wie Gummibärchen an.
Viele Multivitaminprodukte muten wie Gummibärchen an. (Foto: Viktoriia Syvak/Shutterstock)

Vitamine für Kinder: Präparate oft hoch dosiert 

Was ist im Test aufgefallen? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat Empfehlungen herausgegeben, wie hoch die Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen pro Tag für Kinder unterschiedlicher Altersgruppen sein sollte – aus Nahrungsmitteln wohlgemerkt.

Dreiviertel der Produkte im Test überschreiten mit einem oder mehreren Bestandteilen diese Referenzwerte der DGE für eine oder mehrere Altersgruppen. Mehr Vitamine oder Mineralstoffe aus Pillen, als Ernährungsexperten es für die Aufnahme aus Nahrung empfehlen? Das bedeutet: Viele Multivitaminpräparate sind aus unserer Sicht zu hoch dosiert. 

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Umstrittene Zusatzstoffe in Multivitaminprodukten entdeckt

Außerdem liefern manche Pillen und Bärchen im Test umstrittene Zusatzstoffe:

  • Carboxymethylcellulose: Die Verbindung hat in Tierversuchen zu Darmentzündungen geführt.
  • Phosphatverbindungen: Zu viel Phosphat kann die Nieren belasten.
  • Süßstoffe: Sie geraten immer stärker in Verruf, weil sie mit der Entstehung von Übergewicht und einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Eine 2023 erschienene Studie des Leibniz-Instituts weist einen Einfluss auf Immunzellen nach.

BfR-Empfehlungen für Höchstmengen 

Auch die Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln selbst sind nicht immer frei von Risiken. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt in einer Stellungnahme zu Nahrungsergänzungsmitteln und angereicherten Lebensmitteln zumindest davor, dass das gesundheitliche Risiko steige, wenn hoch dosierte Vitaminpräparate ohne ärztliche Empfehlung eingenommen werden.

Um einer Überversorgung vorzubeugen, hat das BfR daher Vorschläge für Höchstmengen in entsprechenden Produkten entwickelt. Diese berücksichtigen bereits über die Nahrung aufgenommene Vitamine und Mineralstoffe und geben den maximalen Restbedarf an.

Die Werte beziehen sich auf Personen ab 15 Jahren, Vorschläge für kleinere Kinder gibt es bislang nicht. Wir haben deshalb für den Vergleich mit den BfR-Empfehlungen die höchste angegebene Tagesdosis zugrunde gelegt.

Zu viel Vitamin A und B6 in Multivitaminprodukten 

Ergebnis: Rund die Hälfte der getesteten Vitaminprodukten für Kinder hält die Höchstmengenvorschläge des BfR nicht ein.

So liegt die Menge des enthaltenen Vitamins A in drei Produkten über dem BfR-Höchstmengenvorschlag. Das Problem: Vitamin A reichert sich im Körper an. Wird das Vitamin zusätzlich in hohen Mengen über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen, kann es zu einer Überversorgung kommen. In der Folge können Symptome wie Juckreiz oder Kopfschmerzen auftreten.

Einmal bemängeln wir Eisen in einer Menge, die den BfR-Höchstmengenvorschlag übersteigt. Denn zu viel Eisen kann Durchfall und Übelkeit verursachen. Kritisch sehen wir auch enthaltenes Kupfer. Das sollte wegen unerwünschter Effekte auf die Leber laut BfR gar nicht in Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder enthalten sein. 

Etliche Multivitaminprodukte im Test enthalten zudem zum Teil deutlich mehr Vitamin B6, als das BfR laut einer aktualisierten Stellungnahme vom 22. Februar 2024 empfiehlt.

(Foto: ÖKO-TEST )

Nahrungsergänzungsmittel für Kinder bei ÖKO-TEST

All diese Kritikpunkte haben zur Folge, dass 15 Multivitaminprodukte in Form von Bärchen, Fruchtgummis, Lutschtabletten und Co. in unserem Test mit "mangelhaft" oder "ungenügend" abschneiden. 

Die detaillierten Ergebnisse zu allen Produkten im Test und den Standpunkt von ÖKO-TEST zu Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder lesen Sie in unserem ePaper: Multivitaminpräparate für Kinder im Test

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 2/2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kinder und Familie für 2025 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Insgesamt haben wir 20 Multivitaminpräparate getestet, die "Kinder", "Junior", "Kids" oder "Family" im Namen tragen oder als "für Kinder geeignet" ausgelobt sind. Gekauft haben wir die Produkte in Drogerien, Apotheken und im Internet zu Preisen zwischen 1,45 und 24,99 Euro pro Packung. Wir haben alle Produkte hinsichtlich der deklarierten Vitamin- und Mineralstoffgehalte von einem unabhängigen Experten mit den aktuellen Höchstmengenvorschlägen und Warnhinweisempfehlungen des BfR für Personen ab 15 Jahren sowie den Referenzwerten der DGE für die jeweils auf dem Produkt empfohlenen Verzehrmengen je Altersklasse und den Obergrenzen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) abgleichen lassen. Als umstrittene Inhaltsstoffe haben wir Süßstoffe, Phosphate und Carboxymethylcellulose per Deklaration erfasst. Eventuelle Gesundheitsversprechen haben wir mit der Health-Claims-Verordnung abgeglichen und Warnhinweise nach der Nahrungsergänzungsmittelverordnung überprüft. Zuletzt haben wir nach fragwürdigen Auslobungen und Werbung mit Labels wie "klimaneutral" geschaut und die Verpackungen auf chlorierte Verbindungen untersuchen lassen.

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Die Bewertungen der Vitamin- und Mineralstoffgehalte beziehen sich auf die deklarierten höchsten empfohlenen Tagesdosen sowie die der Deklarationsmängel zu biotin-, eisen-,
kupfer-, niacin-, Vitamin-A-, Vitamin-K- und zinkhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln erfolgen in Anlehnung an die Stellungnahme Nr. 6/2024 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) "Aktualisierte Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln und angerereichrten Lebensmitteln". 

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Maßgebliche Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils zwei Noten: a) mehr als 200 μg präformiertes Vitamin A pro höchster empfohlener Tagesdosis; b) mehr als 25 µg Vitamin K2 pro höchster empfohlener Tagesdosis; c) mehr als 6 mg Eisen pro höchster empfohlener Tagesdosis; d) der Zusatz von Kupfer in einem Produkt für Kinder und Jugendliche; e) kein überzeugender Nutzen für gesunde Anwender. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) mehr als 0,9 mg Vitamin B6 pro höchster empfohlener Tagesdosis; b) mehr als 30 mg Vitamin E pro höchster empfohlener Tagesdosis; c) mehr als 0,5 mg Mangan pro höchster empfohlener Tagesdosis; d) mehr als 40 µg Selen pro höchster empfohlener Tagesdosis; e) mehr als 6,5 mg Zink pro höchster empfohlener Tagesdosis; f) mehr als 100 µg Jod pro höchster empfohlener Tagesdosis; g) Vitamin- und Mineralstoffgehalte für eine und/oder mehrere höchste empfohlene Tagesdosen für Kinder bis unter 15 Jahren über den DGE-Referenzwerten (dge.de/wissenschaft/referenzwerte/, Stand: 2. Januar 2024). Bei Produkten ohne Altersangabe wurden die DGE-Referenzwerte für Kinder ab 3 Jahren zugrunde gelegt.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) Phospate (hier: Tricalciumphosphat, Calciumsalze der Orthophosphorsäure); b) Carboxymethlycellulose (hier: Natriumcarboxymethylcellulose); c) Süßstoffe (hier: Acesulfam-K, Aspartam, Steviolglycoside, Sucralose). Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note:
a) Weiterer Mangel: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) Deklarationsmangel: fehlender Hinweis bei NEM mit Verzehrsempfehlung und/oder Hinweis auf Eignung für Erwachsene, dass Vitamin-A-haltige NEM in der Schwangerschaft nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden sollten; c) Deklarationsmangel: fehlender Hinweis bei biotinhaltigen NEM, dass Personen, die sich einem Labortest unterziehen müssen, ihren Arzt oder das Laborpersonal darüber informieren sollten, dass sie Biotin
einnehmen/kürzlich eingenommen haben; d) Deklarationsmangel: fehlender Hinweis bei eisenhaltigen NEM, dass Männer, postmenopausale Frauen und Schwangere Eisen nur nach ärztlicher Rücksprache einnehmen sollten. Laut BfR ist dieser Hinweis auch in Bezug auf Kinder sinnvoll, da Kinder eisenhaltige NEM grundsätzlich nur nach ärztlicher Rücksprache und Diagnostik einnehmen sollten; e) Deklarationsmangel: fehlender Hinweis bei Vitamin K-haltigen NEM, dass Personen, die gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, vor der Einnahme ärztlichen Rat einholen sollten; f) Deklarationsmangel: fehlender Hinweis bei NEM mit Zusätzen von mehr als 3,5 mg Zink pro Tagesdosis, auf den Verzehr weiterer zinkhaltiger NEM zu verzichten; g) Deklarationsmangel: ein und/oder mehrere der folgenden fehlenden Hinweise nach Nahrungsergänzungsmittelverordung (NemV): Warnhinweis "Die
angegebene empfohlene tägliche Verzehrsmenge darf nicht überschritten werden"; Hinweis darauf, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht als Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung verwendet werden sollten; Hinweis darauf, dass die Produkte außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern zu lagern sind; h) Deklarationsmangel: fehlender Hinweis bei Nährstoffbezugswerten (Nutrient Reference Values = NRV) auf die
EU-Verordnung 1169/2011 bzw. die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) und/oder bei Produkten für Kinder fehlender Hinweis, dass die Nährstoffbezugswerte für den Nährstoffbedarf von Erwachsenen gelten; i) Deklarationsmangel: Zinkbisglycinat aus nicht natürlicher Quelle in einem Produkt, das "natürliche Vitamine & Mineralien" auslobt; j) Weiterer Mangel: Umweltauslobung ohne ausreichende Information dazu auf dem Produkt;
k) Deklarationsmangel: Angabe eines Nährstoffbezugswerts für Natrium, für das es laut EU-Verordnung 1169/2011 keinen Nährstoffbezugswert gibt; l) Deklarationsmangel: fragwürdige Auslobungen, die eine mögliche Unterversorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen thematisieren, ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass die Einnahme von NEM und ein eventueller Vitamin- und Mineralstoffmangel ärztlich abgeklärt werden sollten (hier:
Orthomol: "Mikronährstoffe werden täglich vom Körper gebraucht, eine regelmäßige Verwendung über einen längeren Zeitraum ist daher empfehlenswert"; Salus: "Deshalb ist es wichtig, bei Kindern mit einseitigen Ernährungsgewohnheiten [wenig Milchprodukte, Obst und Gemüse] oder sog. ‚schlechten Essern‘ auf eine ausreichende Vitalversorgung zu achten" und "… – gerade während Wachstumsschüben oder Belastung in Schule und Sport"; White Omega: "Denn besonders bei einseitiger Ernährung, Schule, Wachstum u. v. m. kann
eine Ergänzung sinnvoll sein."); m) Deklarationsmangel: Angabe von "AR = Referenzaufnahmen" statt NRV (Nährstoffbezugswerte) in der Nährwerttabelle ohne Nennung einer Quelle und ohne Erläuterung, ob diese für Kinder oder Erwachsene gelten.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Maßgebliche Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "mangelhaft" oder "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Testergebnisse Weitere Inhaltsstoffe oder Weitere Mängel, die "befriedigend" oder "ausreichend" sind, verschlechtern das Gesamturteil um jeweils eine Note. Testergebnisse Weitere Inhaltsstoffe oder Weitere Mängel, die "gut" sind, verschlechtern das Gesamturteil nicht.

Testmethoden 

PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Oktober bis Dezember 2023 

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 2/2024 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kinder und Familie für 2025 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.

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