- Wir haben 21 Kleidungsstücke für verschiedene Altersgruppen – fünf für Damen und je vier für Männer, Teenager und Babys getestet. Zusätzlich bestellten wir für jede Altersgruppe auch ein Paar Schuhe.
- Das Fazit: Das beste Gesamturteil lautet "ausreichend". Die meisten Shein-Produkte rasseln durch den Test.
- Kritisch: Die Kleidung enthält diverse Schadstoffe, darunter Antimon, Dimethylformamid, Blei, Cadmium, verbotene Phthalate, Naphthalin und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK).
- Anbieter Shein zeigte sich intransparent, was die sozialen und ökologischen Produktionsbedingungen betrifft.
Aktualisiert am 5.12.2024 | Wenn Influencerinnen vor der Kamera ihre Shein-Bestellung auspacken und enthusiastisch kommentieren, dann nennt sich das "Haul" – zu Deutsch: Beutezug. Diese oftmals von Shein gesponserten Videos werden auf Instagram, Youtube und Tiktok von einer jungen Zielgruppe millionenfach angeklickt und sind ein zentraler Teil der Shein-Marketingmaschinerie.
Als wir unseren Shein-Beutezug in der Redaktion das erste Mal auspackten, war die Begeisterung allerdings nicht ganz so groß.
Shirts, Sandalen & Co.: Shein-Mode im Test
Insgesamt 21 Artikel hatten wir bei dem Onlineshop bestellt – querbeet vom Babyschuh über das Teenagerkleid bis zur Kunstlederjacke für Erwachsene. Und manches Polyesterteil fühlte sich so gruselig billig an, dass keine von uns es freiwillig hätte überziehen wollen.
Aber solche Geschmacksfragen blieben natürlich außen vor in unserem Test, stattdessen kamen die Fakten auf den Tisch: Wir wollten wissen, ob die bestellte Mode gesundheitsschädliche Schadstoffe enthält, wie viel Beanspruchung sie verträgt und unter welchen Bedingungen sie produziert wurde.
So viel gleich vorneweg: Nur ein Drittel der Shein-Artikel im Test kommt gerade noch mit der Note "ausreichend" davon. Der Rest fällt mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Toxisches Antimon in Baby-Kleidungsstück von Shein
Zunächst drängt sich die Frage auf: Wie ist es bei den Billig-Produkten um Schadstoffe bestellt? In diesem Punkt liefert Shein in unserem Test ein geteiltes Bild ab: 8 von 21 Artikeln kritisieren wir wegen Rückständen giftiger Chemikalien oberhalb unserer Abwertungsgrenzen.
So ging im Labortest aus einem Kleidungsstück für Babys toxisches Antimon in die simulierte Schweißlösung über. Antimonrückstände können mit dem Schweiß über die Haut aufgenommen werden und wirken hochgiftig, wenn sie ins Blut gelangen.
In einem Shein-Produkt für Teenager wies das Labor wiederum Dimethylformamid nach, das in der EU als wahrscheinlich fruchtbarkeitsschädigend eingestuft ist. Doch es geht noch schlimmer.
Shein-Sandalen voller gesundheitsschädlicher Stoffe
Als die mit Abstand größten Giftschleudern im Test erwiesen sich zwei Paar Sandalen: Laut Laborbericht stecken sie bis obenhin voll mit gesundheitsschädlichen Chemikalien – darunter auch solchen, von denen man glaubte, sie seien längst aus der Textilproduktion verschwunden.
Bei einem dieser Sandalenpaare überschreiten die gemessenen Gehalte gleich mehrere der im EU-Chemikaliengesetz REACH festgeschriebenen Grenzwerte: für das nervengiftige und reproduktionstoxische Blei und für Cadmium, das, wenn es über längere Zeit in hohen Dosen eingenommen wird, zu Nieren- und Knochenschäden führen kann. Beide Schwermetalle reichern sich im Körper an.
Fassungslos gemacht hat uns, was das Labor in diesem Sandalenpaar außerdem an verbotenen Phthalaten nachgewiesen hat: Der Gehalt übersteigt den ohnehin nicht allzu strengen REACH-Grenzwert um das 15-Fache.
Die im Test gefundenen Phthalate stehen im Verdacht, Fortpflanzungsorgane zu schädigen und wie ein Hormon zu wirken, die Verbindungen können laut EU-Einstufung das ungeborene Kind im Mutterleib schädigen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
Man mag sich nicht die Schwangere vorstellen, die diese Fußbettsandalen ohne Socken trägt. Zumal laut Labor noch mehr Schadstoffe im Material stecken: krebsverdächtiges Naphthalin etwa oder Dimethylzinnchlorid. Zweites gehört zu den Zinnorganika und steht laut EU-Einstufung im Verdacht, das Kind im Mutterleib zu schädigen.
Krebserregende PAK in Sandalen im Test
Nicht weniger düster sieht es für das andere Shein-Sandalenpaar aus: In ihnen hat das Labor mehrere polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) nachgewiesen, die Krebs erzeugen können und deshalb verboten sind – und das in Gehalten, die bis zu 22-fach über dem REACH-Grenzwert lagen.
Außerdem toppen sie ebenfalls den Grenzwert für Phthalate und enthalten darüber hinaus einen ganzen Cocktail an Schadstoffen.
Sandalen gehen im Materialtest schnell kaputt
Eines ist deshalb fast tröstlich: Allzu lange werden die beiden Sandalenpaare nicht mit den Füßen ihrer Käuferinnen und Käufer in Kontakt sein. Zumindest dann nicht, wenn sie beabsichtigen, darin zu gehen.
Denn im Materialtest brach die linke Sohle des einen Sandalenpaars von Shein schon nach rund 14.000 simulierten Schritten. Beim anderen Paar waren beide Sohlen bereits nach 5.700 Schritten hinüber. Würde man also die häufig empfohlenen 10.000 Schritte pro Tag darin gehen, wäre bei diesem Produkt schon nach gut einem halben Tag Schluss.
Das ist besser so für die Gesundheit, aber fatal für die Umwelt: Schließlich kam dieser giftige Schrott – wie alle Shein-Produkte – per Flugzeug nach Deutschland.
So schlagen sich die Textilien von Shein im Waschtest
Andere Bekleidungsstücke zeigten schon nach wenigen Waschgängen, dass sie keine tolle Qualität haben: Bei einer Jacke von Shein fehlten etwa schon nach drei Wäschen einige der Kugelnieten oder sie waren scharfkantig aufgeplatzt. Eine Hose war wiederum bereits nach drei Maschinenwäschen um das Doppelte eingelaufen, als das, was nach dem hier zugrunde gelegten Blauer-Engel-Standard erlaubt ist.
Apropos Maschinenwäsche. Bei drei Shein-Artikeln im Test stellte sich nach dem Auspacken heraus, dass sie nur per Hand gewaschen werden können. Während des Shoppens war davon auf der Website nicht die Rede gewesen, in zwei Fällen lautete der Pflegehinweis sogar explizit "maschinenwaschbar".
Doch wer wäscht etwa ein Handtuch oder ein Sweatshirt aus Baumwolle von Hand? Die meisten werfen sie vermutlich in die Maschine, ohne vorher auf das Etikett zu sehen. Shein schützt sich so vor Reklamationen – und produziert im schlechtesten Fall nichts anderes als Einwegtextilien.
Shein beantwortet unsere Fragen nicht
Shein hat seinen Hauptsitz in Singapur, lässt seine Mode jedoch in rund 5.000 chinesischen Betrieben zusammennähen: Das ist auch schon so ziemlich alles, was das Unternehmen selbst über seine Produktion preisgibt. Gerade die Modeindustrie ist für ihre schlechten Produktionsbedingungen jedoch berüchtigt, und wir hätten darum gern sehr viel mehr gewusst über die Lieferkette der Shein-Mode.
Also schickten wird dem Unternehmen zu jedem einzelnen Produkt einen umfangreichen Fragebogen: Darin baten wir zum Beispiel um Auskunft darüber, ob Shein in allen Produktionsstufen für faire Bezahlung und die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen sorgt und in der Stoffproduktion die zulässigen Chemikalien reglementiert.
Und natürlich: Ob die verwendete Baumwolle von Feldern in Xinjiang stammt, wo nach Angaben der Vereinten Nationen noch rund eine Million muslimische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Arbeitslagern schuften.
Doch Shein meldete sich erst nach Testveröffentlichung bei uns und schrieb von hohen Investitionen, "um
Governance und Compliance entlang der gesamten Lieferkette zu stärken".
Was nach wie vor nicht kam, waren Antworten auf unsere Fragebögen. Mehr als "ungenügend" ist da im Teilergebnis Corporate Social Responsibility (CSR) nicht drin. Daher schneidet auch keines der Produkte besser als "ausreichend" ab. Immerhin: Die Produkte, die EU-Grenzwerte überschritten, die so also gar nicht hätten verkauft werden dürfen, hat Shein aus dem Verkauf genommen.
Diesen Test haben wir zuletzt im Jahrbuch für 2025 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kinder und Familie für 2025 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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