Aktualisiert am 08.05.2015 | Lehm ist ein uralter natürlicher Baustoff, der seit einigen Jahren ein beachtliches Comeback als ökologisches Material hingelegt hat. Grund für die Renaissance des Baustoffs ist die Tatsache, dass Lehm Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen, speichern und nach und nach wieder abgeben kann.
So werden für die Schleimhäute ungesund niedrige oder schimmelfördernde hohe Luftfeuchtespitzen ausgeglichen, und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Luftfeuchtigkeit auf 45 bis 55 Prozent einpegelt - ein für den Menschen optimal verträgliches Raumklima. Ein weiterer Grund für die neue Beliebtheit von Lehm: Räume lassen sich mit natürlichen Farbtönen und je nach Art des Auftrags mit besonderen Strukturen gestalten.
Lehm ist Gemisch aus Ton und sandigen Anteilen
Lehm ist ein Gemisch aus Ton und unterschiedlichen sandigen Anteilen. Mit Wasser versetzt, entsteht eine plastische formbare Masse. Ton und Sand werden an vielen Orten in Deutschland gewonnen. Sie finden sich in verschiedenen geologischen Schichten.
So ist zum Beispiel der Westerwald in Hessen ein Gebiet mit bedeutenden Vorkommen. Der dort ansässige Hersteller Maroton verwendet, wie er uns erläuterte, verschiedenfarbige Lehme und Sande aus der Region, die er selbst selektiv abbaut, sodass er ohne weitere Pigmente unterschiedliche Putze anbieten kann. Andere Hersteller greifen zu mineralischen Pigmenten, möglicherweise auch in die chemische Trickkiste, um ein großes Spektrum mit kräftigen Farbtönen anbieten zu können.
Lehmputz wurde stark weiterentwickelt
Lehmputz wurde in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. Es stehen heute verschiedenste Produkte zur Verfügung. Als dicke Grundputze schaffen sie eine ebene Grundlage und dienen als Trägerschicht für Oberputze, Fein- und Edelputze, die dann die Optik ausmachen. Aber erst ab einer Stärke von etwa einem Zentimeter in einem durchschnittlich großen Raum kann der Lehm nach Aussagen von Fachleuten seine positiven Eigenschaften voll ausspielen.
Bei den richtigen Lehmputzen ist allerdings handwerkliches Können vonnöten und sie sind teurer als normaler Gips- oder Zementputz. Deshalb, oder weil bereits ein anderer Putz vorhanden ist, begnügen sich Bauherren oft mit einem Lehmanstrich, der aber aufgrund der minimalen Stärke nur noch wenig oder gar nicht zum Raumklima beitragen kann. Weitere Nachteile: Lehmanstriche gelten im Vergleich zu Dispersionen als weniger strapazierfähig, was sich zum Beispiel in einem höheren Abrieb zeigen kann.
Lehmfarben und Lehmstreichputze im Test
Für Heimwerker sind Lehmfarben und Lehmstreichputze relativ einfach zu verarbeiten, ähnlich anderen Wandfarben. Lehmanstrichstoffe enthalten neben Ton noch ein weiteres Bindemittel zur Stabilisierung, zum Beispiel Stärke oder Zellulose.
Lehmfarben gibt es bereits fertig angemischt, in Weiß mit Kreiden, Marmormehl oder Titandioxid - oder in zahlreichen Farben. Sie müssen mit einem oft synthetischen Konservierungsmittel haltbar gemacht werden. Als Streichputze bezeichnen sich Lehmfarben mit Kornanteilen, die oft noch angerührt werden und quellen müssen. Mit solchen Produkten können Oberflächen erstellt werden, die fein geriebenen Putzen ähnlich sind, vor allem wenn sie mit Bürste oder Quast aufgetragen werden.
Wie ist es um die Qualität von Lehmanstrichen bestellt, die von Heimwerkern verarbeitet werden? Dazu haben wir sieben weiße, fertig angerührte Lehmfarben eingekauft sowie zehn farbige Lehmstreichputze, die bis auf eine Ausnahme als Pulver geliefert werden. Wir ließen ihre Inhaltsstoffe und ihre Praxiseigenschaften untersuchen.
Rund die Hälfte schneidet "gut" ab
Das Testergebnis: Nicht schlecht, aber keine Wunderwaffe. Kein Produkt kann auf ganzer Linie überzeugen, rund die Hälfte der Anstriche schneidet mit einem Gesamturteil "gut" ab. Der Rest ist mittelmäßig.
Was ist aufgefallen? Ein Hersteller im Test hat in seinem Produkt Borax eingesetzt. Diese Borverbindung steht bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) auf der Kandidatenliste der besonders besorgniserregenden Stoffe, weil sie im begründeten Verdacht steht, die Fortpflanzung zu gefährden. Borverbindungen werden unter anderem als Konservierungsmittel eingesetzt. Durchaus natürlichen Ursprungs können die nachgewiesenen Schwermetalle sein.
Das nervengiftige Blei werten wir in fünf Lehmstreichputzen ab. Zwei Anstriche enthalten Antimon und Chrom beziehungsweise Nickel in deutlichen Konzentrationen, die vermutlich aus den verwendeten Pigmenten stammen. In den flüssigen Wandfarben werden mehrfach Isothiazolinone als Topfkonservierer eingesetzt. Sie können Allergien auslösen, weshalb wir Gehalte kritisieren, die höher sind als die Grenzwerte des Blauen Engels für Wandfarben.
Keine nennenswerte Strahlung
Hier können wir Entwarnung geben: Auch bei vollflächiger Belegung der Wände ist mit keiner relevanten zusätzlichen Jahresdosis durch Radioaktivität und Radon zu rechnen. Die Produkte weisen nur geringe Werte auf. Lediglich bei einem Lehmstreichputz ist die Strahlung etwas deutlicher, was allerdings nur bei größeren Schichtdicken zu leicht erhöhten Werten führen würde.
Teilweise Verbesserung des Raumklimas
Vor allem die Lehmstreichputze können die Fähigkeit einer Wand zur Wasserdampfaufnahme verbessern, sofern sie vorher - etwa bei Gipskarton - nur mäßig vorhanden war. Wenn jedoch schon ein sehr aufnahmefähiger Lehmputz vorhanden ist, verschlechtert sich diese Eigenschaft in den meisten Fällen. Sie ist aber immer noch in die höchste Wasserdampfsorptionsklasse III einzuordnen, weshalb wir sieben Produkte noch mit "gut" bewerten können.
Übrigens: Ein Lehmstreichputz und drei Lehmfarben ließen sich leicht verarbeiten und hatten gleichzeitig einen geringen und damit akzeptablen Abrieb. Nicht so recht glücklich waren unsere Tester beim Anrühren und Streichen einer Lehmfarbe, das ging recht schwer von der Hand.
Bei zwei Produkten im Test trocknete die Farbe bereits während des Auftragens sehr schnell ab und ließ sich deshalb schwer verstreichen. Und der Abrieb eines Lehmstreichputzes war nach Aussagen unserer Tester viel zu hoch für einen Lehmstreichputz. Auch drei weitere Marken zeigten noch einen hohen Abrieb.
Eine unliebsame Überraschung ereilte unsere Tester beim Öffnen eines Produkts im Test: Hier hatte sich im oberen Bereich Schimmel gebildet - alle übrigen Gebinde waren jedoch in Ordnung.
Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin 8/2014 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen für 2015 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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