Mehrwegpflicht: Wie gut sind Kaffeebecher to go? – 7 Becher im Test

Magazin November 2024: Weizenmehl | Autor: Lisa-Marie Karl/Heike Baier/Rebecca Welsch | Kategorie: Essen und Trinken | 24.10.2024

Mehrwegbecher-Test: Wir haben Recup und Co. unter die Lupe genommen.
Foto: ÖKO-TEST

Schnell noch einen Kaffee "to go" auf die Hand? Typische Einweg-Pappbecher produzieren aber unnötigen Müll. Eine nachhaltige Alternative bieten Mehrwegcups, die man zurückgeben kann. Doch wie gut sind die Pfandsystem-Becher wirklich? Wir haben sieben Anbieter unter die Lupe genommen. 

  • Im Test: Sieben Mehrweg-Kaffeebecher mit Deckel.
  • Betriebe ab einer bestimmten Größe, die Speisen oder Getränke in Einwegverpackungen oder Bechern verkaufen, müssen seit Januar 2023 eine Mehrwegalternative anbieten. Das betrifft Einwegbehälter aus Kunststoff.
  • Vier überprüfte Mehrwegbecher schneiden mit "sehr gut" ab. 
  • Das von uns beauftragte Labor ist auf die Massenchemikalie Bisphenol A (BPA) gestoßen und Sensorikexperten bemängeln teils einen unerwünschten Nebengeschmack. 

Seit 2023 ist es Pflicht: Gastronomiebetriebe einer bestimmten Größe müssen für Essen und Trinken zum Mitnehmen Mehrwegbehälter bereitstellen. Endlich unternimmt der Gesetzgeber etwas gegen die Flut von To-go-Verpackungen; denn stündlich werden laut Bundesumweltministerium in Deutschland allein etwa 320.000 Einweg-Becher für Heißgetränke verbraucht. Stündlich!

In vielen Tankstellen, Supermärkten oder Kantinen stehen deshalb jetzt Mehrwegbecher als ökologische Alternative bereit – mal besser, mal schlechter sichtbar. Wir wollten wissen, was die To-go-Becher taugen. 

Recup und Co.: Mehrwegbecher im Test 

Um das festzustellen, haben wir sieben verschiedene Mehrwegbecher im Labor darauf testen lassen, ob sie bedenkliche Chemikalien abgeben und geschmacksneutral sind. Das Ergebnis: Vier Cups überzeugten uns rundum und schneiden mit "sehr gut" ab: 

  • Faircup Mehrwegbecher 300 ml, schwarz
  • Recircle Isy M 300 ml, transparent 
  • Recup Mehrwegbecher 0,3 l, braun
  • Vytal Cup M 300 ml

Erfreulich: Mit dem Recup Mehrwegbecher gehört ein Produkt zu den Testsiegern, das laut Anbieter bereits an über 20.000 Ausgabestellen in Deutschland zu finden ist. Damit dürfte es das System mit der größten Verbreitung sein. 

Labor weist BPA in Mehrwegbecher nach 

Doch nicht alle Mehrwegbecher überzeugen im Test. Das von uns beauftragte Labor hat im Kunststoff eines Bechers Bisphenol A (BPA) nachgewiesen. Die Industriechemikalie ist hochumstritten: Sie kann unser Hormonsystem beeinflussen und ist in der EU als "wahrscheinlich reproduktionstoxisch beim Menschen" eingestuft.

Zudem sieht die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in ihrer neuesten Einschätzung Hinweise, dass BPA bereits in winzigen Mengen Auswirkungen auf unser Immunsystem haben könnte. Der Hersteller kann sich unseren BPA-Befund im Becher nicht erklären und legte ein negatives Gegengutachten vor.

BPA geht im Test ins Heißgetränk über 

Bedenklich: die Chemikalie wandert in kritischen Mengen vom Kunststoff ins Heißgetränk. Um das zu überprüfen, haben wir einen Migrationstest in Auftrag gegeben. Drei Mal hintereinander befüllte das Labor den Becher dabei mit Kaffee-Simulanz und ermittelte danach dessen BPA-Gehalt.

Selbst im zweiten und dritten Migrat überschritt der gemessene BPA-Gehalt die laut EFSA noch als unbedenklich geltende Tagesdosis (TDI) um mehr als das 30-Fache, im ersten Migrat sogar um mehr als das 70-Fache.

>> Die detaillierten Testergebnisse lesen Sie ganz unten in der Produktbox

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Wer Müll vermeiden möchte, leiht sich einen Mehrwegbecher im Café.
Wer Müll vermeiden möchte, leiht sich einen Mehrwegbecher im Café. (Foto: Igisheva Maria/Shutterstock)

Papierartiger Geschmack trotz Mehrweg-Kaffeebecher 

Weitere Kritik betrifft die Sensorik: Wer seinen To-go-Kaffee aus einem Mehrwegbecher trinkt, erwartet zu Recht, dass sich dessen Kunststoff geschmacksneutral verhält. Das ist schließlich ein Vorteil gegenüber Einwegbechern, in denen Getränke häufig nach Pappe schmecken.

Im Test zeigt sich jedoch, dass zwei Becher einen Nebengeschmack haben. So schmeckte das abgefüllte Wasser in einem Becher leicht "ranzig, süß, fruchtig, säuerlich und papierartig", in einem anderen hatte es eine "röstige, muffige, papierartige und holzige" Fehlnote leichter Ausprägung. Wir meinen: Wenn Mehrweg vorankommen soll, dann bitte ohne Nebengeschmack.

So funktioniert das Mehrwegcup-Pfandsystem

Ein To-go-Becher, wie man ihn beim Bäcker oder an der Raststätte ausleihen kann, ist nicht einfach nur ein Kunststoff-Becher. Hinter ihm steht ein ganzes Mehrweg-System: Ein Dienstleister, der sich um die Herstellung kümmert, die Ausgabestellen beliefert, die Anreize für eine Rückgabe setzt und gegebenenfalls auch das Recycling der Becher organisiert.

Wir haben die Anbieter um Auskunft zu diesen wichtigen Eckpunkten ihrer Systeme gebeten und führen die Antworten als Service in der Produktbox auf. In unsere Benotung fließen sie jedoch nicht ein.

Wann haben Mehrwegcups einen ökologischen Vorteil? 

Der Grund, warum wir die Pfandsysteme nicht benoten: Viele wichtige Zahlen sind entweder nicht zu belegen oder schlecht zu vergleichen. Etwa die Umlaufzahl eines Bechers, die für seine Öko-Bilanz von besonderer Bedeutung ist: Einen ökologischen Vorteil haben Mehrwegbecher gegenüber Einweg nämlich erst ab etwa 15 Umläufen, so berechnet das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu).

Nur vier Anbieter in unserem Test können die Umlaufzahl ihrer Becher jedoch überhaupt erfassen – zum Beispiel, weil sie diese bei der Rückgabe scannen. Einige Systeme verzichten auf digitale Features: Recup zum Beispiel setzt bewusst "auf niedrige Hürden bei der Entscheidung zu Mehrweg" und betreibt ein analoges System, bei dem ein Becher gegen 1 Euro Pfand an allen Ausgabestellen mitgenommen und wieder abgegeben werden kann.

Mehrweg-Kaffeebecher noch immer mit Problemen

Die Realität zeigt leider ohnehin, dass viele Mehrwegbecher ein Mauerblümchen-Dasein fristen. Ein Anbieter schreibt uns, dass er sich für die Etablierung von Mehrwegsystemen stärkere finanzielle Anreize wünscht. 

Ein Anreiz wäre beispielsweise ein Aufpreis für Einweg: "Es ist superschwer, Kunden nachhaltig zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, wenn sie nicht dauerhaft einen Vorteil von Mehrweg haben." 

Weiterlesen auf oekotest.de: 

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Sieben Mehrweg­Kaffeebecher mit Deckel mit einem Volumen von 300 ml und im Neuzustand haben wir frei in den Lagern der Anbieter ausgesucht und in verschiedenen Laboren untersuchen lassen: Gesamtmigration, Bisphenol A (BPA), Phthalate und Ersatzweichmacher, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), primäre aromatische Amine, Elemente und PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen.

Alle Analysen waren unauffällig – bis auf einen positiven BPA-­Befund. Ob hier BPA ins Getränk übergeht, wurde mittels Migration mit einer Simulanzflüssigkeit überprüft. Beeinflussen die Becher Geruch und Geschmack des Inhalts nachteilig? Dazu erfolgte eine sensorische Prüfung mit Wasser. Schließlich erfassten wir ausgewählte Auslobungen wie "BPA-­frei".

Bewertungslegende

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt. Die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) ist ein Schätzwert, wie viel von einem Stoff lebenslang pro Tag ohne gesundheitliche Folgen aufgenommen werden kann.

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um zwei Noten: ein gemessener Bisphenol-A-Gehalt im dritten Migrat, der den TDI der EFSA von 0,2 ng/kg Körpergewicht überschreitet (in Tabelle: "BPA stark erhöht"). Zugrunde gelegt haben wir ein Körpergewicht von 60 Kilogramm und eine tägliche Portion von einem Becher mit 250 ml bzw. 250 g Kaffee.

Bewertung Testergebnis Sensorik: Unter dem Testergebnis Sensorik führt zur Abwertung um zwei Noten: eine oder mehrere leichte Auffälligkeiten im Geschmack.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: Bisphenol A in einem Produkt, welches zum Zeitpunkt der Probennahme als "BPA-frei" beworben wurde.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Testergebnisse Sensorik und Weitere Mängel, die "befriedigend" sind, verschlechtern das Gesamturteil um jeweils eine Note. 

Testmethoden

Globalmigration mit den Simulanzmitteln B und D1: nach DIN EN 1186-3:2022-10; inkl. Stabilitätsprüfung. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): gemäß AfPS GS 2019:01 PAK, GS-Spezifikation 2019-0; Ultraschallextraktion mit Toluol, Messung mittels GC-MS. Primäre aromatische Amine: nach § 64 LFGB B 82.02-2, DIN EN ISO 14362-1:2017-05. Bisphenol A Gesamtgehalt: Extraktion mit organischem Lösungsmittel, Messung mittels LC-QQQ. Spezifische Migration Bisphenol A: nach DIN CEN/TS 13130-13:2005-05; Messung mittels LC-MS. Bisphenol A nach Migration: mit Simulanzmittel D1 für 2 Stunden bei 70°C; der Becher wurde bis 1 cm unterhalb des Randes befüllt, der Deckel aufgesetzt und nach Migration das Simulanz durch die Deckelöffnung ausgegossen und zur Messung eingesetzt; Messung mittels LC-MS/MS. Phthalate: nach DIN EN ISO 14389:2023-01, mod.; Die Modifikation betrifft die Verwendung eines weiteren internen Standards, die zusätzliche Validierung von fünf Substanzen und die Bestätigungsmessung mittels LC-MS; Extraktion mit THF/ACN, Messung mittels GC-MS und/oder LC-MS. Spezifische Migration 9,9-Bis(methoxymethyl)fluoren: Messung mittels GC-MS. PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung und Elemente: Röntgenfluoreszenzanalyse. Sensorische Prüfung: gesamter Artikel – Becher und Deckel; Geruch- und Geschmackssübergang durch direkte Berührung, nach DIN 10955:2024-01. Bewertung 0 = keine wahrnehmbare Abweichung, 1 = kaum wahrnehmbare Abweichung, 2 = schwache Abweichung, 3 = deutliche Abweichung, 4 = starke Abweichung.

Einkauf der Testprodukte: Mai – Juni 2024.

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