Mehr als sieben Millionen Wurzelkanäle werden allein in Deutschland alljährlich gefüllt. Das ist immer dann nötig, wenn das Innere des Zahnes, die Pulpa, verletzt oder infiziert ist, beispielsweise aufgrund von Karies oder einer Unfallverletzung. Das tut nicht nur weh, sondern auch der Kieferknochen kann sich entzünden und geschädigt werden.
Die Behandlung des Wurzelkanals kann den zerstörten Zahn retten - als Alternative bliebe nur der Griff zur Zange und das Entfernen des Zahnes. Die Chance, einen Zahn mittels Wurzelkanalbehandlung langfristig zu erhalten, wird auf 70 bis 95 Prozent beziffert. Nach örtlicher Betäubung und Schutz des Zahnes vor Speichel und Bakterien bohrt der Zahnarzt den Zahn auf, reinigt die Nervhöhle und erweitert die Wurzelkanäle mit kleinen Feilen, um die Kanäle zu säubern und zu desinfizieren. Den so aufbereiteten Hohlraum füllt er dann mit einem vorgefertigten Stift und einer Art Kleber, der die kleinen Räume zwischen Stift und Wurzelkanalwand abdichtet. Schließlich wird der Zugang in der Zahnkrone mit einer bakteriendichten und stabilen Füllung verschlossen und der Zahn in der Regel mit einer Krone versorgt.
Doch womit wird der Wurzelkanal eigentlich gefüllt? 1836 wurde Arsentrioxid zur gezielten Tötung der Pulpa propagiert. Knapp 50 Jahre später wurde es von Formalin, einer wässrigen Formaldehydlösung, abgelöst. Noch heute ist das Präparat Toxavit vereinzelt im Einsatz, das fast zur Hälfte aus Paraformaldehyd besteht. 1891 führte der deutsche Zahnarzt Otto Walkhoff eine Mischung aus Chlorphenol und Campher zur Sterilisation von Wurzelkanälen ein.
"Grundsätzlich ist die Deklaration der Werkstoffe ein Riesenproblem", beklagt Lutz Höhne, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Umwelt-Zahnmedizin. "Es ist selbst für den Zahnarzt sehr schwierig herauszubekommen, was in den Werkstoffen steckt. Einige Firmen geben Auskunft, andere halten sich bedeckt." Die Folgen sind kaum absehbar. Jeder eingebrachte Werkstoff könne eine Immunreaktion mit der Folge einer Entzündung auslösen. Aus allergologischer Sicht falle auf, dass Wurzelfüllmaterialien häufig ausgesprochen potente Allergene enthielten, weiß Dr. Volker von Baehr, Ärztlicher Leiter der Abteilungen Immunologie und Allergologie am Institut für Medizinische Diagnostik Berlin. Dazu zählt er in einem Fachartikel in ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt unter anderem Perubalsam, Eugenol, Terpentinöl, Epoxidharze, Silber, Kolophonium, Erdnussöl und Paraformaldehyd auf.
Die unterschiedlichen Anforderungen an Materialien zur Wurzelkanalfüllung sind allerdings kaum unter einen Hut zu bringen. Einerseits sollen sie gut verträglich, nicht allergen und unschädlich für das umgebende Gewebe sein, andererseits aber auch antibakteriell wirken und günstigenfalls auch noch die Ausheilung in der Wurzelspitze fördern. So zeigt Formaldehyd zwar gute antibakterielle Eigenschaften, führt jedoch unter anderem zu Nekrosen, das heiß...