- Im März 2023 hat die Europäische Union die sogenannte "Green Claims Directive" vorgelegt.
- Diese Richtlinie soll zukünftig verhindern, dass Unternehmen ihre Produkte mit ungeprüften Werbeversprechen nachhaltiger darstellen, als sie in der Realität sind.
- Verbraucher sollen dadurch klarer erkennen können, welche Unternehmen sich tatsächlich bemühen ihre Produktion und Produkte nachhaltiger zu gestalten.
Es grünt gewaltig in den Kosmetikregalen der Drogerien und Supermärkte. Bio im Namen, Bildchen mit Pflanzen und selbst gestrickte Bio-, Klima- und Nachhaltigkeitslabel auf der Verpackung – wer heutzutage Kosmetik kauft, kann sich vor Werbeaussagen zu Natur- und Umweltfreundlichkeit kaum retten. Was davon mit echten Nachhaltigkeitsbemühungen zu tun hat und was nur grüner Schein ist – das können Verbraucherinnen kaum erkennen. Was ÖKO-TEST schon lange kritisiert, will die EU nun endlich gesetzlich eindämmen.
Greenwashing bekämpfen: Nachhaltigen Konsum ermöglichen
Die Europäische Union hat im März dieses Jahres einen Vorschlag für eine neue Richtinie vorgelegt: Den "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Richtlinie über Umweltaussagen)" – oder kurz: "Green Claims Directive".
Sie soll – so die Kommission – Verbrauchern Klarheit und Sicherheit darüber verschaffen, dass etwas, was als umweltfreundlich verkauft wird, auch umweltfreundlich ist, und dafür sorgen, dass klar erkennbar ist, welche Unternehmen echte Anstrengungen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit ihrer Produkte unternehmen.
Zusammen mit dem Kommissionsvorschlag vom März 2022 für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und der Verbraucherrechterichtlinie, gehört sie zu einer Reihe von Initiativen, die ökologische Geschäftsmodelle zur Norm machen wollen. Verbraucherinnen sollen in die Lage versetzt werden, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen und so wirklich zu einem nachhaltigen Wandel beizutragen.
Siegelwirrwarr soll beendet werden
Ungeprüfte Werbesprüche wie "klimaneutraler Versand", "Verpackung zu 30 % aus recyceltem Kunststoff" oder "ozeanfreundlicher Sonnenschutz" wird es danach nicht mehr geben.
Auch das Siegelwirrwarr soll ein Ende finden. 230 unterschiedliche Umweltzeichen hat die EU im März 2023 auf dem Markt gezählt. Damit soll Schluss sein. Künftig soll es – laut Richtlinienentwurf – nur noch solche geben, die staatlich autorisiert sind oder auf Grundlage eines anerkannten Zertifizierungssystems vergeben werden. Umweltaussagen ohne Nachweis für die anerkannte, hervorragende Umweltleistung? Verboten. Umweltaussagen zu einem Produkt, die sich nur auf einen Produktbestandteil beziehen? Verboten. Präsentation von Anforderungen als Besonderheit, obwohl diese tatsächlich für alle Produkte derselben Kategorie gelten? Verboten.
Statt Greenwashing: Echte Anstrengungen belohnen
"Wir wollen dazu beitragen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Kaufentscheidungen fundiert treffen können, und dafür sorgen, dass Unternehmen belohnt werden, die echte Anstrengungen unternehmen, um ihre Auswirkungen auf die Natur, die Ressourcennutzung, klimawirksame Emissionen und die Umweltverschmutzung zu verringern", erklärte der für Umwelt, Meere und Fischerei zuständige EU-Kommissar Virginijus Sinkevičius zur Veröffentlichung des Richtlinienvorschlags.
Schöner kann man es aus Sicht des ökologisch orientierten Verbraucherschutzes eigentlich nicht sagen. Allerdings ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, was von den Entwürfen am Ende übrig bleibt und vor allem: wie die Richtlinie dann gegebenenfalls in nationales Recht umgesetzt wird. Denn anders als EU-Verordnungen gelten Richtlinien nicht unmittelbar.
Industrie soll umweltbezogene Aussagen zertifizieren
Was aus Sicht des ökologischen Verbraucherschutzes ein Segen ist, bedeutet für die Industrie vor allem Aufwand und Unsicherheit. "Wir haben den Entwurf in der Prüfung und sehen, dass die Akteure in der Wirtschaft durch die Regelungen erheblich belastet werden", sagt Harald Dittmar, Geschäftsführer des Bundesverbands der Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungs- und Körperpflegemittel (BDIH).
Ein Knackpunkt aus Sicht der Industrie sei, dass umweltbezogene Aussagen nur noch erlaubt seien, wenn ihnen ausführliche Prüfungen und Dokumentationen zugrunde lägen. Es sei geplant, dass eine akkreditierte Stelle diese Angaben prüfe und dafür Zertifikate ausstellen müsse. "Wie das in der Breite, insbesondere im vorgesehenen Zeitrahmen, funktionieren soll, ist völlig unklar", sagt Dittmar.
Der BDIH vertritt viele kleine und mittelständische Unternehmen und ist Pionier in Sachen zertifizierte Naturkosmetik. In den 1990er-Jahren schuf der Verband als weltweit erste private Organisation einen Standard und firmenunabhängige Kontrollsysteme für kontrollierte Naturkosmetik. Seit 2017 wird das BDIH-Zeichen mit der internationalen Signatur "Cosmos" vergeben und entspricht den internationalen Regeln, an denen neben dem BDIH auch weitere europäische Verbände jahrelang gearbeitet haben.
Bekannte Naturkosmetik-Siegel nicht betroffen
Diese Arbeit könnte sich jetzt erneut auszahlen. Denn laut den geplanten Neuerungen ist das Anbringen von Nachhaltigkeitssiegeln, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurden, unzulässig. "Nach den neuen Regeln wären sämtliche selbst gestrickte Nachhaltigkeitssiegel, die keiner Drittkontrolle unterliegen, verboten", erläutert Dittmar.
Die etablierten BDIH-Siegel mit den Signaturen "Cosmos Natural" und "Cosmos Organic" blieben weiter zulässig, da die Angaben "Natural" und "Organic" auf Zertifizierungssystemen beruhten, die die an solche Systeme gestellten Anforderungen erfüllten. Das dürfte auch für weitere Naturkosmetik-Siegel wie Natrue und Demeter gelten, die auch ÖKO-TEST als seriöse Zertifizierungssysteme anerkennt.
Viele Umweltaussagen könnten von Verpackungen verschwinden
Die vorgesehene strenge Nachweispflicht für allgemeine Umweltaussagen könnte jedoch tatsächlich dazu führen, dass viele grün färbende Begriffe und Slogans von Verpackungen und aus Werbeformaten verschwinden. "Biokosmetik" ohne Zertifikat? Gäbe es dann nicht mehr. Allgemeine Umweltaussagen wie "grün", "naturfreundlich", "korallenfreundlich", "klimafreundlich", "ozeanfreundlich" – wären nur noch mit wissenschaftlich begründeten, von unabhängiger Stelle nachgewiesenen und für Verbraucher zugänglichen Informationen erlaubt.
In der Praxis dürfte dies das Aus für die meisten Slogans bedeuten. Allerdings bleibt der Richtlinienentwurf, was Anforderungen und Belege angeht, sehr allgemein. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert deshalb eine Konkretisierung und ein dezidiertes Verbot bestimmter Aussagen. Begriffe wie "klimaneutral" sollte die neue Richtlinie generell verbieten, wenn damit nur die Kompensation von Emissionen gemeint sei. Denn dies führe Verbraucher in die Irre. Die Wirkung von CO2-Kompensationsprojekten sei zweifelhaft. Verbraucherinnen und Verbraucher könnten nicht erkennen, dass es einen Unterschied zwischen CO2-Minderung und CO2-Kompensation gebe.
Greenwashing bekämpfen: Klare Formulierungen wünschenswert
Auch aus ÖKO-TEST-Sicht wären konkrete Verbote und klare Formulierungen für das, was erlaubt bleibt, wünschenswert. Auch um zu verhindern, dass Unternehmen aus Angst verklagt zu werden, gar nicht mehr über ihre Umweltaktivitäten sprechen oder sich gar vom ökologischen Wandel abwenden. Für solch ein Verschweigen von Aktivitäten aus Angst vor Greenwashing-Vorwürfen hat sich bereits der Begriff "Greenhushing" eingebürgert. Auch "Greenhushing" kann der Umwelt schaden. Denn Schweigen und Tatenlosigkeit helfen der grünen Transformation ebenso wenig wie grüne Lügen.
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