Noch vor zehn Jahren waren sie als Überbleibsel kleinbürgerlichen Spießertums verschrien. Mit der Sehnsucht nach ein paar Quadratmetern Grün inmitten von Häuserschluchten begeistern sich inzwischen aber immer mehr Menschen für Schrebergärten. Ihnen geht es um Erholung, die Möglichkeit zur Selbstversorgung mit frischem Obst und Gemüse und das Gefühl, dank Harke und Spaten wieder Kontakt mit der Natur aufzunehmen.
Doch während vielen Gartenbesitzern ein üppiger Blumenteppich Lohn genug für ihre Arbeit ist, verfolgen die "Urban Farmer" ganz andere Ziele. Die Stadtfarmer wollen nachhaltige Lebensmittel produzieren, über die man zu jeder Zeit restlos aufgeklärt ist. Ihnen reicht es nicht mehr, Bio-Ware nur im Laden zu kaufen. Auch der Kampf gegen den Klimawandel ist ein Aspekt, denn das Transportieren von Lebensmitteln von weither macht einen großen Teil der damit verursachten Kohlendioxidemissionen aus. Ihr Ziel: Gemüsebeete auf Hochhäusern, Dächern oder Baubrachen sollen die Nahrungsmittelproduktion vom Land in die Stadt verlagern.
Woher kommt unser Essen?
Armin Werner, Leiter des Instituts für Landnutzungssysteme im Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), ist einer, der sich mit den begleitenden Fragen beschäftigt: Woher kommt unser Essen? Wo landet es? Wie müssen die neuen Urban-Farming-Konzepte gestaltet werden, damit sie wirklich zu einer ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit in den Metropolen beitragen? Das ZALF hat im April gemeinsam mit der Berliner Humboldt Universität die Kampagne Urbanes Gärtnern 2.0 gestartet, die im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2012 Zukunftsprojekt Erde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.
Die sozialen und ökologischen Zusammenhänge unserer Nahrungsversorgung seien heute nur noch schwer begreifbar, betont Werner. "Wir wollen mit den Stadtgärtnern kritisches Denken über Nachhaltigkeit fördern." Dazu kommt: Die Arbeit in öffentlichen Gärten fördert den Gemeinschaftssinn und das Gefühl des Einzelnen, an seinen Lebensumständen etwas ändern zu können.
Dr. Christa Müller, die für die Münchener Forschungsgesellschaft Anstiftung seit 1999 das Potenzial von urbanem Gärtnern analysiert, ist davon überzeugt, dass die Urban Farmer bereits eine Vorreiterrolle übernommen haben. Sie bauen mitten in der Stadt gesunde Lebensmittel an, teilen oder tauschen. Die Stadt erhalte so eine neue Lebensqualität.
"Wir gehen immer noch davon aus, dass wir für wenig Geld Lebensmittel aus aller Welt beziehen können. Darauf ist das urbane Gärtnern eine Antwort, indem man sagt, wir wollen nicht auf Kosten von anderen leben, sondern die Lebensmittelgrundlagen selbst schaffen, weil Konsumgüter die Energiebilanz verschlechtern", erklärte sie im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. "Es geht darum, dass man über das Selberanbauen und Selbermachen für einen anderen Konsum sensibilisiert wird und dass man beim Gärtnern erfährt, wie aufwend...