Das Ende der Party kam jäh: Seit dem Sommer stürzte der Preis für Eisenerz innerhalb von drei Monaten um ein Drittel ab. Oder handelte es sich doch nur um eine Verschnaufpause vor dem nächsten Höhenflug? Schließlich hatte sich der Erzpreis zuvor mehr als vervierfacht - getragen vom Aufstieg Chinas. Doch es genügte, dass sich dort das Wirtschaftswachstum etwas verringerte, um die Talfahrt der Eisenerzpreise auszulösen. Auch die Kurse anderer Industriemetalle gaben nach. Die Bergbaukonzerne reagierten prompt auf die sinkenden Absatzchancen. So erklärt Marius Cloppers, Chef des australisch-britischen Weltmarktführers BHP Billition: "Alle Investitionen werden eingehend überprüft." Allenthalben kürzt die erfolgsverwöhnte Branche ihre Ausgaben und drosselt die Förderung.
Doch schon prognostizieren Branchenexperten den nächsten Aufschwung des Rohstoffsektors, weil China die Inlandsnachfrage mit Konjunkturprogrammen fördert und die Industriestaaten Fortschritte im Kampf gegen die Schuldenkrise erzielen. Chinesische Investoren sind bereits verstärkt aktiv: Im ersten Halbjahr 2012 investierten sie 17 Milliarden US-Dollar in Rohstofffirmen, dreimal soviel wie ein Jahr zuvor, berichtet die Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers.
Geht die Jagd nach Rohstoffen bald unvermindert weiter? Bleibt keine Zeit zum Nachdenken über die gewaltigen Umwelt- und Gesundheitsschäden, die der Abbau und die Verarbeitung der Erze verursachen? Getrieben vom Wettbewerb und den Renditeerwartungen ihrer Geldgeber drücken die Bergbaufirmen die Kosten - zulasten von Mensch und Natur. Der Umweltschutz kommt in der Dritten Welt, den Schwellenländern oder auch in Russland allenfalls zögerlich voran.
Alles riesig: Gruben, Hütten, Umweltschäden
Als ein Negativbeispiel gilt die Stadt Norilsk, 2.800 Kilometer nordöstlich von Moskau am Eismeer. Ihre 130.000 Einwohner spüren "oft einen sauren Nachgeschmack im Mund. Ursache ist das Schwefeldioxid, das die Werke von Norilsk in die Atmosphäre blasen". So schreibt die englischsprachige Firmenzeitschrift des Konzerns MMC Norilsk-Nickel, der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion durch die Privatisierung des gewaltigen Bergwerks- und Hüttenkombinats entstand. Jedes Jahr stoßen die Schlote dieses weltgrößten Nickelproduzenten nach Werksangaben zwei Millionen Tonnen Schwefelgas aus. Hinzu kommen Feinstäube samt Schwermetallen. Die Bewohner leiden besonders an Atemwegserkrankungen, sind allgemein anfällig; schon Babys kommen krank zur Welt. Die Pflanzen in 30 Kilometern Umkreis sind schwer geschädigt, saurer Regen belastet ein Gebiet von der Größe Deutschlands. Die neue Firma, um deren Führung die russischen Milliardäre Wladimir Potanin und Oleg Deripaska streiten, verbesserte schon einiges, lässt sich jedoch für die Umrüstung laut Plan bis 2015 Zeit. Aber auch dann wird noch ein Viertel der heutigen Gasmenge ausgestoßen. Viele Bewohner werden am Fortschritt nicht mehr teilhabe...