Rund 15 Dollar kostet in Kolumbien eine zweistündige Bustour durch den weltgrößten Kohletagebau El Cerrejón. Doch dessen Dimension würde nur bei einem Rundflug wirklich deutlich, denn mit 690 Quadratkilometern ist das Konzessionsgebiet der Mine fast so groß wie der Stadtstaat Hamburg. 35 Millionen Tonnen Steinkohle wurden hier 2011 gefördert, bald werden es gut 40 Millionen sein. Nicht einmal die Rebellen, die alle paar Monate irgendwo auf dem Gelände von Cerrejón eine Bombe zünden, können die Geschäfte ernsthaft stören. Künftig wollen die Betreiber von Cerrejón - zu gleichen Teilen der australisch-britische Konzern BHP Billiton, der britisch-südafrikanische Konzern Anglo American und die schweizer Xstrata-Gruppe - einen Fluss auf 26 Kilometern Länge umleiten, was zu massiven Veränderungen des Grundwasserspiegels führen, aber die Förderung von 60 Millionen Tonnen im Jahr ermöglichen würde. Zum Vergleich: Deutschland verbrauchte 56 Millionen Tonnen Steinkohle im Jahr 2011.
Dörfer mussten den Baggern weichen
Pech für die 60.000 Kolumbianer, die im Konzessionsgebiet leben. Der Staub, der durch die Sprengungen und die Transporte aufgewirbelt wird, die Belastungen der Gewässer und des Grundwassers mit Giftstoffen - all das gefährdet ihre Gesundheit und ihre Lebensgrundlage, die Landwirtschaft. Etliche Dörfer mussten vor den Baggern weichen. Greenpeace berichtet von brutaler Gewalt bei der Räumung und von Entschädigungen, die viel zu gering waren, um anderswo neu starten zu können. Arbeitnehmerrechte werden verweigert und Gewerkschafter verfolgt, Korruption spielt eine traurige Rolle. Aufgrund internationaler Proteste hat sich in Cerrejón einiges gebessert; andere Minengesellschaften in Kolumbien, die ebenfalls meist in ausländischem Besitz sind, gehen oft rücksichtsloser vor. Auf dem Rücken der Menschen schaffte es Kolumbien mittlerweile, zum fünftgrößten Kohleexporteur der Welt aufzusteigen. Fast die gesamte Produktion des Landes, rund 80 Millionen Tonnen, wird ausgeführt; rund elf Millionen Tonnen gehen in diesem Jahr wohl an deutsche Kraftwerke. "Wir verheizen die Lebensgrundlage der kolumbianischen Landbevölkerung", fasst Sebastian Rötters zusammen, der für die Menschenrechtsorganisation Fian die Situation in dem südamerikanischen Land untersucht hat. Auch Russland, das etwa gleich viel Kohle nach Deutschland wie Kolumbien liefert, steht nicht für Umwelt- und Arbeitsschutz.
Um Kritik abzuwehren, sie kauften nur billigst ohne Rücksicht auf die Lage in den Lieferländern, gehören die deutschen Stromkonzerne Eon, RWE und Vattenfall sowie einige andere europäische E-Werker der 2012 gegründeten Organisation Bettercoal an. Sie entwickelt ein Gütesiegel für nachhaltig und sozialverträglich abgebaute Kohle, das Gruben nach entsprechender Prüfung erhalten können. Dabei überlassen die Großkunden die praktische Arbeit den Bergbaukonzernen. Der Direktor kommt von BP, früher war er bei BHP Billiton und ...