Mit einem Schlag war die ganze Familie auf den Beinen. Seit Sandra Schmitz in diesem Frühjahr erfuhr, dass die Hochspannungsleitung in ihrem Ort von 220 auf 380 Kilovolt aufgerüstet werden sollte, scheint ihr das Leben, das sie sich in ihrer beschaulichen Heimat Hürth bei Köln vorgestellt hatte, nicht mehr möglich. Die Leitung tangiert den Kindergarten, den sie für ihre dreijährige Tochter ausgesucht hatte. Sie liegt zudem keine 100 Meter vom Grundstück ihres Vaters entfernt, der einen Herzschrittmacher trägt. "Wir haben Angst, dass meine Eltern das Haus, in dem sie seit 35 Jahren leben, verlassen müssen - mit enormen finanziellen Einbußen", sagt Sandra Schmitz. Denn wer will eine Immobilie neben einer Höchstspannungsleitung kaufen - im Schatten eines 90 Meter hohen Mastes?
Sandra, ihre Eltern, ihr Bruder und ihr Mann setzten flugs ihre Unterschrift unter einen gemeinsamen Einspruch Hürther Bürger gegen diese Form des Netzausbaus und formulierten einen eigenen Einspruch. Viel Zeit dafür hatten sie nicht. Zwischen dem - nach Aussagen von Betroffenen zufälligen - Bekanntwerden des Ausbauplans und dem Ende der Einspruchsfrist lagen nur zwei Wochen. Normalerweise hätten die Bürger mit Auslegungsfrist insgesamt sechs Wochen Zeit haben müssen.
Inzwischen haben sich alle Ratsfraktionen gegen das Vorhaben ausgesprochen. Die Bürgerinitiative "Hürth gegen Hochspannung" stellt nicht den Sinn der Leitung infrage. Doch sie will eine Lösung, die die Gesundheitsrisiken berücksichtigt und die Sorgen der Hürther um den Wertverlust ihrer Heime und Grundstücke ernst nimmt. Damit ist gemeint: Erdkabel statt Freileitung.
Als "möglicherweise krebserregend" stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die langfristige Wirkung von magnetischen Flussdichten über 0,3 Mikrotesla ein. Zu diesen Flussdichten kann eine Hochspannungsleitung beitragen; sie können aber auch ohne Hochspannungsleitungen entstehen. Der Geschäftsführer des Hannoveraner Forschungsinstituts Ecolog, Dr. Horst-Peter Neitzke, nennt es ein "zivilisatorisches Grunddilemma", dass in Wohnbereichen allein durch elektrische Hausinstallationen schon dauerhafte magnetische Flussdichten bis zu 0,1 Mikrotesla erreicht werden; meist liegen die Werte jedoch deutlich darunter. Jede zusätzliche Belastung, etwa durch Hochspannungsleitungen, sollte, so Neitzke, unter 0,1 Mikrotesla liegen. Er hält die Studienergebnisse, auf die sich die WHO-Einstufung stützt, für erdrückend, weil der Zusammenhang zwischen dauerhafter Magnetfeldexposition und Kinderleukämie immer wieder bestätigt wurde.
Diskussion um bedenkliche Flussdichten
Indes: Der statistische Zusammenhang allein liefert noch keine Erklärung für die Entstehung dieser Krankheit. Es ist theoretisch möglich, dass die Ursache nicht in der magnetischen Flussdichte liegt, sondern in Faktoren, die mit ihr in Verbindung stehen. Um den Wirkmechanismus herauszufinden, finden auf internationaler Ebene ...