Es ist eine finstere und scheinbar lebensfeindliche Welt. Tausende Meter unter dem Meeresspiegel gibt es weder Tag noch Nacht, weder Sommer noch Winter, nur eisige Kälte und Dunkelheit. Die Temperatur liegt bei drei Grad über dem Gefrierpunkt, auf jedem Quadratzentimeter lastet ein tonnenschwerer Druck. Und weil Sonnenlicht fehlt, können dort unten fast keine Pflanzen wachsen. Nahrung und Sauerstoff sind knapp.
Dennoch: Die Artenvielfalt in der Tiefsee ist so groß, dass die Forscher sie wohl niemals vollständig erfassen werden. Millionen Spezies haben seit Urzeiten in der Weite der Ozeane überlebt. Fremdartige Wesen mit Glotzaugen, Monstermäulern oder meterlangen Tentakeln, Riesenspinnen und Borstenwürmer, Seegurken und Yeti-Krabben fristen ein abgeschiedenes Dasein auf dem Meeresgrund. Ihr Speiseplan besteht aus Kotbällchen, Pflanzen- und Aas-resten, die aus höheren Wasserstockwerken in den Keller sinken.
Doch nun sehen Umweltschützer das Öko-System Tiefsee bedroht. Denn es sind nicht nur seine geheimnisvollen Geschöpfe, die die Menschen faszinieren. Regierungen und Rohstoffkonzerne haben ganz andere Schätze im Blick. Es geht um Metalle, sogenannte marine mineralische Rohstoffe, die in rauen Mengen am Meeresboden lagern: Kupfer, Nickel, Kobalt, seltene Erden, Silber und sogar Gold. Diese Wertstoffe werden vor allem in der Stahl- und Elektroindustrie gebraucht. Sie stecken in Halbleitern, Windkraftanlagen, Solarzellen und Elektromobilen. Ohne sie kann die grüne Energiewende nicht funktionieren.
Bisher galt der Tiefseebergbau als unrentabel: zu aufwendig, zu teuer, technisch zu kompliziert. Doch mit den steigenden Rohstoffpreisen wächst jetzt auch das Interesse der Industrie an den Hightechmetallen im Meeresschlamm. Die Jagd auf die besten Lagerstätten hat längst begonnen.
Aber wem gehört eigentlich der Meeresboden? Diese Frage stellte sich die Völkergemeinschaft erst, als klar wurde, dass in der Tiefe gigantische Reichtümer schlummern. Über Jahrhunderte orientierten sich die Hoheitsgewässer der Küstenländer an der Dreimeilenzone. Drei Seemeilen, das war etwa so weit, wie die Kanonen schießen konnten. Doch im 20. Jahrhundert häuften sich die Grenzkonflikte. Immer mehr Staaten weiteten ihre Meeresgebiete eigenmächtig aus, um sie wirtschaftlich auszubeuten. Nach langen Verhandlungen einigten sich die Vereinten Nationen (UN) schließlich auf eine neue Seerechtskonvention.
Ein neues Seevölkerrecht
Das Vertragswerk trat 1994 in Kraft und wurde inzwischen von fast allen Staaten unterzeichnet. Es teilt das Meer samt Boden in drei Zonen ein: Die Zwölfmeilenzone zählt direkt zum Staatsgebiet. Die nächsten 200 Seemeilen gelten als ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ), in der nur das angrenzende Land das Recht hat, Fischfang und Meeresbergbau zu betreiben. Fremde Schiffe dürfen diese Zone aber durchfahren. Der Rest ist die Hohe See und internationales Gebiet. Dort hat die UN den ...