Es gab Zeiten, da wählte man seinen Joghurt einfach nach dem Geschmack aus. Aber das war vor 1995. Denn da brachte Nestlé den probiotischen Joghurt LC1 auf den deutschen Markt. Ein Lebensmittel, das neben dem Geschmack auch einen Beitrag zum Wohlbefinden versprach. Seitdem gibt es gesunden Joghurt – und noch gesünderen Joghurt.
Ein feiner Unterschied, der ein ganzes Marktsegment am Leben hält: Heute führt jeder Discounter Becher und Fläschchen mit probiotischem Joghurt, auf denen eine Stärkung der Abwehrkräfte oder eine bessere Darmaktivität versprochen werden.
Was macht Joghurt probiotisch?
Probiotischer Joghurt zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Keimen aus, die die Magensäure überleben und so lebend im Dickdarm ankommen. Hier sollen sie positive Effekte bewirken – zum Beispiel unerwünschte Keime verdrängen oder für eine bessere Verdauung sorgen.
Allerdings können auch gewöhnliche Naturjoghurts, die nicht als probiotisch deklariert sind, Keime mit dieser Eigenschaft besitzen. Dies ist allerdings weniger gut erforscht. Im Gegensatz dazu ist bei den Kulturen in probiotischen Joghurts hinreichend nachgewiesen, dass sie lebend im Dickdarm ankommen.
Probiotischen Joghurt kaufen: Gut angelegtes Geld?
Für den täglichen Schluck Wohlbefinden hat jeder Deutsche zuletzt pro Jahr rund 7,20 Euro ausgegeben, so das Marktforschungsunternehmen Information Resources. Gut angelegtes Geld oder reiner Schmu? Die Meinungen zu probiotischen Joghurts gehen auseinander.
Der emeritierte Professor Michael Teuber, der jahrelang am Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaft der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich gearbeitet hat, ist gegenüber den Produkten und den Versprechungen der Hersteller skeptisch: "Hier wird der Eindruck erweckt, dass man sich so mies ernähren kann, wie man will. Zum Ausgleichen gibt es ja probiotischen Joghurt", sagt er.
Kritik an probiotischen Joghurts
Kritisch ist der Wissenschaftler auch gegenüber den Untersuchungen, mit denen die Hersteller sich die Wirksamkeit ihrer Produkte bestätigen lassen: "Die Studien werden oft mit viel zu wenigen Teilnehmern durchgeführt", erklärt er. Dies könne man keinesfalls mit den Studien vergleichen, die die Pharmahersteller bei der Zulassung von Medikamenten vorlegen müssten.
Auch fehlten in manchen Fällen schlicht Vergleiche mit gewöhnlichem Joghurt. Denn auch der kann laut Teuber im Darm positive Effekte bewirken. Doch selbst wenn man davon ausgeht, dass die Einnahme bestimmter probiotischer Joghurts rein statistisch die Dauer von Erkältungen verkürzt oder für eine Linderung von Durchfall sorgt, heißt dies noch lange nicht, dass jeder gleichermaßen darauf anspricht.
"Die Studien sagen nur etwas über die Gruppe der getesteten Probanden aus, niemals über den einzelnen Konsumenten", sagt der Experte für probiotische Mikroorganismen Prof. Dr. Knut J. Heller vom Max Rubner-Institut in Kiel. Ob dem Einzelnen ein normaler Joghurt oder ein probiotischer Joghurt besser tut, bleibt also offen.
Probiotischer Joghurt im Test: Die wichtigsten Ergebnisse
Uns hat interessiert, wie es um die Qualität von Actimel & Co. bestellt ist. In Supermärkten, Discountern und Naturkostläden haben wir 14 Produkte eingekauft, die üblicherweise als probiotische Joghurts bezeichnet werden. Bei den Produkten im Fläschchen handelt es sich aber zumeist um Mischungen aus Joghurt, Milch und anderen Zutaten.
- Eines gleich vorweg: Wir sind der Ansicht, dass man auch ohne Produkte mit probiotischem Zusatznutzen gesund leben kann. Wenn wir also vier Produkte mit "sehr gut" bewerten, heißt das nur, dass die Qualität nicht zu beanstanden ist.
- Alle Produkte, auf denen eine bestimmte probiotische Kultur ausgelobt ist, enthielten auch am Ende des Mindesthaltbarkeitsdatums noch mehr als eine Million Keime dieser Kultur - pro Gramm. Klingt viel? Von wegen. Diese Zahl gilt als absolute Untergrenze: Enthält ein Produkt weniger Keime, ist zweifelhaft, ob es überhaupt eine Wirkung geben kann. Ob eine Menge von drei Millionen Keimen einer bestimmten Kultur aber weniger gut ist als eine Menge von 300 Millionen einer anderen Kultur können wir nicht nachprüfen. Darum fließt diese Zahl auch nicht in unsere Bewertung ein.
- Ein gewöhnlicher Naturjoghurt enthält keinen zusätzlichen Zucker. Ein klarer Vorteil gegenüber den Produkten aus dem Fläschchen. Denn bei denen haben die Hersteller teils ordentlich nachgesüßt. Einige Produkte enthalten pro 100 Gramm Produkt zwölf Gramm Zucker und mehr.
- "Pur"-Produkte brauchen auch keine Aromazusätze, da sie einfach natürlich nach Milch und Joghurt schmecken sollen. Die Hersteller von drei Produkten waren offenbar anderer Ansicht.
- Gute Noten gab’s beim Geschmack: Fast alle Produkte waren in Ordnung.
Tipps zum Verzehr von probiotischen Joghurts
Wir haben drei Empfehlungen für Sie:
- Es gibt keinen Grund, probiotische Produkte essen zu müssen. Wer sich damit aber besser fühlt, kann ruhig dabei bleiben.
- Die Zahl probiotischer Keime nimmt mit der Zeit ab. Deshalb probiotische Produkte möglichst frisch und nicht auf Wochen hinaus auf Vorrat kaufen.
- Vorsicht Zuckerbomben! Achten Sie auf den Zuckergehalt, der auf den meisten Packungen deklariert ist. Einige Produkte enthalten mehr als zwölf Prozent Zucker – das sind vier Stück Würfelzucker pro Fläschchen.
Weiterlesen auf oekotest.de:
- Milch im Test: Ist Bio-Milch die bessere Wahl?
- Feta und Schafskäse im Test: So steht es um Tierwohl und Inhaltsstoffe
- Cornflakes im Test: Viele mit bedenklichem Schadstoff Acrylamid belastet
- Haferflocken im Test: Nickel, Schimmelpilzgifte und Mineralöl gefunden
- Gefrorene Himbeeren im Test: Sind sie mit Krankheitserregern verunreinigt