Rosinen im Test: Bis zu 26 Pestizidspuren in einem Produkt

Magazin November 2024: Weizenmehl | Autor: Rebecca Welsch/Michelle Sensel/Vanessa Christa | Kategorie: Essen und Trinken | 24.10.2024

Im Test: 24 Rosinen-Produkte, bevorzugt Sultaninen.
Foto: Oleksiy Rezin/Shutterstock

Verbotene Pestizide in Rosinen, Mehrfachrückstände von über 20 Spritzmitteln in ein und demselben Produkt und ein Schimmelpilzgift über dem gesetzlichen Grenzwert – acht von 24 Rosinen in unserem Test fallen durch. Allerdings gibt es auch Produkte, die zeigen, dass es anders geht.

  • Der Begriff Rosine ist eine Sammelbezeichnung für alle Arten getrockneter Weintrauben. Sultaninen werden in der Regel aus der kernlosen Sultana-Traube hergestellt.
  • Im Test: 24 Rosinen-Produkte, darunter neun mit Bio-Label. Dabei wählten wir bevorzugt Sultaninen.
  • Mit Bestnote sind acht Produkte empfehlenswert. Acht wiederum fallen auch durch. 
  • Wir kritisieren vor allem Mehrfachrückstände von Pestiziden. Unter den gefundenen Spritzmitteln befinden sich auch solche, die in der EU verboten sind.
  • Minuspunkte verteilen wir außerdem für Schimmelpilzgifte und eine erhöhte Keimzahl.

Tafeltrauben fallen laut Zahlen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) immer wieder durch Mehrfachrückstände von Pestiziden auf. Entsprechend sind Befunde in Rosinen nicht überraschend. Auch unser Test von 24 Produkten zeigt: Rosinen haben ein Problem mit Pestiziden. Negativ-Spitzenreiter sind Rosinen, die ganze 26 Pestizidspuren enthalten. 

Das Problem von mehreren Pestizidrückständen 

Damit ist das Produkt aber nicht alleine: Das von uns beauftragte Labor hat in vielen Rosinen Rückstände von gleich mehreren Stoffen entdeckt. Diese sind in der gefundenen Konzentration zwar nicht akut giftig, allerdings ist über die Wechselwirkung mehrerer solcher Pestizide auch im Spurenbereich bislang wenig bekannt.

Da wir gesundheitliche Risiken somit nicht sicher ausschließen können, werten wir Produkte mit Mehrfachrückständen von Pestiziden und/oder Wirkverstärkern ab. 

Wie kommen die Pestizide in die Rosinen? 

Gründe, warum zum Teil über 20 Pestizide in Spuren in unserem Test nachgewiesen wurden, kann es viele geben. Hersteller können zum Beispiel mehrere Wirkstoffe verwenden, die gegen unterschiedliche Krankheiten, Pilze und Insekten wirken sollen. Dafür werden teils auch Kombinationspräparate eingesetzt. Um Resistenzen bei Schaderregern vorzubeugen, können Wirkstoffe auch gezielt im Wechsel angewendet werden.

Aber auch während der Lagerung oder dem Transport können sich Pestizidrückstände von kontaminierten Behältern oder Förderbändern auf die Produkte übertragen. Es ist auch möglich, dass geringe Rückstände von vorangegangen Anwendungen oder von benachbarten Feldern stammen.

Denkbar sind des Weiteren Fehler bei der Anwendung der Wirkstoffe, heißt es vom BVL: "Auch eine nicht ausreichende Umsetzung der guten landwirtschaftlichen Praxis bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln kann nicht immer ausgeschlossen werden."

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Besonders bedenkliche Pestizide in Rosinen im Test 

Auffällig: Unter den gefundenen Pestiziden befinden sich auch solche, die wir als besonders bedenklich für Umwelt und Menschen in den Herkunftsländern einstufen. Und das in Mengen, bei denen wir von einem aktiven Einsatz auf dem Feld ausgehen müssen.

Zu diesen bedenklichen Pestiziden zählen wir unter anderem:

  • Acetamiprid: Das Insektizid ist in der CLP-Verordnung als "vermutlich reproduktionstoxisch" eingestuft, es kann also die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und das Kind im Mutterleib schädigen. Es gehört außerdem zu den bienentoxischen Neonikotinoiden – einer Klasse von Insektiziden, die das Nervensystem und den Orientierungssinn von Honigbienen schädigen können.
  • Glyphosat: Der Unkrautvernichter steht noch immer im Verdacht, krebserregend zu sein. Als gesichert gilt hingegen, dass er den Lebensraum von Insekten und Vögeln zerstört und erheblich zum Verlust an Biodiversität beiträgt.

    In der EU verbotene Pestizide in getesteten Rosinen 

    Wir sind außerdem auf Spritzmittel gestoßen, die in der EU verboten sind:

    • Chlorpyrifos: Das Insektizid steht im Verdacht, das Erbgut und die neurologische Entwicklung negativ zu beeinflussen. So soll es bereits im Mutterleib bleibende Schäden am Gehirn von Kindern verursachen. 
    • Dimethomorph: Das Fungizid steht in Verdacht, die menschliche Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen. 
    • Fenamiphos: Das Pesitizid ist laut PAN hoch bienengiftig. Das Labor hat es gesichert in einem Produkt in einer Menge nachgewiesen, die über dem gesetzlichem Grenzwert liegt. 

    Hersteller nehmen Produkte aus dem Verkauf 

    Als Reaktion auf unsere Testergebnisse wurden drei Produkte aus dem Verkauf genommen. Die Hersteller prüfen, wie es zu der hohen Pestizidbelastung kommen konnte. Unter diesen Rosinen befindet sich auch ein Bio-Produkt, was völlig aus der Reihe fällt. Darin stecken laut Laborergebnissen neun Pestizide – davon sieben, die wir als besonders bedenklich einordnen.

    Bei der Mehrzahl dieser Stoffe handelt es sich um Spuren. Zwei der bedenklichen Pestizide sind der Laboranalyse zufolge in Mengen enthalten, die darauf hindeuten, dass sie aktiv auf dem Feld eingesetzt oder die Rosinen zumindest nicht den Regeln der Öko-Verordnung entsprechend hergestellt wurden.

    Kritik an Schimmelpilzgiften in Rosinen  

    Obendrauf kommt noch, dass das Labor in den Bio-Sultaninen auch das Schimmelpilzgift Ochratoxin A entdeckt hat – und zwar in einem Gehalt, der gesichert über dem gesetzlich festgelegten Grenzwert liegt. Die Rosinen hätten aus unserer Sicht gar nicht verkauft werden dürfen.

    Das Schimmelpilzgift kritisieren wir auch in einem weiteren Produkt im Test. Hier bewerten wir den Gehalt als "stark erhöht". Zur Einordnung: Ochratoxin A erwies sich in Tierversuchen als krebserregend und kann genotoxisch sein. Es kann durch ungünstige Temperaturen und Feuchte während der Ernte, Verarbeitung oder Lagerung entstehen.

    Vereinzelt bemängeln wir auch nachgewiesene Schimmelpilze und eine "erhöhte" Gesamtkeimzahl. Die gefundenen Mengen liegen über den Richtwerten der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie.

    (Foto: ÖKO-TEST )

    Nicht alle Rosinen im Test enthalten Pestizide

    Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Fünf Rosinen im Test kommen ganz ohne Pestizidrückstände aus – das zeigen die Laboranalysen. 

    Insgesamt sind acht Produkte mit Bestnote empfehlenswert. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige Rosinen, die aufgrund ihrer problematischen Inhaltsstoffe durchfallen. Die detaillierten Testergebnisse finden Sie im ePaper: Rosinen im Test

    Weiterlesen auf oekotest.de: 

    Wir haben diese Produkte für Sie getestet

    Testverfahren

    Wir haben 24 Rosinen-Produkte in Supermärkten, Discountern und Drogerien eingekauft, darunter neun Bio-Produkte. Dabei wählten wir bevorzugt Sultaninen. Für 250 Gramm der günstigsten Rosinen zahlten wir 0,99 Euro, die teuersten kosteten 2,99 Euro.

    In unserem Auftrag analysierte ein Labor die Produkte auf Pestizidrückstände – inklusive Glyphosat und dem Fungizid Fosetyl/Phosphonsäure, das bis 2013 auch im Öko-Landbau zugelassen war und noch Jahre später nachweisbar ist. Mikrobiologisch wurden die Produkte auf Schimmelpilze und Keime untersucht und anschließend von uns nach den Richt- und Warnwerten der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie bewertet. Weitere Analysen galten den Schimmelpilzgiften Ochratoxin A und Aflatoxine – Letztere wurden in keinem Produkt gefunden.

    Bei Chlorat und Perchlorat, die während der Verarbeitung über chloriertes Wasser in die Rosinen gelangen können, wie auch beim Mineralöl gab es keine abwertungsrelevanten Befunde. Die Verpackungen überprüfte ein Labor auf PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen, ohne Befund. Darüber hinaus sahen wir uns die Auslobungen auf den Verpackungen an – Werbung mit Selbstverständlichkeiten werteten wir ab. Alle Anbieter baten wir um Auskunft, in welchen Ländern die Trauben angebaut wurden, wenn die Herkunft nicht deklariert war. Auch den Nutri Score haben wir überprüft, hier passte alles.

    Bewertungslegende

    Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt, zugrunde gelegt werden die gemessenen Gehalte. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode. Bei Richt- und Orientierungswerten sowie Verarbeitungsfaktoren handelt es sich um rechtlich nicht bindende Werte, die eingehalten werden sollten, während rechtlich bindende Grenzwerte eingehalten werden müssen.

    Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils fünf Noten: a) ein gemessener Gehalt an Ochratoxin A, der den gesetzlichen Rückstandshöchstgehalt von 8,0 µg/kg in getrockneten Weintrauben gesichert überschreitet; b) ein gemessener Pestizidgehalt, der unter Berücksichtigung des Trocknungsfaktors von fünf (gemäß BNN für Trockenfrüchte) den entsprechenden EU-Rückstandshöchstgehalt für Tafeltrauben gesichert überschreitet. Zur Abwertung um jeweils vier Noten führen: a) ein gemessener Gehalt an Ochratoxin A, der den gesetzlichen Rückstandshöchstgehalt von 8,0 µg/kg in getrockneten Weintrauben überschreitet; b) ein gemessener Pestizidgehalt, der unter Berücksichtigung des o.g. Trocknungsfaktors den entsprechenden EU-Rückstandshöchstgehalt für Tafeltrauben überschreitet; c) ein Mehrfachrückstand von mehr als 14 Pestiziden und/oder Wirkverstärkern. Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein Mehrfachrückstand von sieben bis zehn Pestiziden und/oder Wirkverstärkern; b) drei bis vier besonders bedenkliche Pestizide in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg unter Berücksichtigung des o.g. Trocknungsfaktors. Dabei orientieren wir uns an der Liste der hochgefährlichen Pestizide des Pestizid-Aktions-Netzwerks (PAN), Stand: 8/2021, insbesondere der in Gruppe 2 oder Gruppe 3 als sehr bienentoxisch oder sehr bioakkummulierend und sehr persistent in Wasser, Böden oder Sedimenten genannten Stoffe sowie an Einstufungen von Pestiziden in der EU-Datenbank oder CLP-Verordnung als kanzerogen oder reproduktionstoxisch. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Mehrfachrückstand von zwei bis sechs Pestiziden und/oder Wirkverstärkern; b) ein bis zwei besonders bedenkliche Pestizide in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg unter Berücksichtigung des o.g. Trocknungsfaktors; c) ein bis zwei von der EU im Anbau verbotene oder nicht mehr zugelassene Pestizide  in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg unter Berücksichtigung des o.g. Trocknungsfaktors; d) eine gemessene aerobe Gesamtkeimzahl von mehr als 1×10⁵ KBE/g. Dies entspricht einer Überschreitung des DGHM-Richtwerts für Rosinen; e) eine gemessene Anzahl von Schimmelpilzen von mehr als 1×10⁴ KBE/g. Dies entspricht einer Überschreitung des DGHM-Richtwerts für Rosinen. 

    Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um zwei Noten: ein gemessener Gehalt von mehr als 0,01 mg/kg eines oder mehrerer Pestizide nach Einbezug des o.g. Trocknungsfaktors in einem Bio-Produkt. Zur Abwertung um eine Note führt: Werbung mit Selbstverständlichkeiten mit Hinweis auf gesetzliche Regelungen, wobei gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften oder selbstverständliche Umstände als etwas Besonderes hervorgehoben werden, obwohl vergleichbare Produkte diese ebenso aufweisen.

    Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

    Testmethoden

    Mineralölbestandteile: LC-GC-FID (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen). Pestizid-Screening: GC-MS/MS und 2D LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen). Glyphosat/Aminomethylphosphonsäure (AMPA)/Glufosinat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).Fosetyl-Al, Fosetyl, Phosphonsäure: QuPPe-Method, mod. (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen). Ochratoxin A: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen). Aflatoxine: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen. Aerobe Gesamtkeimzahl: Kulturelles Zählverfahren (Nährbodenfilm) bei 30°C, 3M™ Petrifilm™ AC. Enterobacteriaceae: Kulturelles Zählverfahren (Nährbodenfilm), 3M™ Petrifilm™ EB. Escherichia coli: Kulturelles Zählverfahren (Nährbodenfilm), 3M Petrifilm SEC.
    Osmophile Hefen und Xerophile Schimmelpilze: Kulturelles Zählverfahren (nicht-chromogene Nährböden) nach ISO 21527-2. Präsumtiver Bacillus cereus: Kulturelles Zählverfahren (nicht-chromogene Nährböden) nach ISO 7932. Salmonellen: Kulturelle Detektion (nicht-chromogene Nährböden) nach DIN EN ISO 6579. Chlorat / Perchlorat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen). PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

    Einkauf der Testprodukte: Juni – Juli 2024.

    Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.