Kann man sein Kind durch zu viel Nähe verwöhnen? Muss ein Kind gehorchen oder entstehen dadurch unkritische Jasager? Wann sollte es losgehen mit dem Sauberkeitstraining? Oder kommt der Impuls dazu vom Kind allein? Müssen Kinder bis zu einem bestimmten Alter unbedingt etwas können oder gelernt haben? Gibt es sinnvolle Strafen? Brauchen Jungs eine andere Erziehung als Mädchen? Und vor allem: Was macht Kinder stark und zu selbstbewussten, verantwortungsvollen, sozialen und fröhlichen Persönlichkeiten?
Fragen über Fragen - in jeder Altersphase des Kindes andere, bei jedem Geschwisterkind unterschiedliche. "Wer Kinder erzieht, muss die Vorstellung loslassen, alles im Griff zu haben", ist eine der zentralen Botschaften von Jan-Uwe Rogge, einem der bekanntesten Erziehungsberater Deutschlands. Der bringt mit dieser knappen Formulierung das ganze Dilemma auf den Punkt, in dem sich Eltern von heute befinden. Auf der einen Seite wollen sie natürlich alles richtig machen. Auf der anderen Seite sind sie massiv verunsichert, weil gerade über die Medien ständig neue Erkenntnisse verbreitet werden, die vermeintlich umgehend beim Nachwuchs angewendet werden müssen.
War es früher normal, dass in einer Familie zwei, drei oder gar mehr Kinder lebten, die quasi nebenbei erzogen wurden, weil etwa die älteren Geschwister oder die Nachbarschaft immer auch ein Auge auf sie hatten, sieht das heute ganz anders aus. Nach Angaben des Statistischen Jahrbuchs 2014 liegt die Anzahl minderjähriger Kinder hierzulande bei knapp 12,9 Millionen. Zur Jahrtausendwende waren es noch etwa 15 Millionen. Darüber hinaus verzeichnen die Statistiker eine deutliche Verschiebung hin zur Ein-Kind-Familie: Hatte die Mehrzahl (44 Prozent) der Familien vor knapp 20 Jahren noch zwei Kinder, sind Familien mit nur einem Kind mittlerweile deutlich in der Überzahl (53,5 Prozent). In 36 Prozent aller Familien wachsen zwei Kinder auf. Familien mit drei (8,4 Prozent) oder gar mehr Kindern (2,1 Prozent) haben da geradezu Exotenstatus.
Mit der Folge, dass der Nachwuchs in den Familien oft genug im Mittelpunkt steht und entsprechend viele Hoffnungen auf ihm ruhen, die nicht auf mehrere (Kinder-)Schultern verteilt werden. Vor einiger Zeit wurde für jene Eltern, die sich mit aller Kraft auf das Projekt (Einzel-)Kind stürzen, der Begriff Helikopter-Eltern geprägt. Oder auch Curling-Eltern, weil sie, so der bekannte dänische Erziehungsexperte und Familientherapeut Jesper Juul, wie beim Eisstockschießen sämtliche Hindernisse, die auftauchen, aus dem Weg schieben, bevor ihr Kind überhaupt die Chance hat, sie zu überwinden und an ihnen zu wachsen. Bei Helikopter-Eltern steht das (in den meisten Fällen) einzige Kind im absoluten Mittelpunkt, alles dreht sich um seine Wünsche, Bedürfnisse, Launen, Ansprüche. Doch die Überbehütung auf der einen Seite ist auf der anderen an enorme Anforderungen mit hohem Bildungs- und Leistungsdruck gekoppelt. Straffe Wochenpl...